Ja, da haben Sie ein Stück weit recht. Auch in meiner Rede in der Ersten Beratung habe ich betont, dass Alkohol für mich kein Produkt ist, das als Reiseproviant unbedingt an der Tankstelle verkauft werden müsste.
Man muss aber auch die allgemeine Entwicklung sehen, die diese Tankstellenshops genommen haben. Für viele Bürger ist das eine Möglichkeit, einzukaufen.
Ja, gut, man kann es als Fehlentwicklung beklagen. Für viele war es aber eine Entwicklung, und die Leute stimmen auch mit den Füßen ab. Die Preise sind dort zwar höher als im normalen Supermarkt, aber wenn die Leute sagen: „Okay, ich muss mich da noch eindecken“, dann kann man das nicht unbedingt vermeiden.
Ich bin der Meinung: Alkohol ist kein Reiseproviant. Aber man soll das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten. Deshalb finde ich, dass man eine Lösung mit Augenmaß finden muss. Wir wollen zu den Zeitpunkten ansetzen – das ist das Argument, das auch in der Begründung des Gesetzentwurfs steht –, zu denen die Polizei die Auswirkungen spürt. Die Polizei spürt die Auswirkungen nicht mittags um zwölf, wenn die Schule aus ist, sondern sie spürt sie am Abend und in der Nachtzeit. Man muss hier das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein Stück weit auf die Realität beziehen.
Ich persönlich will deshalb vor diesem Hintergrund die Meinung äußern, dass wir mit dieser Lösung, die wir jetzt mit Augenmaß angehen, die schlimmsten Auswüchse beseitigen. Ich glaube, dass wir damit einen richtigen Weg gehen. Wir werden nach drei Jahren schauen, wie es gewirkt hat. Dieser Evaluation stellen wir uns. Dann kann man noch einmal feststellen, inwieweit das, was wir auf den Weg gebracht haben, wirkungsvoll ist. Aber ich denke, es ist ein Meilenstein, den wir im Interesse der Klientel auf den Weg bringen sollten. Wir machen das ja nicht als Selbstzweck, sondern wir wollen die Auswirkungen, die ich Ihnen vorhin beschrieben habe, vermindern. Deshalb wird die CDU-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserer freiheitlichen Grundordnung sollten Verbote nur ausgesprochen werden, wenn sie unbedingt nötig sind.
Wenn aber die Notwendigkeit eines Verbots festgestellt wird, dann sollte auch rasch gehandelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist jetzt der Fall. Da besonders in einer Fraktion – da schaue ich die Kollegen von der FDP/DVP an – noch Kollegen vorhanden zu sein scheinen, die innerlich noch nicht davon überzeugt sind, dass ein Anlass besteht, den Verkauf von Alkohol einzuschränken, will ich Fakten nennen.
Im neuen Bericht des Statistischen Bundesamts über die Unfallentwicklung auf deutschen Straßen wird ganz deutlich ausgeführt,
dass Verbote bzw. Erweiterungen von bestehenden Verboten, z. B. die Einführung der 0,5-Promille-Grenze im Straßenverkehr und das Alkoholverbot für Fahranfängerinnen und -anfänger, gemeinsam mit anderen Maßnahmen zu einer weit überproportionalen Reduzierung der Zahl der alkoholbeding ten Verkehrsunfälle und der Zahl der Getöteten bei Unfällen unter Alkoholeinfluss geführt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier hat sich die Notwendigkeit eines Verbots eindeutig bestätigt. Ähnlich sehen wir von der SPD-Fraktion das auch bei diesem Gesetzentwurf, über den wir anschließend abstimmen werden.
Wir sind davon überzeugt, dass sowohl das Verbot des nächtlichen Alkoholverkaufs als auch das Verbot alkoholmissbrauchsfördernder Angebote dazu beitragen werden, dass sich Ausmaß und Anzahl alkoholbedingter Gesundheitsgefährdungen gerade von Jugendlichen, Unfälle und auch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten reduzieren werden.
Nebenbei – das ist uns auch sehr wichtig – werden wir unseren Polizistinnen und Polizisten nicht nur ihre Arbeit erleichtern, sondern auch dazu beitragen, ihre körperliche Unversehrtheit zu schützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Evaluation der Auswirkungen des Gesetzes ergibt, dass dies ein erfolgreicher Weg war, werden wir uns überlegen, ob wir nicht sogar an der einen oder anderen Stelle noch eine Schippe drauflegen müssen.
Ich habe in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs gefordert, dass das Sozialministerium – leider ist die Sozialminis terin gerade nicht anwesend – gemeinsam mit der Suchthilfe im Land ein ganz breites Präventionsprogramm an den Schulen entwickeln muss. Leider hat sich bis heute nichts getan.
Wir sind auch überzeugt davon, dass in der derzeitigen Situation andere, hier schon aufgezählte Maßnahmen, insbesondere der Bildung und der Prävention, zwar wichtige Teile
eines Gesamtpakets, aber ohne die hier zu beschließenden Verbote nicht ausreichend sind, um zu einer hinreichenden Reduzierung der Folgen von exzessivem Alkoholkonsum zu führen.
Weitere Teile des Gesamtpakets sind insbesondere auch die bestehenden Regeln des Gaststättengesetzes, das wir in diesem Gesetzgebungsverfahren in Landesrecht überführen wollen, und des Jugendschutzgesetzes. Kontrollen über die Einhaltung von Vorschriften durch Gastwirte und Verkaufsstellen sind also sowieso notwendig und entstehen nicht allein aus der Einführung dieser neuen Verbote. Teilweise präzisieren die nun einzuführenden Verbote auch nur das Gaststättengesetz und das Jugendschutzgesetz.
In diesem Zusammenhang – man kann nicht oft genug zitieren, was gerade im Bund so alles passiert – will ich noch kurz auf den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung zu sprechen kommen. Darin heißt es zwar – jetzt zitiere ich –:
Mit besonderer Besorgnis sehen wir die Zunahme des exzessiven Alkoholkonsums bei einzelnen Kindern und Jugendlichen.
der bestehenden Präventionsstrategien und die Weiterentwicklung der Konzepte und Maßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hingewiesen. „Mutlos“ nennen wir das, meine Damen und Herren.
So wichtig und vorrangig gerade für uns von der SPD-Fraktion Prävention und Aufklärung sind: Wenn es die Tatsachen wirklich erfordern – hier erinnere ich an die in dem Bericht des Statistischen Bundesamts zu den alkoholbedingten Verkehrsunfällen aufgeführten Ergebnisse und die im Zusammenhang mit unserem aktuellen Gesetzgebungsverfahren vorgelegten Studien –, dann muss in diesem Zusammenhang auch über Verbote geredet werden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu den Briefen und den persönlichen Voten von Brauereiverbänden, Tankstellenbesitzern und anderen Beteiligten sagen. Natürlich ist uns der Erhalt von Arbeitsplätzen wichtig. Aber, meine Damen und Herren, die Gesundheit und das Leben unserer Kinder und Jugendlichen sind uns wichtiger.
In anderen Staaten, in denen noch striktere Alkoholverbote als bei uns gelten, gibt es auch noch Tankstellen, Kneipen und Brauereien.
Ich will zum Schluss noch einmal ausdrücklich unterstreichen: Wir von der SPD-Fraktion erwarten, dass die Landesregierung endlich ein ordentliches Präventionsprogramm, das in den Schulen ansetzt, auf den Weg bringt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist nämlich besser!)
Da könnt ihr von der FDP/DVP klatschen. Ihr seid aber Teil dieser Landesregierung. Dann macht doch einmal!
Es ist wichtig, hier wirklich präventiv auf die Kinder und Jugendlichen einzuwirken. Ich nenne das Stichwort „Komasaufen“ und verweise auf die dadurch bedingten Klinikeinweisungen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Alkohol ist Teil unserer Alltagskultur, und sein Genuss scheint bei vielen Anlässen obligatorisch zu sein. Die meisten Menschen können mit Alkohol gut umgehen.
Genau. – Sozial akzeptierten Trinkmustern stehen jedoch riesige Probleme und Störungen durch den übermäßigen Konsum von Alkohol gegenüber. Es gilt: 10 % der deutschen Bevölkerung konsumieren 50 % der alkoholischen Getränke und haben somit ein problematisches Trinkverhalten.
In Baden-Württemberg gibt es ca. 250 000 alkoholabhängige Menschen. Im Jahr 2008 sind allein 1 403 Menschen in Baden-Württemberg infolge von Alkoholmissbrauch gestorben.
Immer mehr Jugendliche betrachten Rauschtrinken als Teil ihrer Wochenendgestaltung. Aber nicht nur Jugendliche, die sich bis zur Bewusstlosigkeit betrinken, sind ein Problem, sondern auch der Konsum der Erwachsenen hat deutlich zugenommen. Alkoholmissbrauch ist kein reines Jugendproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das man auch mit unterschiedlichen Maßnahmen angehen sollte.