Das führt mich im Ergebnis dazu, zu sagen: Sie müssen auch einmal in Ihrem Haus schauen – Kollege Stickelberger hat das zu Recht angesprochen –, ob die Frage einer selbstverwalteten Justiz vielleicht zumindest in der Weise angegangen werden kann, dass man das z. B. wie im Schulbereich und in anderen Bereichen diskutiert: Ich meine die dezentrale Budgetierung. Warum muss denn für das Amtsgericht XY und vielleicht sogar für dessen Zweigstelle – was Sie jetzt Gott sei Dank abgeschafft haben – von zentraler Stelle aus vorgegeben werden, welcher Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch dort angeschafft wird und welcher nicht? Ich glaube, das können die vor Ort besser entscheiden.
Deswegen sind wir der Auffassung, dass Sie im Kernbereich – da will ich Ihnen noch einmal meine zwei Lieblingsanliegen vortragen – diese Reform schuldig bleiben. Sie sprechen immer von bürgernaher Justiz. Das tragen wir voll und ganz mit, keine Frage.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Sie fordern den Abbau der Amtsgerichte! Ist das die bürgernahe Justiz?)
Der Kollege nimmt mir das vorweg. Ich finde es klasse, wenn es schon einmal bei einer Regierungsfraktion angekommen ist. Aber warum brauchen wir denn in Baden-Württemberg 108 Amtsgerichtsstandorte?
Genau, Kollege Zimmermann. Ein perfekter Zwischenruf. Der durchschnittliche Bürger und die durchschnittliche Bürgerin – vielleicht haben Sie das im Justizministerium jetzt einmal nachrechnen lassen – geht in seinem Leben 0,8-mal zum Amtsgericht.
Auch das bringt natürlich eine Effizienzrendite, auch das bringt Einspareffekte. Das gilt im Übrigen nicht nur für Amtsgerichte, das gilt natürlich auch für Landgerichte, zu denen wir konkrete Vorschläge erarbeitet und vorgetragen haben.
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: So kann nur ei- ner aus der Großstadt reden, für den die Gerichte sa- krosankt sind! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Da hat Herr Scheuermann recht! – Gegenruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE: 0,8-mal im Leben!)
Insofern wäre das eine Aufgabenstellung, Herr Minister, die Sie vielleicht genauso angehen sollten, weil das sozusagen in Ihrem Haus reformierbar ist
und weil das Gerichtsorganisationsgesetz die Zuständigkeit des Landes trifft und Sie dort auch Reform- und Änderungsmöglichkeiten haben. Das verweigern Sie konsequent, betreiben stattdessen Outsourcing und übertragen auf Private. Das ist keine Reform der Justiz, die wir mittragen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, wie groß wäre das Einsparpo- tenzial?)
Die Konzentration von Justizaufgaben findet durchaus statt. Da hätte mich, Herr Minister, auch einmal interessiert: Warum gilt, was für Grundbücher und Handelsregister gilt, nicht auch für Amtsgerichte? Das will mir überhaupt nicht einleuchten. Sie haben bisher keinen plausiblen Grund genannt, warum dort die Konzentration sinnvoll ist, nicht aber bei den Amtsgerichten.
Ich nenne Ihnen noch zwei, drei Gedanken zu dem, was Sie als Einsparmaßnahmen im Justizetat vorschlagen. Ob die letztendlich sinnhaft sind, darüber können wir diskutieren.
Sie reduzieren die Stellen für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare. Das birgt ohne Zweifel ein gewisses Einsparpotenzial. Aber wir lassen die Türen für die jungen Menschen – das finde ich gar nicht verkehrt – doch offen, wenn sie Rechtswissenschaften studieren. Dann müssen sie aber auch ihre Ausbildung fertig machen können. Deswegen stelle ich schon die Frage, ob wir hier eine Grenze erreicht haben oder wie weit Sie im Bereich der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare noch herunterfahren wollen.
Ein weiterer Punkt – das ist mein Lieblingsthema; das verfolge ich schon seit 14 Jahren; Herr Minister, Sie wissen das; ich gehe davon aus, dass Sie das wissen – ist das Thema „Auslagen in Rechtssachen“. Das ist sozusagen die stille Reserve der Justiz; ich darf das einmal so beschreiben. Herr Minister, es ist unbestritten, dass diese Auslagen in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Kostensteigerungen, für die das Land wenig kann, gestiegen sind. Nichtsdestotrotz haben wir auch in diesem Etat Einsparmaßnahmen, nämlich eine Reduktion bei diesen Auslagen vorgeschlagen, weil bislang das, was Sie im Etat veranschlagt haben, noch nie aufgebraucht worden ist. Sie bilden da also eine Art stille Reserve, und das in Zeiten, in denen wir um jede Million kämpfen müssen. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Leider haben Sie dem Antrag nicht zugestimmt. Die Sozialdemokraten haben diesen Antrag noch einmal eingebracht. Wir werden diesem Antrag nachher bei der Abstimmung zustimmen.
(Beifall des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Jetzt ist die Mehrheit ge- sichert!)
Meine Damen und Herren, ich bin ein Mensch, der in der Praxis steht. Ich habe tagtäglich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz zu tun.
Ich weiß, dass diese ihren Job nach Kräften tun, trotz aller Sparmaßnahmen, trotz aller Belastungen.
Kollege Zimmermann, das meine ich ernst: Sie dürfen gern einmal einen Tag zusammen mit mir verleben. Dann werden Sie sehen, wie meine Tage in der Konkretisierung der Justiz aussehen.
(Abg. Alfred Winkler SPD: Das hält er nicht aus! Das nehme ich vorweg! – Zuruf des Abg. Karl Zimmer- mann CDU)
Deswegen gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unser Dank, natürlich auch der Dank unserer gesamten Fraktion. Er gilt sogar dem Justizministerium; das habe ich bisher nicht jedes Mal so vollzogen. Denn ich kann natürlich nicht bestreiten, dass Sie im Justizministerium Ihren Job machen. Sie machen Ihren Job aber so, wie wir das nicht wollen: Sie führen nämlich Reformmaßnahmen durch, die wir nicht mittragen können. Deswegen können wir dem Etat des Justizministeriums nicht zustimmen und dem Gesamtetat auch nicht.
Ich hoffe, dass Sie künftig bereit sind, Reformprojekte in den Kernbereichen der Justiz anzugehen. Dann können Sie auch mit der Zustimmung der Fraktion GRÜNE rechnen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Das wird aber dauern! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Gute Rede, Herr Kollege Oelmayer! – Ge- genruf des Abg. Alfred Winkler SPD: Seit neun Jah- ren die gleiche!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich mir das jedes Mal und jedes Jahr anhöre, dann stelle ich fest, dass von der Opposition immer das Gleiche kommt.
(Oh-Rufe von der SPD und den Grünen – Abg. Hans- Ulrich Sckerl GRÜNE: Vergiftetes Mitleid! – Verein- zelt Heiterkeit – Weitere Zurufe)
Denn die Opposition sieht natürlich auch, dass die Justiz in Baden-Württemberg im Ländervergleich eine sehr gute Arbeit leistet. Da ist es wirklich eine Herausforderung, die Jus tiz zu kritisieren. Das muss ich schon sagen. Aber Sie lassen sich auch nichts Neues einfallen. Es wird jedes Jahr das Gleiche kritisiert: Privatisierung etc.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Weil ihr nichts anderes macht! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wenn ihr ständig privatisiert, was sollen wir denn dann ma- chen? – Weitere Zurufe, u. a. des Abg. Rainer Stickel- berger SPD)
Herr Kollege Stickelberger, wenn Sie sagen, dass Sie keinen Discounter-Staat wollen, dann sage ich Ihnen: Den wollen wir auch nicht.
Aber ich möchte auch keinen Staat, der gestohlene Ware aufkauft und für diese gestohlene Ware auch noch etwas bezahlt. Das möchte ich auch nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Oh-Rufe – Widerspruch – Zurufe: Steuerhinterziehungen schützen! – Kavaliersdelikte! – Sie haben Angst um Ihre Wähler! – Unruhe)
Ich möchte einen Rechtsstaat haben. Ich möchte keinen Staat, der gestohlene Daten kauft und dafür 2,5 Millionen € hinlegt, um dann gegen die in diesen Daten aufgeführten Menschen tätig zu werden. Ich finde, das ist eines Rechtsstaats unwürdig. Frankreich hat es richtig gemacht. Frankreich hat dieses Angebot abgelehnt.
(Zurufe, u. a.: Sie haben Angst! – Noch ist Zeit! – Weitere Zurufe, u. a. der Abg. Karl Zimmermann CDU und Reinhold Gall SPD – Lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Die Unruhe liegt am Redner!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Justiz in BadenWürttemberg leistet sehr gute Arbeit. Das wurde teilweise schon gesagt. Ich danke dafür allen, die in der Justiz tätig sind: dem Justizministerium, allen voran unserem Justizminister, den Menschen, die in den Gerichten, bei den Staatsanwalt
schaften und in den Justizvollzugsanstalten tätig sind, sowie natürlich auch den Gerichtsvollziehern.
Unsere Justiz in Baden-Württemberg ist auch sehr effizient. Das sieht man daran, dass wir in Baden-Württemberg die kürzesten Verfahrenszeiten bei den Gerichten und bei den Staatsanwaltschaften haben.