Protocol of the Session on April 14, 2010

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie haben aber den Ein druck erweckt, dass die Schweiz ein „Schurkenstaat“ ist! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir erwarten von der Schweiz, dass sie das Bankgeheimnis nicht höher bewertet als die Steuergerechtigkeit in Nachbar staaten. Das erwarten wir von der Schweiz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn der Begriff missverstanden wird, dann nehme ich ihn jetzt zurück. Das ist gar nicht unser Thema.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Sie haben die Schweiz als „Schurkenstaat“ bezeichnet, ganz klar!)

Unser Thema ist die Frage: Wie verhält sich die Landesregie rung? Jetzt verweisen Sie darauf, Herr Stächele, dass es un terschiedliche Rechtsauffassungen gebe. Diese gibt es immer. Sie sollten aber auch der Ehrlichkeit halber sagen, dass Sie mit Ihrer Rechtsauffassung ganz isoliert in der Republik sind – ganz isoliert!

(Abg. Manfred Groh CDU: Das ist nicht wahr!)

Die Bundesregierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung spricht sich durch die Bundeskanzlerin dafür aus, diese Steu erdaten-CD zu kaufen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ja, und?)

Sie wirkt aktiv dabei mit, dass ein Land diese CD kauft.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Jetzt kommt der Gipfel: Wenn Sie schon eine solche Rechts position haben, Herr Minister Goll, dann müssen Sie einmal erklären, wieso Sie in den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 27. Februar dieses Jahres wörtlich sagten:

Dass das Bundesfinanzministerium auf einmal so tut, als könne es die CD nicht kaufen, ist fadenscheinig.

(Abg. Ingo Rust SPD: Aha!)

Was gilt denn jetzt? Machen sich nur baden-württembergische Beamte strafbar, aber Bundesbeamte oder Beamte aus NRW nicht?

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist doch deren Problem!)

Es ist doch absolut widersprüchlich, wie Sie sich zu dem Kauf von Steuerdaten verhalten. Das beginnt übrigens damit, dass Sie keine Scheu davor haben, wenn die Ihres Erachtens ille gal erworbene Steuerdaten-CD vorliegt, zu prüfen, was sie hergibt. 54 Steuerstraftäter in Baden-Württemberg wurden aufgrund dieser Ihrer Meinung nach illegal erworbenen CD verfolgt. Das ist für Sie kein Problem. Aber wenn es dann da rum geht, diese CD zu kaufen, um alle zu verfolgen, dann schlägt plötzlich Ihr rechtsstaatliches Gewissen durch. Das ist aufgesetzt. Hier treffen Sie eine politische Wertentscheidung, die Sie hinter angeblichen Rechtsargumenten verbergen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Wenn es rechtsstaatliche Bedenken gäbe, dann gälten diese überall.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Stilz! – Zu ruf von der CDU: Die gibt es auch!)

Dann darf man nicht mitwirken, dann darf man nicht vom Bund verlangen, dass er macht, was man selbst nicht macht, dann darf man hinterher auch nicht davon profitieren, dann darf man auch nicht mitbezahlen. Insofern gibt es heute kei nen Anlass, zu befürchten, dass ein Beamter, der da mitwirkt, strafrechtlich verfolgt wird.

Wo gibt es ein Ermittlungsverfahren bei den Fällen, in denen schon gehandelt wurde? Wo gibt es da ein Ermittlungsverfah ren von irgendeiner Staatsanwaltschaft? Sie bauen ein Kons trukt auf, weil Sie sich scheuen, wirklich tatkräftig gegen Steuerhinterziehung vorzugehen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Blödsinn! – Glocke des Präsidenten)

Es geht ja schon im eigenen Land los. Wenn der Rechnungs hof schon darauf hinweisen muss, dass wir jedes Jahr einen hohen dreistelligen Millionenbetrag verlieren, weil Sie sich scheuen, die entsprechenden Betriebsprüfer und Steuerfahn der einzustellen, und 2 000 Finanzbeamte weggespart haben, anstatt sie an diesen Stellen einzusetzen,

(Abg. Ingo Rust SPD: So ist es!)

dann zeigt das doch, dass Sie das Thema nicht ernst nehmen.

Es geht letztlich um das Thema Selbstanzeige. Es gibt sonst keinen einzigen Straftatbestand, bei dem man, wenn man sich offenbart, zu 100 % straffrei ausgeht. Deshalb wollen wir das auch ändern. Dieses Instrument soll strafmindernd angewandt werden. Das macht man bei anderen Straftatbeständen auch. Wenn die Täter eine Tat eingestehen und Reue zeigen, dann wirkt sich das strafmindernd aus.

Aber Sie sehen doch jetzt die Fülle der Anzeigen, die unter dem Druck der Steuerdaten-CD erstattet wurden. Man zeigt sich doch nicht aus eigenem Antrieb an und sagt: „Jetzt wer de ich ehrlich. Oh, habe ich etwas in der Schweiz vergessen, was ich gar nicht mehr wusste? Es ist mir erst jetzt eingefal len.“ Das geschieht nur unter dem Druck dieser Strafandro hung.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Deshalb müssen wir die Steuerhinterziehung endlich auf die gleiche Ebene wie andere Straftaten in unserem Strafrecht stellen und die Strafbefreiung bei Selbstanzeigen abschaffen. Dann hat ein Gericht noch immer die Möglichkeit, dies straf mindernd zu beurteilen. Das ist in Ordnung. Aber zu sugge rieren, man könne erst einmal Steuern hinterziehen und kom me dann möglicherweise völlig straffrei heraus, begünstigt das Gefühl, das offensichtlich bei ganz vielen vorherrscht: Es ist mein Geld, und das schütze ich erst einmal vor dem Zu griff des Staates.

Nein, es ist sozial unverträglich, dass sich Menschen, die hier wohnen, ihrer Steuerpflicht entziehen, dass Menschen, die al le Wohltaten des Staates genießen, ihren Beitrag schuldig blei ben, um diese auch zu finanzieren. Denn das geht auf den Bu ckel der Schaffer und der Angestellten, die den Staat mit ih ren Steuern finanzieren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Wetzel, möchten Sie noch eine Frage stellen? Dann wird die Redezeit dafür zusätzlich auf die Redezeit des Kollegen Schmiedel an gerechnet.

Herr Kollege Schmie del, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass zu dem An kauf der Steuerdaten-CD aus Liechtenstein momentan ein Ver fahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist und das Bundesverfassungsgericht angerufen worden ist, darüber zu entscheiden, ob der damalige Ankauf rechtsstaatlich war oder nicht, und dass über diese Beschwerde derzeit noch nicht ent schieden worden ist? Würden Sie das zur Kenntnis nehmen und dann auch berichtigen, dass es keine einzige Entschei dung dazu gibt und dass diese Aussage von Ihnen einfach falsch ist? Es gibt keine Entscheidung, und wir warten auf ei ne Entscheidung

(Zuruf von der SPD: Strafverfahren! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie haben doch nicht richtig zuge hört!)

des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob der damalige An kauf rechtsstaatlich war oder nicht.

Bitte, Herr Kollege Schmiedel.

Da sind wir völlig d’accord. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie jetzt noch einmal gesagt haben, was wir alle wissen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber was ich gesagt habe, Herr Kollege Wetzel, ist, dass kei ne Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Beam te eingeleitet hat, die bei diesem Ankauf der CD tätig waren. Das ist der Punkt. Hier wird doch nicht gesagt: „Wir befürch ten, dass wir gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen“, sondern das Argument von Herrn Stächele war doch: „Ich set ze meine Beamten nicht einem strafrechtlichen Risiko aus.“

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist rich tig!)

Jetzt sagen Sie mir einmal im Hinblick auf die CDs, die schon angekauft wurden, welche Staatsanwaltschaft gegen welche Beamten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Das war meine Frage, und jetzt sind Sie dran.

(Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ist das ein Beweis? – Glocke des Präsi denten)

Herr Kollege, wollen Sie eine weitere Zwischenfrage stellen?

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Kollege Schmie del?

Ja, wenn er das Bedürfnis hat.

Bitte, Herr Kollege.

Ist die Tatsache, dass hierzu kein Verfahren vorliegt, der Beweis dafür, dass der An kauf von Steuerdaten strafrechtlich irrelevant sein soll?

(Zurufe von der SPD: Was?)

Herr Kollege Wetzel, wenn es zu der Befürchtung, die Herr Stächele als Argument der Lan desregierung ins Feld führt, er wolle unsere Beamten keinem strafrechtlichen Risiko aussetzen, einen belastbaren Vorgang gäbe, dann hätte ich Verständnis.