Vor allem in den strukturschwachen Gebieten des ländlichen Raums im Land haben wir seit 1995 Investitionen von klei
nen und mittleren Unternehmen im Umfang von über 2 Mil liarden € mit zinsverbilligten Darlehen unterstützt.
Eine dynamische Volkswirtschaft, die sich auch im internati onalen Standortwettbewerb behaupten will, ist ständig auf sol che Pionierunternehmen angewiesen. Dies gilt insbesondere für unseren ländlichen Raum in Baden-Württemberg.
Im Jahr 2009 konnten wir mithilfe des Landes insgesamt rund 3 900 Existenzgründungen und Betriebsübernahmen mit ei nem Darlehensvolumen von über 520 Millionen € unterstüt zen.
Wir stehen aber in den kommenden Jahren vor einer Welle von Betriebsübernahmen. Das betrifft ca. 45 000 bis 60 000 Unternehmen. Immer häufiger muss der Nachfolger extern ge funden werden. Nur noch ungefähr die Hälfte der Mittelständ ler planen, dass ihre Kinder das Unternehmen weiterführen. Von einem Gelingen der Unternehmensübergaben hängt aber allein bei uns in Baden-Württemberg jährlich der Erhalt von immerhin rund 140 000 Arbeitsplätzen ab.
Das Land leistet in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsorga nisationen und Fördereinrichtungen konkrete Hilfestellung für Übernehmer und Übergeber. Eine wesentliche Zielgruppe bei spielsweise des Meister-BAföGs sind künftige Existenzgrün derinnen und Existenzgründer. Seit 1996 haben wir mit dem Meister-BAföG in Baden-Württemberg mehr als 50 000 Teil nehmer gefördert. Gut die Hälfte davon bezieht sich auf das Handwerk. Das sind Chancen für den ländlichen Raum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir messen dem ländlichen Raum eine sehr hohe Bedeutung bei. Das zeigt sich nicht nur an der Einsetzung des entsprechenden Kabinettsaus schusses. Um den ländlichen Raum gerade in Zeiten des de mografischen Wandels lebenswert zu erhalten, müssen wir, wie wir es schon von meinen Vorrednern gehört haben, ein ganz besonderes Interesse an der ärztlichen Versorgung ha ben. Ich erinnere deshalb an die Aktuelle Debatte am 18. Ju ni vergangenen Jahres mit dem Titel „Der Landarzt – ein Aus laufmodell?“.
Für uns Liberale ist klar: Nur mit einem leistungsgerechten Entgeltsystem werden wir junge Ärztinnen und Ärzte für ei ne Niederlassung im ländlichen Raum gewinnen können. Wer glaubt, mit dem derzeitigen Taschengeld für Hausbesuche den künftigen Herausforderungen gerecht zu werden, der irrt.
Auch eine Zwangsverteilungsquote, wie sie diskutiert wird, ist aus meiner Sicht verfehlt. Wir Liberalen setzen auf gute Bedingungen im Wettbewerb und freie Entscheidungen, aber nicht auf diskriminierend wirkende Instrumente. Der ländli che Raum wird förmlich schlechtgeredet, wenn man mit Ver pflichtungen zur Niederlassung werben möchte. Wir brauchen deshalb eine konzertierte Anreizaktion.
Die Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum signali siert uns die Attraktivität des ländlichen Raums als Wohnort. Noch in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren sind
aus dem ländlichen Raum erwerbstätige Menschen abgewan dert, weil sie damals keine ausreichenden Beschäftigungs möglichkeiten sahen. Aber vor allem diejenigen, die im länd lichen Raum leben und die Entwicklung tagtäglich miterle ben, erkennen, dass sich die Zeiten seit diesen Jahren deutlich verändert haben. Die Kommunen partizipieren an der Ent wicklung im ländlichen Raum. Dies beweist vor allem die Entwicklung des Steueraufkommens und insbesondere auch der Schuldenlast.
Der ländliche Raum Baden-Württembergs ist ein Wohn- und Wirtschaftsstandort mit beträchtlicher Wachstumsdynamik und vor allem mit sehr guten Zukunftsperspektiven.
Der Landesentwicklungsplan geht zu Recht davon aus, dass die Entwicklung des ländlichen Raums auf eigenständigen Entwicklungspotenzialen basiert. Insbesondere für produzie rende Unternehmen ergeben sich aus den günstigen Bauland preisen – das ist ganz konkret eine praktische Umsetzung –, einer deutlichen Verbesserung der Verkehrsanbindung oder auch aus einem hohen Freizeit- und Umweltwert spürbare langfristige Standortvorteile, die auch für die Gewinnung von qualifizierten Arbeitskräften von entscheidender Bedeutung sind.
Eine naturnahe Landschaft und eine intakte Natur, in der vor allem der Tourismus gefördert wird, beispielsweise durch das Vorhandensein von Thermalquellen und Mooren und durch ein gesundes Klima, sind spezifische Vorteile des ländlichen Raums, insbesondere für den Erholungs- und Gesundheitstou rismus. Im ländlichen Raum befruchten sich die Wirtschafts zweige von Landwirtschaft und Tourismus gegenseitig.
Mit dem fortschreitenden Strukturwandel der Landwirtschaft kommt dem Tourismus eine zunehmende Bedeutung als kom plementäre Wirtschaftsform für den ländlichen Raum zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor diesem Hinter grund verstehe ich unsere tourismuspolitische Unterstützung als einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Sicherung und Entwicklung des ländlichen Raums.
Digitale Technologien, die natürlich auch dazugehören, sind zum entscheidenden Motor für Wirtschaftswachstum und Be schäftigung geworden. Auch bei den Nutzern dieser Techno logie belegt Baden-Württemberg den Spitzenplatz unter den Flächenländern in Deutschland. Gerade für die Menschen im ländlichen Raum muss die Chancengleichheit durch den Auf bau der erforderlichen technischen und organisatorischen Strukturen gesichert werden. Gerade im ländlichen Raum muss die Nutzung des Internets selbstverständlich sein.
Wir werden weiter an den Erfolgsfaktor anknüpfen, der auch für die bisherige positive Entwicklung im ländlichen Raum mitentscheidend war, nämlich an den Ausbau der Qualifikati on. Das wohnortnahe, breit gefächerte Bildungsangebot ins besondere im Grundschulbereich sowie die Schülerbeförde
rung waren wichtige Voraussetzungen für die positive Ent wicklung. Denn Qualifikation zahlt sich aus.
Wir wollen deshalb weiter alles daransetzen, dass die Heraus forderungen aus dem ländlichen Raum zu den Chancen des ländlichen Raums werden.
Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Für mich war es aus mehreren Gründen außerordentlich interessant, in diese Aktuelle Debat te hineinzuhören.
Wir haben hier Kolleginnen und Kollegen gehört – das geste he ich jedem Redner zu –, die sich für den ländlichen Raum interessieren und engagieren, die überwiegend aus dem länd lichen Raum kommen, den ländlichen Raum kennen oder ken nen müssten.
Wir haben aber auch Kollegen gehört, die über Jahre und Jahr zehnte in kommunalen Spitzenämtern ihre Mitverantwortung ausüben, damit der ländliche Raum in unserem Land so ist, wie er heute ist.
Paul Locherer hat dazu beigetragen, dass sich eine Gemein de, die schlechte Ausgangsbedingungen hatte, die im tiefsten ländlichen Raum steckt, zu einer Gemeinde entwickeln konn te, die nicht nur regionale, sondern landesweite Bedeutung ge wonnen hat.
(Abg. Ulrich Lusche CDU: Ritterschlag! – Abg. Die ter Hillebrand CDU: Guter Bürgermeister! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Meine Damen und Herren, es war, glaube ich, für uns alle in teressant, wahrzunehmen, dass das Thema „Ländlicher Raum“ ein ganz breit angelegtes Thema ist, dass es nicht klassisch städtische Themen und klassisch ländliche Themen gibt.
Landwirtschaft gibt es in der Stadt, Kultur gibt es auf dem Dorf. Zum Thema „Ländlicher Raum“ gehört eigentlich alles.
Deutlich wurde einmal mehr, in welchem Argumentationsnot stand sich unsere Opposition in Baden-Württemberg befindet.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ur sula Haußmann SPD: Ojemine! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Hilflosigkeit herrscht! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Sollen wir Nothilfe leisten? – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Nach dem guten Beginn war das ein Absturz!)
Ich darf Ihnen durchaus schon ein bisschen Respekt ausdrü cken, wenn ich sehe, welche Kraftanstrengungen Sie unter nehmen müssen, um Ihrer alten Linie treu zu bleiben und auch im ländlichen Raum Haare in der Suppe zu finden
(Beifall des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Alfred Winkler SPD: Die Suppe liegt in den Haaren!)
Meine Damen und Herren, wir als Landesregierung überneh men mit großer Freude die Verantwortung für den ländlichen Raum. Dafür stehen wir. Wir lassen uns auch für alles im länd lichen Raum verantwortlich machen.