Protocol of the Session on January 19, 2010

Schauen Sie sich jetzt einmal die Entwicklung der Wirtschaft in den späten Achtzigerjahren an: Wir hatten im Jahr 1988 eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 3,7 %, im Jahr 1989 eine Steigerung um 3,9 % und im Jahr 1990 eine Steigerung um sage und schreibe 5,3 %.

Schauen Sie sich einmal die Steuereinnahmen an. Trotz einer Entlastung um 44,4 Milliarden DM betrugen die Steuereinnahmen 1988 249 Milliarden DM – das sind 26 Milliarden DM mehr als 1985 –, 1989 273 Milliarden DM und 1990 sogar 281 Milliarden DM.

Nun wird kein Mensch beweisen können, dass sich diese Entwicklung allein und ausschließlich auf die Steuersenkungen des Finanzministers Stoltenberg und der Regierung Kohl/Genscher zurückführen lässt. Aber, meine Damen und Herren, hören Sie auf, zu behaupten, es sei empirisch erwiesen, Steuer

senkungen brächten nichts. Das, was ich aufgezeigt habe, ist ein klassisches Beispiel dafür, dass dies nicht zutrifft.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Es ist auch deutlich geworden – Kollege Mappus hat es schon angesprochen, Herr Schmiedel –: Es sind nur die Steuersenkungen „böse“, die nicht Sie machen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wenn Sie es nicht be- greifen, kann man auch nichts machen! Ojemine!)

Wenn wir das Wachstumsbeschleunigungsgesetz anschauen, so stellen wir fest, dass sich ein Entlastungsvolumen in Höhe von etwa 22 Milliarden € ergibt. Davon waren rund 14 Milliarden € schon vorher beschlossen. Dafür haben Ihre Genossen in Berlin die Hand gehoben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zu Recht! Wollen Sie Urteile nicht umsetzen? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts!)

Niemand hat den Untergang des Abendlands beschworen und hat erklärt: „Um Gottes willen, man kann doch nicht Steuern senken, wenn man Schulden hat.“ Das war alles richtig. Jetzt kommen 8 Milliarden € hinzu, die die neue, schwarz-gelbe Bundesregierung beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz obendrauf gesattelt hat, und Sie beschwören den Untergang des Abendlands.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir hatten im Jahr 2008 in BadenWürttemberg Bruttosteuereinnahmen von etwa 28 Milliarden €. 2009 sind diese Einnahmen krisenbedingt auf unter 25 Milliarden € gesunken. Wir erwarten für die Jahre 2010 und 2011 Steuereinnahmen von weniger als 24 Milliarden €. Meine Damen und Herren, wie wollen Sie unseren Haushalt denn ohne Wachstum ausgleichen? Das geht doch nur mit Wachstum. Schauen Sie sich einmal die Struktur unserer Wirtschaft und die Notwendigkeiten an, Wachstum zu erzeugen. Insofern sind diese Maßnahmen doch richtig.

Das gilt auch für die ganzen „Helden“, die Sie in Ihren Reden zitiert haben. Ich habe gehört, wer alles was gegen Steuersenkungen gesagt hat,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Herr Oettinger z. B.!)

insbesondere aus den Reihen der CDU. Nur, meine Damen und Herren: Ich habe auch gesehen, wer alles dem Koalitionsvertrag zugestimmt hat.

(Heiterkeit des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Ich habe auch gesehen, wer im Bundesrat alles die Hand gehoben hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Einschließ- lich Kanzlerin!)

Ich höre auch, was die Kanzlerin zu diesem Thema immer sagt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist einmal so und einmal so!)

Irgendwo haben wir also offensichtlich eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung. Denn das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde im Koalitionsvertrag in großem Einvernehmen festgelegt. Es wurde im Bundestag beschlossen, und der Bundesrat hat ihm zugestimmt. Jetzt gilt es, und es wirkt. Sie können natürlich nicht erwarten, dass wir schon nach 14 Tagen Wachstum haben.

Aber es ist richtig, den Kinderfreibetrag zu erhöhen. Es ist richtig, das Kindergeld zu erhöhen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da bleibt am Schluss nicht mehr viel übrig!)

Es ist richtig, Korrekturen vorzunehmen, etwa bei Verlust- und Zinsabzugsbeschränkungen. Die Korrektur bei der Erbschaftsteuer ist erst recht richtig. Reden Sie einmal mit den Mittelständlern im Land und fragen Sie sie, was sie von dem ursprünglichen „Horrorgesetz“ halten, das zum Thema Erbschaftsteuer in der Großen Koalition entstanden ist.

Wir haben – das ist richtig – in diesem Doppelhaushalt eine Rekordverschuldung. Das macht uns nicht froh. Aber wenn die Steuereinnahmen – ich wiederhole das – von 28 Milliarden € auf unter 24 Milliarden € einbrechen, kann das bei der Struktur unseres Haushalts nicht ohne Auswirkungen bleiben.

Wenn der Bund etwa 86 Milliarden € an neuen Schulden aufnimmt, wenn Nordrhein-Westfalen, dessen Einwohnerzahl um etwa 70 % höher ist als die von Baden-Württemberg, 6,6 Milliarden € an neuen Schulden aufnimmt, das kleinere Hessen 3,4 Milliarden €

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rheinland- Pfalz!)

und Ihr hochgelobter Genosse Kurt Beck, in dessen Land die Bevölkerungszahl nur bei etwa 40 % der Bevölkerungszahl von Baden-Württemberg liegt, fast in gleicher Höhe wie Baden-Württemberg neue Schulden aufnimmt, dann kann die Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik in Baden-Würt temberg nicht so schlecht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Zweifellos: Wir müssen den Haushalt konsolidieren. Wir hatten eine Konsolidierungsphase vor dieser Wirtschaftskrise. Wir haben die Neuverschuldung permanent reduziert und haben zweimal eine Punktlandung eines ausgeglichenen Haushalts erreicht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Stimmt ja gar nicht für 2009!)

Nun in der Krise – das haben Sie selbst nicht infrage gestellt – ist es notwendig, zu reagieren und einerseits zu investieren sowie andererseits Steuern zu senken. Beide Maßnahmen sind zwei Seiten der gleichen Medaille, nämlich einer aktiven Wirtschaftspolitik, um das Land aus der Krise zu führen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Wir brauchen anschließend nicht nur eine Phase der Konsolidierung, sondern einer starken Konsolidierung. Das ist völlig richtig. Andernfalls könnten wir die Landeshaushaltsordnung

und die Erfordernisse der Schuldenbremse nicht einhalten. Andernfalls könnten wir – das kommt in den nächsten Jahren vermutlich auch auf uns zu – das Problem steigender Zinsen bei unserer Verschuldung in keiner Weise in den Griff bekommen.

Aber es bedarf einer Aufgabenkritik. Anders wird es nicht gehen, die starke Konsolidierungsphase für den Haushalt in die Wege zu leiten.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Denn wir haben momentan mehr als 14 Milliarden € an Personalausgaben. Das ist ein Anteil von mehr als 40 % am Gesamthaushalt. Diese Ausgaben können wir nicht kurzfristig reduzieren.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Was schlagen Sie vor?)

Wir haben den Bereich der allgemeinen Finanzverwaltung. Hinzu kommen die Solidarpakte – etwa für Kirchen, Sport, Jugend, Hochschulen, Kunst und Medizin –, die den Haushalt längerfristig binden. Wenn Sie sich dann noch anschauen, was frei verfügbar ist, kommen Sie auf einen Bereich mit einem Volumen von etwa 4,5 Milliarden €. In diesem Bereich können Sie kurzfristig sparen. Wenn Sie vor diesem Hintergrund sehen, dass die Steuereinnahmen um 4 Milliarden € einbrechen, wird Ihnen schon deutlich, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, einen solchen Haushalt in einer solchen Krise kurzfristig auszugleichen.

Deshalb ist es richtig, langfristige Maßnahmen in die Wege zu leiten. Ich bleibe dabei: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist eine solche langfristige Maßnahme. Weitere müssen folgen.

Wenn wir uns aber, um die starke Konsolidierung zu erreichen, mit der Frage auseinandersetzen, wie wir in die Strukturen kommen, dann führt kein Weg daran vorbei, uns die Frage zu stellen: Wie können wir im Land Baden-Württemberg staatliche Aufgaben abbauen, um auch Personal zu reduzieren?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Denn ohne Personalpolitik und ohne eine Reduzierung im Personalbereich wird die Konsolidierung nicht möglich sein.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich füge hinzu – ob dies populär ist oder nicht –: Dazu zählt natürlich auch die längere Lebensarbeitszeit für die Staatsdiener.

Wenn ich mir die Frage stelle, wo Aufgabenkritik möglich ist, dann fallen mir selbstverständlich die Universitätskliniken ein. Ich weiß, dass es da von verschiedenen Seiten immer wieder Kritik gibt. Aber ich schätze einmal, dass der Wissenschaftsminister nach dem, was er in letzter Zeit in Freiburg erlebt hat, gegenüber diesem Vorschlag vielleicht selbst etwas aufgeschlossener ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Wir brauchen Privatisierungen in den verschiedensten Bereichen. Der Justizminister hat deutlich gemacht, dass dies

funktionieren kann, und zwar ohne die Absenkung von Qualitätsstandards, aber doch mit Reduzierungen öffentlicher Aufgaben.

Wir müssen uns auch Gedanken über die Zukunft der Landesbank Baden-Württemberg machen. Die Landesbank BadenWürttemberg muss in Ordnung gebracht werden. Ich denke, wir sind dabei auf einem guten Weg. Vor der Krise gab es einmal eine Schätzung über den Wert der Landesbank: etwa 12 Milliarden €. Wir werden alles tun, was die Politik tun kann, um diesen Wert wieder zu erreichen. Aber wenn dieser Wert wieder erreicht ist, dürfen keine Überlegungen über die Zukunft der Landesbank tabu sein.