Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich habe einen Eid auf dieses Land abgelegt. Ich muss doch, auch wenn die Chance am Anfang vielleicht nicht riesig ist, alles dafür tun, um so schnell wie möglich zu erreichen, dass wir nicht noch jahrzehntelang Milliarden und Abermilliarden an andere abliefern, die nicht sparen, während Sie uns vorwerfen, wir müssten mehr sparen, um den Haushalt zu sanieren. Das mache ich nicht mehr länger mit.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Die- ter Hillebrand CDU: So ist es! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)
Ich erwarte von Ihnen – übrigens von allen in diesem Parlament –, dass Sie uns bei diesem Thema unterstützen. Genauso erwarte ich es von jenen, die in anderer Farbkonstellation in anderen Regierungen sitzen. Reden Sie doch einmal mit Ihren Kollegen in Hamburg. Ich wäre schon dankbar, wenn wir von den Ländern, in denen Sie noch in der Regierung sind – deren Zahl hat sich in den letzten Jahren deutlich reduziert –, im Bundesrat Unterstützung bekämen. Aber sich nur hier hinzustellen und zu sagen: „Spart einmal, aber wir sind gegen alle Vorschläge“, ist keine seriöse Politik, Herr Kretschmann.
Sie haben übrigens eine weitere Kostprobe dessen abgeliefert, um was es Ihnen eigentlich wirklich geht. Ich habe ganz bewusst hier und heute in der Regierungserklärung den Kommunen einen Pakt angeboten. Ich weiß, dass die Kommunen es finanziell schwer haben. Wir wissen, dass das Land es finanziell schwer hat. Wir wissen gleichzeitig, dass im Bereich der Bildungspolitik – Stichwort Schulsozialarbeit und Pädagogische Assistenten – eine Menge getan werden kann.
Jetzt sagen Sie einerseits: Saniert doch einmal den Haushalt. Andererseits lese ich wöchentlich, dass Sie draußen in populistischer Weise sagen: Das Land muss jetzt endlich einmal die Schulsozialarbeit finanzieren.
So stelle ich mir seriöse Politik nicht vor. Die Rechtslage ist eindeutig. Für die Pädagogischen Assistenten ist eindeutig das Land zuständig, aber für die Schulsozialarbeit sind eindeutig die Kommunen zuständig. Was ist denn falsch daran, vorzuschlagen: „Wir machen eine faire Partnerschaft: Ihr seid für die Schulsozialarbeit verantwortlich, wir für die Pädagogischen Assistenten – ein Konzept –, und gemeinsam lösen wir das Problem“? Das ist ein zielführender praktischer Vorschlag. Er ist bezahlbar und vor allem gerecht, meine Damen und Herren.
Deshalb ist es einfach nicht in Ordnung, wenn Sie sagen, ich hätte noch nichts umgesetzt. Mit Verlaub, ich bin jetzt vier Wochen im Amt. Deshalb kann ich naturgemäß noch nicht die Bilanz vorlegen, aus der hervorgeht, was schon alles funktioniert.
Sie erheben den Vorwurf, ich hätte nichts Konkretes gesagt und wir würden nicht sparen. Andererseits schaufeln Sie dem Land jetzt alles auf den Tisch, auch bei den Fragen, bei denen das Land nicht zuständig ist. So stelle ich mir verantwortungsvolle Politik nicht vor. Deshalb bitte ich Sie mit Blick auf die Spardiskussion, die bald kommen wird, einen leichten Kurswechsel vorzunehmen, sodass wir dann die Themen gemeinsam angehen können.
Zweiter Punkt: Sie haben vorhin in einem Seitenhieb gesagt, man würde wieder diejenigen gegeneinander ausspielen, die staatliche Transferleistungen bezögen; dies habe die Diskussion der vergangenen Woche gezeigt. Was mich in Deutsch
land ein bisschen stört – – Ich sage es einmal so: Guido Wes terwelle würde die eine oder andere Vokabel heute vielleicht auch nicht mehr verwenden.
Wir sollten aber einmal eine Grundsatzdebatte führen über die Frage, was passiert, wenn z. B. die Sozialkosten in Deutschland in einem Jahr um 25 % steigen, und zwar nur bezogen auf den Bundeshaushalt; alle anderen Haushalte sind dabei noch nicht berücksichtigt. Es muss doch erlaubt sein, in dieser Republik über dieses Thema zu diskutieren.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)
Ich habe etwas dagegen, wenn der Sozialbereich zu einer Art Tabuzone erklärt wird, und zwar im Regelfall von denen, die kurz zuvor zum Sparen ermahnt haben. Ich mache es nicht mehr mit, wenn bei Haushaltsfragen diejenigen, die den Sozialbereich zur Tabuzone erklären, als Gutmenschen und diejenigen, die darüber reden wollen, als Schlechtmenschen dargestellt werden.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das belegt, weshalb ich diese Diskussion für dringend notwendig halte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob Sie die Regierungserklärung meinten, die ich gehalten habe.
Ich habe genau zu diesem Thema drei konkrete Vorschläge gemacht. Logischerweise wäre dies über das Instrument des Bundesrats einzubringen; denn das ist eine bundesstaatliche Aufgabe.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, das deutlich macht, warum ich die Diskussion für dringend notwendig halte. Ein Hartz-IV-Bezieher mit zwei Kindern hat, umgerechnet auf eine 40-Stunden-Woche, einen Stundenlohn von 6,60 € netto. Brutto sind dies etwa 8,05 € oder 8,10 €. Die Statistiken belegen, dass es in Deutschland eine ganze Reihe von Jobs gibt, bei denen mancher froh wäre, er hätte brutto 8,05 € oder 8,10 € pro Stunde.
Jetzt sagen Sie: „Das ist doch ganz einfach. Dann legt doch einfach einen Mindestlohn fest, der darüber liegt, und schon ist das Problem gelöst.“ Leider ist das Problem dann nicht gelöst. Sie können Mindestlöhne festlegen, wie Sie wollen. Wenn der Mindestlohn am Markt nicht durchsetzbar ist, dann gibt es schlicht und ergreifend die betreffenden Jobs nicht mehr. Das ist doch der Punkt.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: So ist es! – Abg. Norbert Zeller SPD: In ganz Europa geht es! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
Deshalb ist die Frage nicht, ob die Höhe der Hartz-IV-Beträge abgesenkt werden muss. Davon halte ich auch nichts; da dürfen wir uns nicht missverstehen.
Wir müssen bei zwei Punkten ansetzen. Erstens: Haben wirklich 100 % derer, die die entsprechenden Bezüge haben, auch einen Rechtsanspruch darauf? Das bestreite ich. Zweitens: Gibt es andere Instrumente, mit denen wir dafür sorgen können, dass ein gewisser Lohnabstand gegeben ist, der momentan – die Zahlen zeigen es – nicht gegeben ist? Ich halte viel davon, dass man darüber einmal in Ruhe diskutiert, ohne sofort als unsozial hingestellt zu werden.
Das ist übrigens auch in Ihrem Interesse. Bei allem Respekt: Wenn ich mir die Umfragen anschaue – übrigens auch die letzte Umfrage vom SWR in Baden-Württemberg –, habe ich nicht unbedingt das Gefühl, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, dass Sie in diesem Bereich eine besonders hohe Kompetenz vorzuweisen haben.
Also ist es doch in unser aller Interesse, dass wir in Ruhe und ohne Schaum vor dem Mund über dieses Thema diskutieren. Ich werbe sehr dafür. Ich bin bei dem Thema dabei.
Dritter Punkt: Sie haben das Thema Energiepolitik angesprochen. Dass Herr Kretschmann und andere jetzt zu RöttgenFans werden, habe ich erwartet; das ist auch okay so. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie auch einmal jemanden von der CDU als Vorbild haben.
Darüber, ob man jetzt unbedingt Norbert Röttgen in diesem Punkt zum Vorbild nehmen muss, bin ich mir nicht so ganz sicher.
Ich sage Ihnen auch, warum: Ich halte seine Argumentation in einem Punkt für falsch. Damit wir uns richtig verstehen: Wir haben immer gesagt, wir brauchen keine neuen Kernkraftwerke; darin sind wir uns einig.
Sie wissen auch, dass wir genauso sagen: Die Kernkraft ist eine Brückentechnologie; wir wollen den Anteil der Kernkraft sukzessive nach unten fahren. Jetzt macht Röttgen meines Erachtens einen logischen Fehler, indem er sagt: In dem Maß, in dem der Anteil der erneuerbaren Energien nach oben geht, geht der Anteil der Kernkraft nach unten. Das halte ich aus folgendem Grund logisch, aber erst recht inhaltlich für falsch. Wenn es uns neben dem Thema Energie auch um das Thema Klimaschutz geht, könnte man natürlich schon einmal auf die Idee kommen, zu sagen:
Wir fahren nicht nur den Anteil der Kernkraft nach unten, sondern wir fahren mindestens in der gleichen Geschwindigkeit
auch den Anteil der Kohlekraft nach unten, vor allem dort, wo wir Anlagen haben, die nicht umweltfreundlich sind.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Bravo! – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Schon einmal etwas von Emissionshandel gehört? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Gegen- ruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Keine Ah- nung!)
Genau deshalb muss eines klar sein: Ich bin dafür, dass wir die modernste Technologie einsetzen, dass wir die sauberste Technologie einsetzen und dass wir den Anteil der Kernkraft sukzessive reduzieren. Das sollte aber nicht im Hauruckverfahren geschehen, nicht dadurch, dass man aus ideologischen Gründen sagt: „Hauptsache, der Anteil der Kernkraft geht nach unten. Alles, was sonst darum herum passiert, interessiert uns nicht.“
Vor allem haben Sie überhaupt nicht gesagt, wie das Ganze bezahlbar ist. Denn wenn Sie sehen, dass schon jetzt über 5 Milliarden € in das Erneuerbare-Energien-Gesetz investiert werden, damit das Ganze überhaupt nur einigermaßen funktioniert – wir sind im Moment bei Weitem noch nicht bei einem Anteil der erneuerbaren Energien von 20 %, müssten aber im Prinzip auf einen Anteil von 40, 45 % kommen, um wirklich an den Atomausstieg denken zu können –,
wenn Sie die Kosten einmal vor Augen haben, dann müssen Sie seriöserweise die Frage beantworten, woher Sie das Geld dafür bekommen. Das können Sie eigentlich nur vom Strombezieher, von demjenigen, der für den Strom bezahlt, bekommen.
Wenn Sie den Mut haben, darauf hinzuweisen – und zwar auch vor Wahlen –, wie der Preis dann nach oben gehen würde, dann habe ich allergrößten Respekt, und dann kann man mit mir auch über dieses Thema reden.
Aber zu sagen: „Die Kosten klammern wir jetzt einmal aus; wir fahren den Anteil der Kernkraft nach unten; wie das mit den erneuerbaren Energien richtig funktioniert, wissen wir noch nicht so genau“,
das hat nichts mit verantwortungsvoller Politik am Wirtschaftsstandort Nummer 1 der Bundesrepublik Deutschland zu tun, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Jawohl! – Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)