Protocol of the Session on April 15, 2010

Wir haben uns in der Krise bewährt und durch viele Instru mente auch den ländlichen Raum gestärkt: Mittelstandsfinan zierung in einem Sonderprogramm der L-Bank, Krisenbera tung, Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, Gewerbege bietserschließung, vor allem auch interkommunale Zusam menschlüsse. Wir haben die innerörtliche Entwicklung durch das MELAP gestärkt.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Freie Rede!)

Die Konjunkturprogramme von Bund und Land haben sich positiv ausgewirkt, insbesondere auch auf die Handwerksbe triebe. Last, but not least möchte ich unsere Breitbandinitia tive nennen.

Der ländliche Raum ist und bleibt gut aufgestellt. Die CDU ist Garant dafür, meine Damen und Herren, dass dies so bleibt. Denn eines ist klar: Die baden-württembergische Medaille hat zwei Seiten: die eine Seite sind die Ballungsräume und die an dere die attraktiven ländlichen Räume, und beide sind gleich wertig.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Lassen Sie mich zu den Bildungschancen im ländlichen Raum kommen. Ich habe gerade aufmerksam die Debatte zur Werk realschule verfolgt. Meine Damen und Herren von der Oppo sition, lassen Sie doch endlich einmal das Schlechtreden sein, hören Sie endlich mit den Strukturdebatten auf,

(Beifall bei der CDU)

und bemühen Sie sich mit uns zusammen um gute Qualität an den Schulen.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber Sie machen es doch selbst anders!)

Ich nenne jetzt mit großer Freude einmal – ich habe das noch nie getan, seit ich hier im Landtag bin – als typisches Beispiel einer neuen Werkrealschule die Entwicklung des Ländlichen Schulzentrums Amtzell als Beispiel.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ja!)

Meine Damen und Herren, hier wurde die neue Werkrealschu le eingerichtet – übrigens durch einstimmigen Beschluss; die Opposition ist nicht so stark im dortigen Gemeinderat vertre ten, aber sie hat hier auch mitgestimmt – mit dem Element „Verzahnter Weg von Haupt- und Werkrealschule“, mit Wahl pflicht- und Profilfächern – auch Frau Ministerin Schick hat deren Bedeutung herausgehoben –, mit dem Bereich Wirt schaft, Technik und Soziales als sehr wichtigem Element, mit interkommunalen Kooperationen – angesichts der demogra fischen Entwicklung in den Dörfern, Herr Schmiedel –, mit engster Verzahnung zur örtlichen Wirtschaft und last, but not least mit der mittleren Reife auf dem Dorf.

(Zuruf des Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU)

Jetzt haben wir in Amtzell – man höre und staune; das wider legt alles, was Sie sagen – eine Übergangsquote von über 45 %. Meine Damen und Herren, die Schule ist im Dorf und bleibt im Dorf. Auch die mittlere Reife auf dem Dorf ist ein guter und erfolgreicher Weg, wie Sie am Beispiel Amtzell se hen. Das möchte ich einfach einmal sagen. Ich selbst habe das auch sehr engagiert begleitet.

(Beifall bei der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Bravo! – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Lassen Sie mich auch erwähnen, was wir hier im dualen Aus bildungssystem an den Fachschulen, den Fachhochschulen und der Dualen Hochschule hinbekommen haben. Es ist ein Erfolg, dass wir mit unserem Masterplan 2012 über 20 000 zusätzliche Studienplätze, hoch attraktive Studiengänge und vor allem eine starke Streuung von Hochschulstandorten im ländlichen Raum mit im Fokus haben. Ich darf Ihnen sagen, dass wir uns hier, insbesondere auch in Oberschwaben – um noch einmal ein Beispiel zu nennen –, sehr erfolgreich auf den Weg machen, z. B. mit der Luft- und Raumfahrttechnik an der Dualen Hochschule Ravensburg-Friedrichshafen. Das ist ei ne Stärkung des ländlichen Raums, meine Damen und Her ren. Insofern möchte ich mich hierfür sehr herzlich bedanken.

Ein ganz großes Lob auch für die wertvolle Arbeit, die in Handwerk, Industrie, Dienstleistung und Gewerbe im Zusam menwirken auch mit den herausragenden beruflichen Schulen im ländlichen Raum geleistet wird. Liebe Frau Ministerin Schick, ich freue mich sehr, dass wir auch zusätzliche Plätze für die beruflichen Gymnasien, insbesondere mit sozialwis senschaftlichem und technischem Profil, zur Verfügung ha ben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Gibt es überhaupt ein Problem im ländlichen Raum? – Gegenruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Das gibt es wohl nicht!)

Das passt übrigens, Herr Schmiedel,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Gibt es überhaupt ein Problem im ländlichen Raum? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sie sind ein Problem, sonst niemand!)

1 : 1 mit den Profilen der Werkrealschule zusammen.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Alles in Butter! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich!)

Letzter Punkt: Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum ist ein großes Thema. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir ha ben hier im Augenblick sehr gute Zahlen, nämlich 18 000 Haus- und Fachärzte in Baden-Württemberg. Wir haben da mit 20 % mehr Ärzte als noch vor zehn Jahren.

Wichtig ist aber, dass wir uns angesichts der demografischen Entwicklung nicht zurücklehnen, sondern uns wegen einer er höhten Nachfrage nach ärztlichen Leistungen auf den Weg machen, Ärztenachwuchs im ländlichen Raum zu rekrutieren. Dazu haben wir den runden Tisch „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ und eine interministerielle Arbeitsgrup pe eingerichtet. Ich freue mich, dass dabei auch die kommu nalen Landesverbände und alle Partner der Gesundheitsvor

sorge mit von der Partie sind. Hier wurden Handlungsfelder identifiziert und Modellprojekte initiiert.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang an Sie, liebe Frau Gesundheitsministerin Dr. Monika Stolz, ein herzliches Dan keschön aussprechen. Sie haben mit uns zusammen die Pro blematik frühzeitig erkannt und entsprechende Modellprojek te angestoßen. Eine herzliches Dankeschön an unsere Frau Ministerin Dr. Stolz.

(Beifall bei der CDU)

Hierzu gehören Telemedizin, Gesundheitszentren, Landarzt und Landarzttaxi, Verbünde in der Weiterbildung, stärkere Vernetzung der Bedarfsplanung, geeignete Steuerungs- und Anreizmöglichkeiten für die vertragsärztliche Niederlassung von Ärzten im ländlichen Raum und die Erleichterung bei der Anstellung von Ärzten.

Ein weiteres wichtiges und wertvolles Element ist der Ausbau von Studienplätzen im Bereich Gesundheitswissenschaften. Hierfür hat das Land zusätzlich 2,7 Millionen € zur Verfügung gestellt.

Es gibt sicherlich kein Patentrezept. Auch die Diskussion, die Bundesgesundheitsminister Rösler in Gang gesetzt hat, müs sen wir begleiten und uns Gedanken über all diese Vorschlä ge machen. Wir haben uns auf jeden Fall in Baden-Württem berg rechtzeitig auf den Weg gemacht, um eine ausreichende Ärzteversorgung im ländlichen Raum auch in Zukunft zu si chern.

Meine Damen und Herren, der ländliche Raum ist die Korn kammer des Landes Baden-Württemberg. Das macht sich an vielfältigen und hochwertigen landwirtschaftlichen Produk ten, aber auch an der Innovationskraft, an der Attraktivität, an der Stabilität und an der Lebensqualität des ländlichen Raums fest. Lassen Sie uns dieses Feld weiterhin so gut bestellen wie in der Vergangenheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann!)

Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Abg. Nelius das Wort erteilen.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gleiche Lebens- und Ar beitsbedingungen zu erreichen, das ist ein Verfassungsauftrag, von dessen Verwirklichung sich Baden-Württemberg immer weiter entfernt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Was?)

Davon können auch noch so viele beschönigende Ausführun gen des CDU-Kollegen Paul Locherer, den ich persönlich sehr schätze, nicht ablenken. Aus Liebe zu Baden-Württemberg muss das Ziel, gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen auch für den ländlichen Raum zu erreichen, wieder stärker in den Vordergrund der Landespolitik treten.

(Beifall bei der SPD)

Zu den ländlichen Räumen gehören natürlich die Verdich tungsgebiete der Stadt-Umland-Bereiche ebenso wie die deut lich dünner besiedelten großflächigen ländlichen Räume. In den schwächer besiedelten Gebieten ist der ländliche Raum heute zunehmend durch eine Verschlechterung der Infrastruk tur bedroht und verliert weiter an Attraktivität.

Auch die zugegebenermaßen in vielerlei Hinsicht höhere Le bensqualität – ich denke dabei durchaus an Begriffe wie Na tur, Landschaft, Vereinsleben, ehrenamtliches Engagement und Heimat – kann daher die seit Jahren zu beobachtende Landflucht nicht stoppen. Das soeben von der CDU zur Situ ation der ländlichen Räume Vorgetragene ist das bekannte Sammelsurium von Eigenlob und Versprechungen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Es hat offenbar den einzigen Sinn, den Eindruck zu erwecken, als sei in Baden-Württemberg alles in Ordnung, um die Schwächen der Landespolitik, auch bei diesem Thema, zu ka schieren. Ziel einer Politik für die ländlichen Räume muss sein, diese Regionen wirtschaftlich zu stärken, eine geeigne te Infrastruktur nicht nur zu erhalten, sondern auch neu zu schaffen und die Kulturlandschaft zu bewahren.

Wer eine gute Politik für die Menschen in den ländlichen Räu men machen möchte,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So, wie wir das tun!)

muss neben einer nachhaltigen Landwirtschaftspolitik vor al lem auch die nachhaltige Entwicklung von Wertschöpfung und Infrastruktur im ländlichen Raum stärker fördern.

Politik für den ländlichen Raum ist mehr als Landwirtschafts politik. Aber der Erhalt einer flächendeckenden Landwirt schaft ist notwendig. Sie ist das eigentliche Rückgrat einer Po litik für den ländlichen Raum, die die Lebensqualität der Men schen in diesem Gebiet zum Ziel hat.

Politik für den ländlichen Raum muss auch in Baden-Würt temberg noch wesentlich besser vernetzt werden, etwa durch eine bessere Kooperation und Koordination der Einzelaktivi täten verschiedener Ressorts, beispielsweise Ländlicher Raum und Wirtschaft, Verkehr, aber auch Arbeit und Soziales.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der nur kurzen Redezeit

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die ist lang genug!)

möchte ich mich auf drei, vier Schwachstellen in den Berei chen Bildung, Versorgung, Breitbandvernetzung und Ver kehrswege konzentrieren. Mein Kollege Alfred Winkler wird dann in seinem Beitrag weitere Problembereiche ansprechen.

Wir haben soeben in der Debatte über die Werkrealschule in aller Deutlichkeit gehört, dass die Sturheit der Landesregie rung im Hinblick auf die Umsetzung des Konzepts für viele Hauptschulen das Aus bedeutet. Hinzu kommt, dass die Bil dungschancen im ländlichen Raum entgegen allen Beteuerun gen noch immer deutlich geringer sind als in den Ballungsge bieten.