Jetzt kommt der Gipfel. Sie haben Herrn Oettinger für das gelobt, was mit der Schuldenbremse in der Föderalismuskommission erreicht wurde. Hinter dieser Schuldenbremse steht ein zweiter Finanzausgleich, den wir noch einmal bezahlen, der Preis für die Schuldenbremse. Das heißt, Sie haben auf das, was Sie als ungerecht empfinden, aus freien Stücken noch einmal einen draufgesetzt – alles selbst ausgehandelt. Jetzt laufen Sie herum und schreien: Ungerecht, ungerecht, ungerecht! Das kann doch gar nicht sein.
Sie werden an diesem Thema nichts ändern. Die Verträge sind unterschrieben. Die Mehrheitsverhältnisse haben Sie selbst genannt. Deshalb: Beschäftigen Sie sich damit, wie wir aus eigener Kraft unseren Haushalt in Ordnung bringen.
Sie haben natürlich recht: Das mit den Ministerien fällt eher in den Bereich Symbolik. Wir zeigen, dass wir das auch ernst nehmen. Aber ein Vorschlag, bei dessen Umsetzung wir mehrere Hundert Millionen Euro einsparen, ist tatsächlich der, auf eine Verwaltungsebene in Baden-Württemberg zu verzichten. Das ist ein struktureller Vorschlag.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch! Sie haben doch keine Ahnung! – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD)
Dann kommt der dritte Punkt, bei dem Sie die Latte reißen, weil Sie eine „Sowohl-als-auch-Politik“ machen. Das ist das
Beispiel Energiepolitik. Sie haben sich heute verbal für den Vorrang erneuerbarer Energien ausgesprochen.
Jetzt werden wir einmal konkret. Der Wirtschaftsminister hat im letzten Jahr eine Offensive für Windkraft angekündigt. Er hat gesagt: „Das wird das Jahr der Offensive für Windkraft.“ Sie, Herr Hauk, haben gesagt: „Jeden Tag entsteht ein neues Windrad.“ Wissen Sie, wie viele Windräder im Jahr 2009 in Baden-Württemberg entstanden sind? Neun. Das Jahr hat aber 365 und nicht neun Tage.
(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Wenn Sie noch sagen, wo Sie die 365 haben wollen! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)
Mit diesen neun Windrädern hat Baden-Württemberg in der Rangliste den vorletzten Platz verlassen und ist auf den letzten Platz hinter Bayern zurückgerutscht. Das ist das Ergebnis der Windkraftoffensive. Da lachen doch die Hühner.
Was passiert jetzt? Jetzt sagt der Wirtschaftsminister, weil er das Ergebnis auch kennt: „Die Regionalverbände sind schuld; die sollen endlich mehr tun.“
(Abg. Peter Hauk CDU: Schauen Sie einmal die Ge- samtbilanz der Regenerativen an! Das ist der ent- scheidende Punkt! Gehen Sie auf die Gesamtbilanz der Regenerativen ein!)
Dann kommen die Regionalverbände und sagen: „Dann ändert doch einmal das Landesplanungsgesetz. Das ist doch daran schuld, dass wir uns mit einer Offensive für Windkraft so schwertun.“ Dann fragen wir den Wirtschaftsminister, warum er das Landesplanungsgesetz nicht ändert. Er schaut zur CDU und sagt: „Da bekomme ich keine Mehrheit.“ Das verbirgt sich hinter diesen Worten.
Wenn man es mit dem Vorrang für erneuerbare Energien ernst meint, dann erwarten wir, dass das Landesplanungsgesetz jetzt geändert wird, dass die Windkraft in Baden-Württemberg endlich den Stellenwert erhält, der ihr zukommt.
(Beifall bei der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Regenerativ ist nicht nur Wind! – Abg. Peter Hauk CDU: Sie ignorieren völlig den Gesamtanteil der Re- generativen!)
Jetzt kommen wir zu den anderen regenerativen Energien. Sie loben sich für das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Sie wissen: Wir haben diesem Gesetz nicht zugestimmt, und zwar aus dem einzigen Grund, dass derjenige, der den Bürgerinnen und Bürgern erzählt, welch tolle Segnungen dieses Gesetz für sie hat, welch tolle Wirkung es hat, schlicht unglaubwürdig ist, wenn er dann seine eigenen Gebäude von den Regelungen dieses Gesetzes ausnimmt. Derjenige ist schlicht unglaubwürdig.
Deshalb: Wenn Sie die eigenen Gebäude mit einbeziehen, dann sind wir voll mit dabei. Warum haben Sie denn Angst davor, sich das, was Sie anderen zumuten, auch selbst zuzu
muten, wenn das Positive unter dem Strich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch positiv ist?
In der Konzeption der Regierung Oettinger wurde, symbolisch zusammen mit der EnBW, verkündet, auch im Jahr 2020 solle der Anteil des Atomstroms in Baden-Württemberg 50 % betragen. Das ist Ihre bisher noch gültige Stromkonzeption für Baden-Württemberg: 50 % Atomstrom. 30 % des Stroms kommen aus konventioneller Erzeugung. Dann bleiben als Restgröße nur noch 20 % übrig.
Sie behandeln regenerative Energien als Restgröße. Herr Röttgen macht es andersherum. Er sagt: „Wenn der Anteil des aus regenerativen Energien erzeugten Stroms in der Bundesrepublik Deutschland 40 % beträgt,
dann brauchen wir die Atomkraft nicht mehr.“ Das ist seine Aussage: 40 % des Stroms aus regenerativen Energien, dann brauchen wir den Atomstrom nicht mehr.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was ist denn mit den 60 % aus fossilen Energieträgern? Was ist mit dem Klimaschutz?)
Nach allen Berechnungen erreichen wir in Baden-Württemberg und in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2020
beim Strom aus regenerativen Energien einen Anteil von 35 %. Zu den 40 %, die Herr Röttgen zugrunde legt, fehlen gerade noch fünf Prozentpunkte. Weshalb sollen wir die zwei Atomkraftwerke, die bis zum Jahr 2020 in Baden-Württemberg abgeschaltet werden sollen, nicht abschalten?
Da bricht überhaupt nichts zusammen. Übrigens ist Neckarwestheim vom Netz, und es bleibt trotzdem hell, wie man sieht.
Man kann darauf verzichten. Was passiert? Das sagen alle – Herr Kretschmann hat auf Aussagen des Verbands kommunaler Unternehmen hingewiesen –: Wer die Atomkraftwerke länger laufen lässt, behindert den Ausbau regenerativer Energien. Das ist das Ergebnis.
Zum Schluss wollte ich noch auf den Satz eingehen, den Sie hier auch wieder mit großer Leidenschaft verkündet haben: „Wer morgens aufsteht und arbeiten geht, muss mehr haben als derjenige, der liegen bleibt.“
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Frau Kraft sagt das auch! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: „Kraftvoll“!)
Sie sagen, darüber müsse man doch diskutieren können. Ich frage mich, mit wem Sie darüber eigentlich diskutieren wollen, denn ich kenne keinen Einzigen, der etwas anderes will.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Weshalb regen Sie sich denn darüber auf?)
Ich kenne überhaupt niemanden. Mit wem wollen Sie darüber diskutieren? Das, was Sie gesagt haben, ist doch eine banale Selbstverständlichkeit, die von der SPD, den Grünen und von allen anderen geteilt wird. Das ist doch gar nicht der Punkt.
Hier wird ein Nebenkriegsschauplatz aufgemacht, der sozusagen eine Neiddebatte bei denen schürt, die morgens aufstehen, arbeiten gehen und bei denen es jedes Monatsende knapp wird. Denen soll jetzt ein Sündenbock vorgeführt werden nach dem Motto
„Guck einmal, der Sozialstaat, diese römische Dekadenz ist so liedrig, dass derjenige, der liegen bleibt, genauso viel bekommt wie derjenige, der hart arbeitet“. Das wird gemacht.
Herr Kretschmann hat schon auf die Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands hingewiesen. Ihre Rechnung ist eben nicht vollständig. Wenn Sie Hartz IV umrechnen – eine Familie mit zwei Kindern – und dann auf einen Stundensatz von 8 € ungrad kommen, den jemand verdienen muss, um dasselbe zu haben,
dann unterschlagen Sie Kindergeld, dann unterschlagen Sie Wohngeld. Wenn Sie das hinzurechnen, ergibt sich, dass derjenige, der arbeitet, natürlich deutlich mehr hat als ein HartzIV-Empfänger – auch bei diesem nicht hohen Stundenlohn von 8 € ungrad.
Wenn man etwas für das Gerechtigkeitsempfinden tun will, dass diejenigen, die hart arbeiten, sagen: „Ich will nicht, dass das Geld jeden Monat knapp wird, sondern da muss etwas übrig bleiben“, dann muss man etwas für die Löhne tun. Man muss Tariflöhne verbindlich machen und dort, wo es keine Tarife gibt, einen gesetzlichen Mindestlohn einführen. Dann lohnt sich Arbeit. Dann zahlt es sich aus, dass jemand aufsteht. Dann sind wir auf der richtigen Spur.