(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Diet mar Bachmann FDP/DVP: Bravo! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Solche Themen erweisen sich übrigens als sehr aktuell, wenn Sie Umfragen machen lassen. So, wie die SPD mit Sicherheit nicht nur die Sonntagsfrage gestellt hat, machen das andere auch. Wenn es also um das Thema Länderfinanzausgleich geht, das bei den Bürgerinnen und Bürgern hoch im Kurs steht,
(Abg. Reinhold Gall SPD: Klar! – Abg. Ursula Hauß mann SPD: Dann müssen Sie es auch umsetzen! Um das geht es! Nicht bloß dicke Backen machen!)
dann finde ich es, ehrlich gesagt, ein bisschen schofelig, zu sagen, es sei Populismus, wenn man dieses Thema aufgreift. Ansonsten verfolgen Sie, Herr Kretschmann, doch ganz an dere Tendenzen. Sonst singen Sie doch immer das Hohelied der Basisdemokratie. In diesem Zusammenhang ist es aber aus Ihrer Sicht Populismus, wenn man ein Thema aufgreift, eine Frage, auf die 80, 90 % der Bevölkerung eine eindeuti ge Antwort geben. Ich greife dieses Thema auf. Ich will Ih nen auch sagen, wie wir hinleiten und warum ich sehr opti mistisch bin, dass wir bei einem Gang vor das Bundesverfas sungsgericht, wenn er gut vorbereitet ist und man ihn mit an deren Partnern gemeinsam beschreitet, eine Änderung errei chen werden.
Es gibt ein einziges Land in der Bundesrepublik Deutschland, das vom ersten Tag an, seit 1952, in den Länderfinanzaus gleich eingezahlt hat. Das ist unser Land Baden-Württemberg.
Wir haben – Stand 31. Dezember letzten Jahres – 46,5 Milli arden € in den Länderfinanzausgleich eingezahlt.
Der Schuldenstand des Landes Baden-Württemberg lag im letzten Jahr bei knapp über 42 Milliarden €. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.
Allein in den letzten zehn Jahren, also seit dem Jahr 2000, hat das Land Baden-Württemberg mehr als 20 Milliarden € in den Länderfinanzausgleich eingezahlt.
Es wird immer wieder argumentiert – auch von dem „Armaber-sexy“-Vertreter Wowereit –, es wäre doch ein Anschlag auf die föderale Solidarität, wenn man dieses Thema angreift. Meine Damen und Herren, im letzten Jahr hat das Land Ba den-Württemberg über die Umsatzsteuerergänzungsanteile, über den Länderfinanzausgleich und über die Ausgleichssys teme in der gesetzlichen Krankenversicherung – nur bei die sen drei Punkten – in der Summe mehr als 4 Milliarden € an andere Länder bezahlt. Da ist es einfach unverschämt, zu sa gen, wir wären nicht solidarisch, meine Damen und Herren; das muss man bei dieser Gelegenheit auch einmal sagen.
Damit sind wir bei der Entwicklung des Problems in den letz ten Jahrzehnten. Als das Ausgleichssystem 1952 gegründet wurde, hat das Land Baden-Württemberg 23 Millionen DM eingezahlt. 15 Jahre später war es schon zehnmal so viel. In der Zwischenzeit ist es mehr als hundertmal so viel. In den letzten 50 Jahren haben sich die Kosten in dieser Republik aber nicht verhundertfacht. Das heißt, die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich sind ständig überproportional ange stiegen.
Genau damit sind wir beim Thema System. Es geht mir nicht darum, zu sagen: Wir wollen keinen Länderfinanzausgleich mehr. Das wäre übrigens auch eindeutig verfassungswidrig. Mir geht es nur darum, dass nicht eines Tages noch zwei Län der alles bezahlen – mit steigender Tendenz – und andere sich erst gar nicht anstrengen müssen, um dem entgegenzuwirken. Nur um dieses präzise Detail geht es.
Da kann ich Ihnen nur sagen – Landtagswahl hin oder Land tagswahl her –: Wenn Sie bei den Daten und Fakten, die ich gerade vorgetragen habe, gegen die Veränderung dieses Aus gleichssystems sind, müssen Sie mir einmal sagen, wie Sie ei nem Baden-Württemberger erklären, wie Sie das entsprechend umsetzen wollen.
Immer Step by Step. Ich komme schon noch darauf. Lieber Herr Kollege, dieses Thema werde ich noch präziser und aus giebiger behandeln, als Ihnen recht sein wird – das verspre che ich Ihnen –, sowohl heute als auch in den nächsten Mo naten.
Ich hätte noch nicht einmal ein Problem damit, wenn ein Land, das sichtbar seine Strukturen verändert, von uns Geld be kommt, meinetwegen sogar in steigendem Umfang. Nur, Herr Kretschmann: Sie haben, wahrscheinlich unfreiwillig, genau das Hauptproblem angesprochen, bei dem wir einfach eine Veränderung vornehmen müssen. Im Moment ist es so, dass ausschließlich die Einnahmeseite zählt.
Sie haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts übrigens richtig zitiert, aber leider falsch interpretiert. Es stimmt nicht, wenn Sie sagen, die Reihenfolge hinsichtlich der Finanzkraft der Länder verändere sich nicht.
Laut Abrechnung, erhältlich beim Finanzministerium BadenWürttemberg, liegen wir nach allen drei Stufen
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ja, das ist der entschei dende Punkt! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜ NE: Aha!)
langsam, langsam, langsam! –, Umsatzsteuerausgleich, Län derfinanzausgleich, Bundesergänzungszuweisungen, vor der Vornahme des Ausgleichs hinsichtlich der Steuerkraft des Bür gers im Durchschnitt auf Rangposition 3 in Deutschland, nach dem Ausgleich auf Rangposition 9. Sie können doch nicht da von reden, die Reihenfolge verändere sich nicht, wenn Sie von Rangposition 3 nach erfolgtem Ausgleich auf Rangposition 9 landen und plötzlich Länder, an die Sie Zahlungen leisten müssen, vor Ihnen in der Rangliste stehen.
Nachdem sich das kaum verändert hat, bin ich mir sehr sicher, dass das einer der Punkte ist – das war auch bei dem ersten Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon ein Ansatzpunkt; Sie haben das ja indirekt bestätigt –, an denen wir ansetzen können.
Nur, damit Sie einmal sehen, was mit diesem Geld in der Re publik passiert: Berlin plant in diesem Jahr insgesamt in sei nem Haushalt unglaubliche 4,6 Milliarden € aus dem Länder finanzausgleich ein. 4,6 Milliarden €! Es ist doch ein perver ses System, wenn drei Länder 8,5 Milliarden € zahlen müs sen, aber allein Berlin über 4 Milliarden € bekommt und nichts anderes zu tun hat, als im gleichen Jahr seine Ausgaben um 900 Millionen € zu erhöhen. Ich hätte einmal wissen wollen, was in diesem Saal los gewesen wäre, was die Opposition ge sagt hätte, wenn wir in der tiefsten Krise die Ausgaben in ei nem Jahr – mit Schulden – um 900 Millionen € erhöht hätten. Ich hätte einmal wissen wollen, was Sie dazu gesagt hätten.
Brandenburg hat im Jahr 2009 500 Millionen € aus dem Län derfinanzausgleich bekommen. Was macht es damit? Das Land Brandenburg – finanziell, wie wir alle wissen, glänzend aufgestellt – führt in diesem Jahr ein Schüler-BAföG ein. Es erhöht die konsumtiven Ausgaben, statt seinen Haushalt zu restrukturieren und im Prinzip einmal zu schauen, wie es selbst auf die Füße kommt.
Bremen hat im vergangenen Jahr Ausgleichszuweisungen in Höhe von 430 Millionen € bekommen. Was macht Bremen? Bremen erhöht die Schulden, und trotzdem weist sein Haus halt einen ungedeckten Anteil in Höhe von 11 % aus.
Was macht Bremen noch? Bremen führt Studiengebühren ein, aber nicht für diejenigen, die aus Bremen kommen, nicht für die eigenen Landeskinder, sondern nur für diejenigen, die von außerhalb kommen.
Meine Damen und Herren, so viel zum Thema „Föderale So lidarität“. So sieht die Solidarität in Deutschland im Moment aus.