Protocol of the Session on March 10, 2010

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Da sind wir ja ge- spannt!)

Ja, da können Sie gern gespannt sein. – Wenn Sie, wie ich schätze, das ablehnen, was wir vorschlagen werden, dann erwarte ich von Ihnen konstruktive Gegenvorschläge.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Da werden wir lange warten müssen!)

Jetzt haben wir ganz zaghaft den einen oder anderen Vorschlag von Ihnen gehört.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Folge 274 der Argumentation war: Wir müssten Ministerien zusammenlegen. Das hören wir schon seit vielen Jahren.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion und, wie ich heute gelesen habe, zukünftige Spitzenkandidat der SPD – mit dem neuen Wahlkreis klappt es noch nicht so ganz, wie ich den Medien entnehme; aber auch das wird sicherlich noch gelingen – hat also in der Tat vorgeschlagen, dass wir die Sanierung des 32-Milliarden-€-Haushalts des Landes Baden-Würt temberg mit der Zusammenlegung von zwei Ministerien angehen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Ein Element!)

Okay. Mit mir kann man über alles reden.

Meine Damen und Herren, die SPD in Rheinland-Pfalz hatte auch die sagenhafte Idee, zwei Ministerien zu fusionieren: das Ministerium für Kultus und Sport und das Wissenschaftsministerium. Dies ist in Rheinland-Pfalz geschehen. Nur zur Erinnerung: Wir haben ein Kultusministerium mit fünf Abteilungen, und wir haben ein Wissenschaftsministerium mit fünf Abteilungen, und wir sind mehr als doppelt so groß wie das Land Rheinland-Pfalz. Die SPD in Rheinland-Pfalz hat bei diesem sagenhaften Versuch der Haushaltssanierung durch die Zusammenlegung der beiden Ressorts ein Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur geschaffen, das einen Minister, drei Staatssekretäre, elf Abteilungen und 93 Referate umfasst. So sieht das Sparen bei der SPD aus, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wer ist denn da Ministerpräsident?)

Da kann ich nur sagen: Wenn dort, wo die SPD regiert, so etwas passiert, dann sollten Sie wenigstens einmal schauen, was dabei herauskommt, bevor Sie solche wegweisenden Vorschläge machen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie könnten es doch bes- ser machen! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ich kann nur sagen: Ein Ministerium mit 93 Referaten möchte ich als Minister nicht führen müssen, ganz abgesehen davon, dass es ohnehin per se schon, mit Verlaub, ein bisschen daneben ist, zu sagen: Je größer ein Ministerium ist, desto kos tengünstiger lässt sich die Arbeit am Ende des Tages machen. Sie wissen, dass dieses Argument ein Ladenhüter ist. Sie wissen, dass es falsch ist. Also lassen Sie es einfach in der Schublade, wenn Ihnen sonst nichts einfällt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das sind dort ja fast griechische Zustände!)

Ich bin immer dafür, dass man sich mit konstruktiven Vorschlägen inhaltlich auseinandersetzt. Herr Dr. Schmid, was ich bei Ihnen allerdings ein klein wenig vermisse, ist eine einigermaßen berechenbare Halbwertszeit Ihrer Vorschläge. Sie haben vorhin wieder einmal das schöne Lied von der kostenfreien Bildung gesungen, auf gut Deutsch: Es soll alles umsonst sein. In Ordnung; das ist immer populär. Es ist immer gut, den Menschen zu sagen: „Wir machen das alles umsonst, ihr müsst nie wieder etwas bezahlen.“ Zwei Minuten später haben Sie gefordert, endlich einmal den Haushalt zu sanieren. In Ordnung, auch darüber kann man reden.

Ich würde mir jedoch wünschen, dass Ihre Vorschläge einen gewissen zeitlichen Bestand haben. Am 23. März 2005 haben Sie nämlich – damals offensichtlich noch etwas mutiger und noch etwas innovationsfähiger unterwegs, lieber Herr Schmid – in den „Stuttgarter Nachrichten“ Folgendes gesagt:

Ich bin unverändert der Meinung, dass Studiengebühren unter bestimmten Bedingungen sinnvoll sind.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Zurufe von der CDU und der FDP/DVP: Wow!)

Ja was denn jetzt? Ich bin sehr dafür, dass man über Vorschläge redet.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Ich habe auch kein Problem damit, wenn Sie sagen: Schafft die Studiengebühren ab. Sofern Sie einen Deckungsvorschlag für diese 150 Millionen € machen, kann man über alles reden. Sie aber sagen zuerst: „Ich will Studiengebühren“, dann lassen Sie die Regierung marschieren nach dem Motto „Aber wenn es unpopulär wird, bin ich weit weg“, um sich danach vor das Parlament zu stellen und zu sagen: „Aber das alles wollen wir nicht; Bildung muss für alle kostenlos sein.“ Lieber Herr Schmid, mit dieser Rede wären Sie bei der CDU noch nicht einmal Zweitkandidat geworden. Das ist armselig, was Sie hier machen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie machen ja ge- rade so weiter, wie Sie als Fraktionsvorsitzender auf- gehört haben! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist aber eine Beleidigung für unsere Zweitkandidaten! Das haben die nicht verdient!)

Wenn wir vom Thema Finanzen reden, dann bitte ich einfach einmal, die Zahlen anzuschauen. Ich habe vorhin davon gesprochen, dass die Kommunen in Baden-Württemberg mindestens so schwere Zeiten durchmachen wie alle anderen. Im Jahr 2009 sind die Einnahmen aus dem kommunalen Anteil an der Einkommensteuer um 12,5 % und die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen um über 25 % eingebrochen. Keine Frage, das ist eine schwierige Situation für die Kommunen. Ich bitte jedoch auch, einmal zu sehen, was wir als Land im kommunalen Finanzausgleich dafür getan haben, dass es den Kommunen doch nicht so schlecht geht.

Meine Damen und Herren, ab und zu hilft ein Blick auf Statistiken, z. B. dann, wenn es um den Schuldenstand der Kommunen in Baden-Württemberg geht. Sie erlauben mir, dass ich das Land Baden-Württemberg einmal mit den Ländern vergleiche, die in finanzpolitischer Hinsicht eigentlich relativ gut dastehen. Bayern ist unbestrittenermaßen bezüglich seiner Pro-Kopf-Verschuldung auf Landesebene besser als BadenWürttemberg.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schaut aber ein- mal die Kommunen dort an!)

Das ist sicherlich ein Land, von dem auch Sie sagen werden: Die sind finanzpolitisch sehr ordentlich unterwegs.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Im Jahr 1980 hatte eine bayerische Kommune einen Schuldenstand von durchschnittlich umgerechnet 612 € pro Einwohner. Im Jahr 2008 waren es 1 103 €. Das ist eine Steigerung um 70 bis 80 %. In Baden-Württemberg hatte eine Kommune im Jahr 1980 durchschnittlich eine Verschuldung von 630 € pro Einwohner, und im Jahr 2008 betrug sie 581 €.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Während die durchschnittliche Verschuldung der Kommunen in Bayern in diesem Zeitraum, in knapp 30 Jahren, also um 80 % gestiegen ist, ist sie bei uns um 15 % gesunken.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört!)

Das hat sicherlich auch etwas mit gutem Wirtschaften zu tun.

(Beifall des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Es hat aber auch etwas mit einem exzellenten kommunalen Finanzausgleich zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sich dann hier hinzustellen, das Hohelied der Finanzen zu singen und zu sagen, wie schlimm alles sei, was das Land Baden-Württemberg gegenüber den Kommunen mache, ist ein

fach nicht seriös. Im Übrigen glaubt es Ihnen auch niemand. Denn jeder Bürgermeister, mit dem Sie reden, wird natürlich immer sagen: Ich habe es schwer; ich habe im Moment eine schwierige Finanzlage.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das stimmt ja auch!)

Er wäre in seinem Job wahrscheinlich auch falsch, wenn er sagen würde: Alles ist wunderbar. Aber spätestens in einem Vieraugengespräch habe ich noch keinen Bürgermeister in Baden-Württemberg getroffen, der bestreitet, dass der kommunale Finanzausgleich in diesem Land so gut ist wie in keinem anderen Land.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das werden wir so lassen. Aber man darf es ja ab und zu sagen. Wenn Sie uns schon nicht loben, muss ich das halt auch noch selbst machen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Jetzt zum Thema Personalvertretungsrecht. Es ist unfair, was Sie da gesagt haben. Ich erwarte von jemandem, der bei Professor Kirchhof in Jura promoviert hat,

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

dass er wenigstens im Rechtsbereich einigermaßen sauber argumentiert. Auf den anderen Bereich, bei dem Sie geltendes Recht völlig außen vor lassen, kommen wir morgen zu sprechen. Aber beim Personalvertretungsrecht ist es schon ein Unding, wenn Sie als promovierter Jurist einfach nicht erwähnen, dass wir jetzt nur das machen, was das Bundesverfassungsgericht schon vor einer Reihe von Jahren in einem Urteil gefordert hat –

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Zuruf von der CDU: Genau!)

nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jetzt schon anzugreifen, was das Bundesverfassungsgericht fordert, es uns aufs Brot zu schmieren und zu sagen, das wäre die halbe Abschaffung der Mitbestimmung, ist schlicht und ergreifend unseriös, Herr Schmid.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das habe ich nicht gesagt! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das hat er nicht gesagt!)

Übrigens, ein weiterer schöner Punkt, bei dem Sie es mit Ihren Zusagen nicht so wahnsinnig genau nehmen – das eine Beispiel habe ich schon genannt –, ist: Sie haben in Ihrer Rede das Betreuungsgeld auf die Schippe genommen. Jetzt gibt es gute Argumente dafür und gute Argumente dagegen – in Ordnung, ich kenne die Debatte; wir führen sie auch in der CDU –, weil natürlich die Gefahr besteht, dass bei einem Betreuungsgeld zumindest ein bestimmter Prozentsatz des Geldes nicht dort ankommt, wo es hinsoll.