Aufgrund des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Baden-Baden gegen die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Stuttgarter Nachrichten“ im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Geburtstagsfeier des SWR-Intendanten hat der Justizminister eine Bundesratsinitiative gestartet. Das ist Ihnen offensichtlich entgangen, Herr Kollege.
Offensichtlich ist das in Ihrer Urlaubszeit gewesen, und offensichtlich haben Sie das in Ihrer Urlaubszeit einfach übersehen. Das ist möglich.
(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Der Thomas ist 24 Stunden pro Tag Abgeordneter! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Auch im Sommer!)
Unsere Bundesratsinitiative, Herr Kollege Oelmayer, verfolgt im Wesentlichen zwei Forderungen. Die erste Forderung lautet: Bei Durchsuchungen bei Journalisten soll der Richtervorbehalt nicht nur für die Redaktionsräume – Sie müssen zuhören –, sondern auch in den Wohn- und Arbeitsräumen der Journalisten gelten. Momentan ist er beschränkt auf Redaktionsräume. Ich denke, dass wir mit dieser Forderung eine Neuerung einführen, die der derzeitigen Situation gerecht wird. Denn wir müssen feststellen, dass die Journalisten nicht nur in den Redaktionsräumen ihrer Arbeit nachgehen, sondern teilweise auch zu Hause, in ihrem Wohnzimmer. Insbesondere freie Journalisten haben nicht unbedingt ein festes Büro, sondern sie haben vielleicht nur einen Laptop oder einen PC, der zu Hause steht.
Die zweite Forderung: Bei der Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten sollen Journalisten vergleichbar den in § 100 h Abs. 2 der Strafprozessordnung genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten besser geschützt wer
den. Durch diese Regelung soll das in § 100 h Abs. 2 StPO bislang nur für Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete normierte Verbot der Erhebung von Telekommunikationsverbindungsdaten auf Journalisten und sonstige nach § 53 Abs. 1 zeugnisverweigerungsberechtigte Medienmitarbeiter erweitert werden. Dadurch wird der Gefahr vorgebeugt – –
(Abg. Reinhold Gall SPD: Warum blicken Sie da eigentlich immer zu uns? – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Weil Sie am lautesten sind! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Keine Kritik am Präsidium!)
Wir wollen dadurch der Gefahr vorbeugen, dass durch die Abfrage von Telekommunikationsverbindungsdaten die Identität des Informanten eines Journalisten ermittelt und dadurch der durch das Zeugnisverweigerungsrecht abgesicherte Informantenschutz ein Stück weit entwertet wird.
Eine Gefährdung der Pressefreiheit bereits durch die gesetzliche Möglichkeit, im Falle eines Teilnahmeverdachts Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist nicht ausgeschlossen. Wir halten es daher entgegen der Mehrheit im Ministerrat auch für sinnvoll, die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses nicht mehr als Beihilfe zu werten – wie Sie auch, Herr Kollege Oelmayer.
Dass dieser Punkt in der Gesetzesinitiative nicht mehr auftaucht, ist aus unserer Sicht aber auch nicht problematisch. Denn die FDP-Bundestagsfraktion hat, wie Sie selber gesagt haben, bereits eine entsprechende Initiative gestartet.
Im Übrigen wundere ich mich natürlich schon ein bisschen, dass Sie mit Ihrer Initiative jetzt kommen. Sie hatten doch, wenn ich mich recht erinnere, jedenfalls im Bund von 1998 bis 2005 die Möglichkeit, dieses Gesetz entsprechend zu ändern. Warum kommen Sie jetzt mit dem Antrag und haben die Änderung nicht vorgenommen, als Sie dies hätten machen können?
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bis 1998 hät- ten Sie es auch machen können! – Abg. Reinhold Gall SPD: 20 Jahre hätten Sie es machen können! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das interessiert kei- nen Journalisten! Von der Presse ist niemand da!)
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über ein wichtiges Thema: den verbesserten strafprozessualen Schutz für Journalisten. Allerdings scheinen die Betroffenen, lieber Herr Oelmayer, Ihren Antrag nicht so spannend zu finden. Sehen Sie jemanden?
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Mich interes- siert es und uns! – Abg. Reinhold Gall SPD: Die sind bei der Recherche!)
Es ist richtig: Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden ermittelt gegen drei Journalisten, die über Einzelheiten aus einem anderen Ermittlungsverfahren berichtet haben, wegen des Verdachts der Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses. In den Medien wurde dieses Verfahren als schwerwiegender Angriff auf die Pressefreiheit bewertet. Es ist übrigens so, dass nach den mir vorliegenden Informationen der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Wesentlichen abgeschlossen sind und die abschließenden Verfügungen bevorstehen.
In Fällen wie diesen wird oft gegenüber den Strafverfolgungsbehörden der Vorwurf erhoben, dass sie einen Teilnahmeverdacht gegen Journalisten konstruieren, um an den eigentlichen Täter, der das Dienstgeheimnis gebrochen hat, heranzukommen, und dass auf diese Art in gewisser Weise das Zeugnisverweigerungsrecht unterlaufen wird. Da möchte ich eines klarstellen: Was Baden-Württemberg anbelangt, sind das, was wir hier anstellen, alles vorsorgliche Überlegungen. Von einem Angriff auf die Pressefreiheit durch strafrechtliche Ermittlungen in Baden-Württemberg kann nicht die Rede sein, und nicht ohne Grund können Sie für Ihren Antrag auch kein einziges baden-württembergisches Beispiel zitieren, bei dem so vorgegangen wurde, dass strafprozessuale Maßnahmen gegen Journalisten ergriffen wurden, um an den Hintermann heranzukommen.
In Baden-Württemberg wurden zwischen 2000 und 2005 von den Staatsanwaltschaften insgesamt 214 Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses geführt. In gerade einmal elf dieser Verfahren stand die Beteiligung von Medienangehörigen im Raum, und in keinem Fall ist es zu strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie etwa der Durchsuchung von Redaktions- oder Privaträumen oder der Feststellung von Kommunikationsverbindungen gekommen. Die Staatsanwaltschaften haben dem Grundrecht der Pressefreiheit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ganz offensichtlich in einer sachgerechten Weise Rechnung getragen. Insofern ist der Vorwurf, dass in Baden-Württemberg ein Informantenschutz unterlaufen werde, von vornherein widerlegt.
Aber wenn man bundesweit die Fälle, die sich ereignet haben, anschaut, dann kann man natürlich schon von einer abstrakten Gefahr für das Recht der Medien auf freie Recherche reden. Heute schützt allein, wenn man so will, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor solchen strafprozessualen Maßnahmen. Das ist ein guter Schutz, das ist eine
Bindung, die, wenn sie funktioniert, absolut in Ordnung ist. Aber wir sind schlicht darauf angewiesen, uns auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu verlassen. Darüber mag man in der Tat nachdenken. Man mag darüber nachdenken, ob wir mehr formale Absicherung für Journalisten gegen strafprozessuale Zwangsmaßnahmen bieten sollen.
Da haben wir von der Landesregierung Baden-Württemberg aus in der Tat die Initiative ergriffen. Ich möchte eindeutig sagen: Wir waren die Ersten von allen Bundesländern und sind die bisher Einzigen, die eine solche Initiative ergriffen haben.
Es ist ein bisschen schade, dass Sie von der Bundesratsinitiative noch nichts mitbekommen haben. Wir haben sie beim Bund am 31. August 2006 eingereicht, und sie ist dort unter dem Datum 4. September 2006 registriert worden, also vor einem Monat.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Die könnten Sie bei den Ausschussberatungen auch einmal vorle- gen, Herr Minister!)
Ich darf darum bitten, lieber Herr Oelmayer, dass Sie unsere Tätigkeit etwas aufmerksamer verfolgen. Ich bitte um schärfere Kontrolle.
(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das ist doch lachhaft! Meinen Sie, wir recherchieren jeden Tag im Internet? Das ist reiner Service, da wird Ihnen kein Zacken aus der Krone brechen!)
Was in der Bundesratsinitiative steht, haben andere schon angesprochen, alle drei Vorredner, übrigens in einiger Konvergenz, stelle ich fest. Bis auf die antragstellende Fraktion sind wir uns wahrscheinlich im Moment ziemlich einig, was man machen könnte.
Zum einen geht es um das Thema „Erhebung von Telekommunikationsdaten“. Dabei geht es um die Frage, ob man die Journalisten den Verteidigern, Geistlichen, Abgeordneten, gleichstellen kann, was deren Schutz vor Erhebung der Telekommunikationsdaten angeht. Das ist in der Sache richtig; deswegen haben wir es in unserer Initiative auch gefordert. Das ist der erste Teil.
Zum anderen geht es um die Ausdehnung des absoluten Richtervorbehalts auch auf die Wohnräume der Journalisten. Das ist nur richtig und logisch, weil sich die Arbeitsmethoden geändert haben.
Außerdem haben wir bei uns noch eine Verstärkung, eine nochmalige Nennung, einen nochmaligen Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz drin.
So weit die Bundesratsinitiative. Das ist, glaube ich, ein guter und richtiger Vorschlag. Anhand dieses Vorschlags wird heute bundesweit dieses Thema diskutiert.
Insofern stelle ich ganz klar: Wir haben nicht geredet, wir haben gehandelt, wieder einmal von Baden-Württemberg aus als Erste.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nicht re- den, handeln!)
Sie machen in Ihrem Antrag Vorschläge zum materiellen Strafrecht, Vorschläge, die in jedem Fall viel zu weit gehen. Sie sagen, dass im materiellen Strafrecht zunächst alle Beihilfehandlungen von Journalisten zum Bruch des Dienstgeheimnisses strafrechtlich herausgenommen, gerechtfertigt werden sollten. Ich finde, schon dieser Schritt geht erheblich zu weit.
Es ist bekannt, dass ich selbst an dem einen Punkt durchaus diskussionsbereit bin – um es so auszudrücken –, ob das bloße Veröffentlichen, wenn nur veröffentlicht wird, wenn das alles ist, ob diese Beihilfehandlung strafbar sein sollte. Aber auch zu diesem Punkt mag man unterschiedliche Positionen einnehmen, und ich respektiere auch die Position, dass jemand sagt: Der Schutz der Rechte des Betroffenen davor, dass seine Geheimnisse verletzt werden – es sind natürlich immer Menschen von diesem Ausplaudern und Veröffentlichen betroffen –, geht mir so weit, dass ich am materiellen Recht gar nichts ändern will. Auch diese Position respektiere ich; das muss ich deutlich sagen. Auf jeden Fall geht mir Ihre Position viel zu weit, zu sagen: Alle Beihilfehandlungen nehmen wir aus und dann auch noch alle Anstiftungshandlungen.