Protocol of the Session on October 11, 2006

Ganz kurz noch einmal: Was war der Anlass? Der Anlass war, dass Stuttgarter Medien, Stuttgarter Zeitungen über einen Vorgang im Zusammenhang mit einem Geburtstagsfest des SWR-Intendanten berichtet haben, wodurch dann offensichtlich klar war, dass Informationen vonseiten eines Amtsträgers an die Journalisten gegeben worden sind. Das wird auch gar nicht bestritten. Es ist auch überhaupt kein Thema, dass gegen die potenziell infrage kommenden Amtsträgerinnen und Amtsträger ermittelt wird. Das sieht das Strafgesetzbuch so vor.

Das Strafgesetzbuch sieht aber auch vor, dass Journalistinnen und Journalisten, die aufgrund der Dienstpflichtverletzung eines Amtsträgers einen Bericht erstellen, schließlich selbst in den Fokus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geraten, weil ihnen dann Beihilfe unterstellt wird. Zumindest wird von einem entsprechenden Verdacht ausgegangen, und es wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das heißt, es wird auch die Pressefreiheit – Freiheit im wahrsten Sinne des Wortes – eingeschränkt.

Allein die Tatsache, dass inzwischen seit einem halben Jahr ermittelt wird – bei einem Tatbestand, von dem wir der Auffassung sind, dass man dafür keinen solchen Zeitraum benötigt –, schränkt die geistige Freiheit und auch die Handlungsfreiheit von Journalistinnen und Journalisten ein. Deswegen bin ich gespannt, ob uns der Justizminister heute berichten kann, dass die Verfahren endlich eingestellt oder zumindest einmal abgeschlossen worden sind.

Ein weiterer Punkt, der meines Erachtens der Diskussion bedarf: Der Justizminister selbst hat am 27. Juni 2006 auch öffentlich angekündigt, dass man insbesondere darüber nachdenken müsse, diesen Beihilfetatbestand, der dann ja auch zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren legitimiert, aus dem Gesetz zu streichen. Dies würde bedeuten, dass diese Beihilfehandlungen auch bei Journalistinnen und Journalisten strafrechtlich nicht mehr verfolgt und geahndet werden können.

Es wurden auch weitere Punkte angesprochen, z. B. die Veröffentlichung aus Urkunden aus laufenden Gerichtsverfahren. Auch sie ist derzeit strafbar. Auch da hat sich der Justizminister, denke ich, wohlwollend geäußert, indem er zum Ausdruck gebracht hat, dass man über diesen Punkt nachdenken könne.

Tatsache ist jetzt: Nach den Äußerungen des Ministers in der letzten Sitzung des Ständigen Ausschusses gibt es zumindest zwei Vorhaben, die offensichtlich auch vonseiten des Ministeriums mitgetragen werden. Zum einen sollen Telekommunikationsdaten bei Journalistinnen und Journalisten nicht mehr erhoben werden können. Dies wäre aus meiner Sicht selbstverständlich. Eine entsprechende Initiative hat der Minister angekündigt. Mir ist aber bis heute nicht bekannt, dass es eine solche Initiative gibt. Zum anderen soll die Beschlagnahme von Materialien, von Unterlagen auch am Heimarbeitsplatz – viele Journalistinnen und Journalisten arbeiten ja zu Hause – zumindest einer richterlichen Anordnung bedürfen.

Diese Themen würde der Minister – so hat er es angekündigt – in eine Bundesratsinitiative einbringen. Entgegen seiner Ankündigung würde er aber nicht einbringen, dass der Beihilfetatbestand aus dem Gesetz gestrichen wird.

Interessant ist nun, dass es auf Bundesebene zwei Gesetzentwürfe gibt: einen von der FDP-Fraktion vom 15. März 2006, der genau die Streichung dieses Beihilfetatbestands vorsieht. Hier wäre der Minister, glaube ich, gut beraten, sich der Auffassung der Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker der FDP auf Bundesebene auch im Land anzuschließen. Ich kann ihn dazu nur auffordern.

Des Weiteren gibt es einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag vom 7. Februar 2006, nach dem all diese Forderungen auch in Gesetzesform gegossen werden sollen. Auch Beihilfe bzw. Teilnahmehandlungen, Verletzung von Dienstgeheimnissen, Straftaten durch Amtsträger und Anstiftungen sollen danach nicht mehr bestraft werden. Denn wir sind der Auffassung – ich habe es eingangs gesagt –, dass die Pressefreiheit des höchsten Schutzes bedarf, um die Transparenz in unserer Demokratie herzustellen.

Jetzt haben wir heute die Beratung im Landtag. Ende Oktober steht eine Anhörung im Bundestag zu den Gesetzentwürfen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen an. Wir haben bisher – ich habe es schon erwähnt – nichts gehört und nichts gesehen, keine Bundesratsinitiative des Justizministers hier im Haus, obwohl er diese angekündigt hat. Ich unterstelle jetzt einmal, er wird es heute wieder tun. Vielleicht legt er sie ja jetzt auch vor.

Wir haben des Weiteren aber auch bis zum heutigen Tag nicht gehört, dass die laufenden Ermittlungsverfahren eingestellt worden wären. Deswegen sind wir der Auffassung, dass wir dieses Thema heute nicht abschließen können, sondern unseren Antrag, den wir heute hier zur Debatte stellen, an den Ausschuss überweisen müssen, um dann, wenn die entsprechenden Ergebnisse aus der Anhörung im Bundestag vorliegen und gegebenenfalls die Ermittlungsverfahren zu irgendeinem Zeitpunkt einmal eingestellt sind, das Thema noch einmal im Ausschuss zu beraten und dann vielleicht auch abschließend behandeln zu können, um zu sehen, welche Konsequenzen die Landesregierung zum Schutz der Pressefreiheit hier in Baden-Württemberg ziehen will.

Insofern will ich abschließend an Sie appellieren, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, damit wir das Thema dann abschließend behandeln können, wenn die Themen auf dem Tisch des Hauses liegen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Föll.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Deshalb ist er hier!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über die Tatsache, dass die Pressefreiheit ein essenzieller Bestandteil des Grundrechts auf Meinungsfrei

heit und damit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, sind wir uns in diesem Hause, glaube ich, alle einig. Aber auch das Grundrecht der Pressefreiheit ist in unserem demokratischen Rechtsstaat nicht unbeschränkt. Vielleicht hilft es dann weiter, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003 in Erinnerung zu rufen. Ich zitiere:

Der Gesetzgeber ist weder gehalten noch steht es ihm frei, der Presse- und Rundfunkfreiheit absoluten Vorrang vor anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern einzuräumen.

Er habe insbesondere auch den Erfordernissen der Rechtspflege Rechnung zu tragen.

Herr Kollege Oelmayer, genau der konkrete Anlass für den Antrag der Grünen, nämlich die Ermittlungsverfahren gegen drei Journalisten wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat, gebietet eine Änderung des § 353 StGB nicht. In diesen Verfahren wird ja gerade nicht der Vorwurf bestätigt, dass die Strafverfolgungsbehörde über den Teilnahmeverdacht versuche, sozusagen den Informantenschutz als wichtigen Teil der Pressefreiheit auszuhebeln. Fakt ist – zumindest soweit wir den Stand des Ermittlungsverfahrens aus den Berichten im Ausschuss kennen –, dass die Staatsanwaltschaft genau den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angewendet hat und beispielsweise darauf verzichtet hat, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken oder Telekommunikationsverbindungsdaten zu erheben.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Aber das Ver- fahren läuft doch noch!)

In der Abwägung der Rechtsgüter, die wir auch vorzunehmen haben, ist eine pauschal gesetzlich normierte Rechtfertigung aller Beihilfehandlungen geradezu eine Einladung zur Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen. Auch die Aufhebung des Verbots, Anklageschriften oder andere Schriftstücke eines Strafverfahrens vor der öffentlichen Verhandlung ganz oder in Teilen im Wortlaut zu veröffentlichen, stellt einen Eingriff in den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen – von Beschuldigten und Opfern – dar, der aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen ist.

Deswegen halten wir als CDU-Landtagsfraktion eine Änderung des Strafrechts nicht für geboten. Gleichwohl sind wir damit einverstanden, das Thema erneut und intensiv im Ausschuss zu diskutieren, wenn das denn Ihr Wunsch ist, wie Sie ihn vorgebracht haben.

Wir stimmen aber mit der Landesregierung darin überein, dass Änderungen in der Strafprozessordnung vorgenommen werden sollen, was die Anpassung an die veränderten Lebensverhältnisse und -realitäten von Journalisten, also die Einbeziehung der Wohnung, anbelangt, und dass auch bei der Telekommunikationsdatenerhebung die entsprechenden Beschränkungen vorzunehmen sind, wie sie für Geheimnisträger, die anderen Berufsgruppen angehören, gelten. Da liegen wir auf einer Linie.

Insoweit stimmen wir, nachdem die Landesregierung nunmehr mit Augenmaß vorzugehen beabsichtigt, in diesem Fall der Vorgehensweise der Landesregierung zu, wie wir

das immer tun, wenn die Landesregierung mit Augenmaß vorgeht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Stickelberger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die SPD-Fraktion zu diesem wichtigen Thema Stellung nehmen. Es ist deshalb ein wichtiges Thema, weil die Pressefreiheit ein konstituierendes Element unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. Sie schützt den Pressevertreter, den Journalisten, sie schützt die Organisationen, aber auch die Institution Presse.

Allerdings gilt dieser Schutz nicht uneingeschränkt. Herr Kollege Föll, Sie haben zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, die eine praktische Konkordanz im Verhältnis zu anderen Rechtsgütern verlangt, die ebenso wichtig sind, z. B. dem Persönlichkeitsschutz. Im Sinne dieser praktischen Konkordanz sind, wie dies der Freiburger Staatsrechtler Hesse, ein ehemaliger Verfassungsrichter, formuliert hat, die Interessen der beteiligten Rechtsgüter auszugleichen.

Das ist keine theoretische verfassungsrechtliche Diskussion, sondern – Herr Kollege Oelmayer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen – eine äußerst praktische im Hinblick auf die Ermittlungsverfahren, die im Land Baden-Württemberg durchgeführt wurden und die Sie im Einzelnen benannt haben.

Wenn man das Spannungsverhältnis der hier im Streit stehenden Rechte und die genannten Ermittlungsverfahren betrachtet, kann man sicher eines sagen: Die Pressefreiheit im Land Baden-Württemberg ist nicht bedroht, und sie war nicht bedroht. Aber es gibt hier im Hause das Bedürfnis – das habe ich bisher aus allen Fraktionen so vernommen –, zum Schutz der Presse, vielleicht aber auch im Interesse der Strafverfolgungsbehörden Klarheit zu schaffen und das Schutzgut Presse klarer zu formulieren, als es bisher der Fall war.

Dann stellt sich mir, unserer Fraktion, Ihnen und uns allen die Frage: Wie erreichen wir dieses Ziel? Wir meinen, dafür gibt es gute Ansätze. Es gibt auf Bundesebene die gesetzlichen Initiativen, die bereits genannt wurden. Es gibt Aktivitäten der Landesregierung – mit einer etwas unterschiedlichen Bewertung durch die beiden Koalitionsfraktionen. Es wird eine Anhörung im Bundestag geben. Beim Bundesjustizministerium befindet sich ein Gesetzentwurf in Vorbereitung. Wir sind, glaube ich, gemeinsam auf einem gleichgerichteten, auf einem richtigen Weg.

Die Frage ist nur, welches Maß wir anlegen. Wir halten es nicht für angezeigt, bei der tatbestandlichen Würdigung schon im Tatbestand oder auf der Ebene des Rechtfertigungsgrunds für eine ganze Berufsgruppe einen Rechtfertigungsgrund zu schaffen. Verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch würden wir damit über das Ziel hinausschießen.

Wir meinen, man müsste auf der strafprozessualen Ebene im Sinne einer Ausdehnung eines Richtervorbehalts Klarheit schaffen – auch für Durchsuchung und Beschlagnahme in privaten Räumen, weil Journalisten nun einmal nicht nur in Redaktionsräumen, sondern auch in privaten Räumen tätig sind.

Wir sind dafür, dass man auch bei der Erhebung von Telekommunikationsdaten und deren Verwertung restriktiver vorgeht und Journalisten und Redakteure einem ähnlichen Schutz unterstellt, wie er beispielsweise für Verteidiger, Geistliche oder auch Abgeordnete gilt.

Wenn man das zusammenfasst, ergibt sich, dass der Antrag der Grünen, wie ich glaube, in die richtige Richtung geht. Aber er hält das Maß, das wir uns verfassungsrechtlich vorstellen können, bisher noch nicht ein.

Es gibt jetzt auch Aktivitäten der Landesregierung. Deshalb lohnt es sich, heute keine Schnellschüsse zu machen, sondern das Thema im Ausschuss vertieft zu diskutieren und dann auch den einen oder anderen Vorschlag der Landesregierung – der ja angekündigt ist – bzw. die Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung abzuwarten, um dann zu gemeinsamen Lösungen zu kommen – im Interesse der Pressefreiheit, aber auch im Lichte schutzwürdiger Güter des Einzelnen, der auch geschützt werden muss, z. B vor Scheckbuchjournalismus und ähnlichen Erscheinungsformen, die wir auch kritisieren und zu Recht kritisieren. Schutz von Opfern, Schutz der Person, der Persönlichkeitsschutz und die Pressefreiheit müssen in einen guten Ausgleich gebracht werden. Das kann man mit den Gesetzesvorhaben, die jetzt initiiert worden sind, aus unserer Sicht erreichen. Wir sollten das im Ausschuss in der Tat anhand dessen, was die Landesregierung noch an Beiträgen liefern kann, vertieft aufarbeiten und gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Wetzel.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzlich gesicherte Pressefreiheit hat die Bundesrepublik ganz wesentlich geprägt und dadurch die Demokratie gefestigt und damit auch, Herr Kollege Oelmayer, die von Ihnen geforderte Transparenz gefördert.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja!)

Konflikte um die Pressefreiheit hat es in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder gegeben; ich erinnere unter anderem an die „Spiegel“-Affäre.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Genau!)

Die Interessen von Staat und Medien prallen immer dann besonders heftig aufeinander, wenn Journalisten Informationen von Staatsbediensteten erhalten, die ihrerseits ein Dienstgeheimnis weitergeben und veröffentlichen.

Journalisten verfügen bereits heute über ein in der Strafprozessordnung verankertes Zeugnisverweigerungsrecht. Es garantiert, dass die Redaktionen ihre Quellen geheim halten dürfen. Damit ist ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbot verbunden. Ohne dieses Recht könnten die Journalisten schwerlich ihrer Kontrollfunktion nachkommen und Zusammenhänge aufdecken, die vor der Öffentlichkeit verborgen werden.

Wenn die Informanten befürchten müssten, dass sie sofort nur aufgrund der Veröffentlichung strafrechtlich verfolgt werden, dann würden die Journalisten weniger erfahren, könnten weniger veröffentlichen und könnten ihrer Kontrollfunktion weniger nachkommen.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Baden-Baden gegen die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Stuttgarter Nachrichten“ im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Geburtstagsfeier des SWR-Intendanten hat der Justizminister eine Bundesratsinitiative gestartet. Das ist Ihnen offensichtlich entgangen, Herr Kollege.