Herr Ministerpräsident, schon bisher wurden Tariflöhne unterboten; sie wurden aber in Produktions- oder Dienstleis tungsbereichen eingesetzt, die auf dem Stand der Technik waren. Das heißt, man hat sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil und einen Extraprofit verschafft. Aber es ist eine neue Qualität, wenn jemand einen mehrstelligen Millionenbetrag in die Hand nimmt und eine Investition tätigt, die sich nur dann auf Dauer auszahlen kann, wenn diese Niedriglöhne auf Dauer zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang zu sagen: „Mir ist es lieber, jemand verdient 4 € pro Stunde und der Staat zahlt hinterher mit Steuergeldern die Differenz zu dem Betrag, den man zum Leben braucht“, das animiert ja geradezu zu solchen Investitionen.
Der Erfolg der Wirtschaft gerade in Baden-Württemberg und in Deutschland gründete sich doch nicht darauf, dass wir billiger waren als andere, sondern darauf, dass wir besser waren. Es ist nicht nur sozialpolitisch falsch, sondern es ist ein falsches wirtschaftspolitisches Konzept, wenn man jetzt eine Spur legt, indem man sagt: Man kann den Wettbewerb bei uns gewinnen, indem man die Löhne drückt, indem man unter Tarif bezahlt oder Niedriglöhne oder gar sittenwidrig niedrige Löhne zahlt.
(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Ve- ronika Netzhammer CDU: Sittenwidrig ist nicht zu- lässig!)
Das Zweite: Sie haben sich gelobt und haben gesagt: „Wir sind besser als alle anderen, was die Haushaltssituation und den Schuldenstand anbelangt.“ Ich habe manchmal das Gefühl, man redet wirklich an die Wand. Es ist keine Erfindung von uns, es ist aber von uns mehrfach wiederholt worden, was der frühere Finanzminister Stratthaus hier berichtet hat: Nach seinen Berechnungen ist Baden-Württemberg, wenn man die Pensionsverpflichtungen mit einbezieht, bezüglich der Schul
Wenn Sie jetzt die Situation mit Rheinland-Pfalz vergleichen, dann sollten Sie auch hinzufügen, dass die dortige Regierung schon seit Längerem einen Pensionsfonds eingerichtet hat – früher als wir – und dass im Gegensatz zu Baden-Württemberg die Pensionsverpflichtungen bei den Einzahlungen in diesen Fonds in voller Höhe berücksichtigt werden, wenn Beamte eingestellt werden –
Was ergibt sich daraus? Daraus ergibt sich natürlich die Notwendigkeit der strukturellen Veränderung. Wir müssen an die Strukturen heran.
Das, was Sie mit diesem Haushalt machen, wird einer strukturellen Veränderung nicht gerecht, und dadurch wird auch nicht wirklich gespart. Wenn Sie z. B. die Zuschüsse für Streetworker kürzen und wir deshalb mehrere Hundert Streetworker weniger auf der Straße haben, dann werden diejenigen, um die sich die Streetworker bisher gekümmert haben, früher oder später Kunden bei der Polizei.
sie führt zwangsweise zu höheren Belastungen in der Zukunft. Deshalb muss Schluss damit sein, dass man sagt: „Irgendwo immer ein bisschen weg.“ Das ist keine Antwort auf die gro ßen Herausforderungen im Haushalt, sondern wir brauchen eine strukturelle Veränderung, z. B. durch die Abschaffung einer Verwaltungsebene oder, was man jetzt hätte machen können, durch die Abschaffung von zwei Ministerien bei einer Regierungsneubildung.
Nun zum Bildungsthema. Der Vergleich mit Hamburg, den Sie da angestellt haben, macht mir noch einmal deutlich, weshalb Frau Staab in der Diskussion mit der Landesregierung
Frau Staab hat festgestellt: Die CDU macht eine Bildungspolitik wie vor 30 Jahren. Niemand von Ihnen versteht das, weil Sie z. B. sagen: „Wir geben doch mehr Geld aus.“ Der Kern ihres Vorwurfs ist: Es gibt keine – fast keine; ich will nicht übertreiben – Struktur der individuellen Förderung in den Schulen in Baden-Württemberg.
Das findet – ich komme aus Ludwigsburg, wo es eine Pädagogische Hochschule gibt – heute noch nicht einmal generell in der Lehrerbildung statt; es geschieht versuchsweise an ein paar Ecken, dass individuelle Förderung nun überhaupt Einzug in die Lehrerausbildung hält.
Wenn wir sagen: „Länger gemeinsam lernen“, dann heißt das doch nicht einfach, wir lassen die Kinder länger beieinander, und sonst ändert sich nichts. Da steht dann ein Lehrer vor der Klasse und macht seinen Frontalunterricht und hat für alle das gleiche Angebot. Das ist es, was Frau Staab gesagt hat: Bildung im Gleichschritt.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Was für eine Lehrer- ausbildung haben Sie kennengelernt? – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: An baden-württembergischen Schulen gibt es nur Frontalunterricht? So ein Quatsch!)
Wenn man Kinder länger gemeinsam lernen lassen will, kann man das nicht auf einen Satz machen, sondern dann muss man die Voraussetzungen dafür schaffen. Dazu gehört, dass Lehrer in der Lage sind, individuell im Unterricht zu fördern, dass sie dazu besser in der Lage sind als heute,
(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Sind sie doch! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bei uns ist die Dif- ferenzierung schon lange durch! Bloß Sie wissen nichts davon!)
sondern Sie sagen: „Hamburg zetert, da gehen die Eltern auf die Barrikaden“, und folgern daraus, bei uns sei es am allerbesten. Mit diesem Motto „Wir brauchen überhaupt nichts zu hinterfragen; es ist immer alles das Beste“ wird das Schulsys tem in Baden-Württemberg nicht besser. Die Eltern sind zu
Recht unruhig und wütend darüber, dass Sie laufend erzählen: „Wir sind die Besten“, aber die tägliche Erfahrung in der Schule das Gegenteil zeigt.
Aber da hatten Sie auch bessere Argumente. Sie haben überhaupt kein Argument gebracht, das Substanz hat. Erstens haben Sie gesagt, Ihnen sei es lieber, baden-württembergische Familienunternehmen seien im Geschäft als Konzerne aus anderen Bundesländern. Das ist aber gar nicht das Thema. Wir versuchen doch, ihn davon abzubringen, dass er immer an Generalunternehmer ausschreibt,
um gerade zu verhindern, dass ein Subsubsubunternehmer von woanders kommt, und dem heimischen Handwerk eine Chance zu geben.