Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gall, ich bin Ihnen dankbar für diesen Antrag. Das Thema ist wichtig, und es ist wichtig, dass wir uns auch hier im Plenum damit beschäftigen.
Sie haben die Zahlen bereits genannt; ich brauche sie nicht im Einzelnen zu wiederholen. Gewalt gegen Polizeibeamte ist ein Phänomen, das wir beobachten und bei dem wir handeln müssen. Da haben Sie völlig recht. Sie haben die absoluten Zahlen genannt. Entscheidend ist aber auch die Entwicklung.
Die Zahl der Gewalthandlungen, Widerstandshandlungen, Körperverletzungsdelikte und dergleichen, die sich gegen Polizeibeamte richten, nimmt nämlich stetig zu.
Der Polizist ist der Wächter über das staatliche Gewaltmonopol. Er hat es durchzusetzen und zu wahren. Das ist gegebenenfalls mit Gefahren verbunden. Das war schon immer so, und wer den Polizeiberuf ergreift, der weiß das auch vorher. Dennoch – Sie haben es zu Recht schon gesagt, Kollege Gall – kann der Polizeibeamte, der diese Wächteraufgabe hat, zu Recht vom Bürger ihm gegenüber und gegenüber der Wahrnehmung dieser Aufgabe Respekt erwarten. Er kann Respekt erwarten, und diesen Respekt müssen wir wirklich verstärkt einfordern.
Es kann uns nicht kaltlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Polizeibeamte Verletzungen ertragen müssen. Prellun gen, Gelenkverletzungen, Brüche, Bisse, Schürf-, Stich- und Schnittwunden, Augenverletzungen – all das wird in den Berichten aus den Polizeidirektionen genannt, und zwar hundertfach im Jahr. Sie haben die Zahlen dargelegt.
Ich möchte noch ein Weiteres hinzufügen: Die schlimmste Entwicklung beobachten wir momentan im Bereich der Fußballspiele, und zwar in allen Ligen. Was dort – Frau Präsidentin, gestatten Sie mir bitte die drastische Wortwahl – hirnlose Idioten Woche für Woche veranstalten, denen es überhaupt nicht um Sport geht,
sondern denen es darum geht, Randale zu machen, sich zu prügeln, Polizisten zu verprügeln und sich mit ihnen zu schlagen, ist schlicht und einfach unerträglich,
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Vor allem im Fußball- stadion! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da muss der Veranstalter für den Polizeieinsatz zahlen, nicht die öffentliche Hand!)
Meine Damen und Herren, deswegen bin ich dankbar, dass der Innenminister einen sogenannten Fußballgipfel einberufen hat, um gemeinsam mit allen Beteiligten Konsequenzen aus dieser nicht hinnehmbaren Entwicklung abzuleiten. Eine dieser Konsequenzen – schließlich werden in diesem Zusammenhang Woche für Woche erhebliche Personalkapazitäten gebunden – kann sein – da sind wir aufgeschlossen –, dass im Bereich des kommerziellen Fußballs eine Beteiligung an den Kosten erfolgt, die durch solche Polizeieinsätze ausgelöst werden, die bundesweit in Millionenhöhe liegen.
Auch das ist Bestandteil des sogenannten Fußballgipfels. Ich kann den Innenminister nur ermuntern, dem auch nachzugehen.
Wichtig im Zusammenhang mit dem Fußball ist sicherlich auch die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die die Möglichkeit schafft, Stadionverbote auch bei Verdacht auszusprechen.
Das halte ich für sinnvoll. Ich erwarte von den Vereinen, dass dies auch erfolgt und diese Regelung konsequent angewendet wird, um solche „Randalemacher“ draußen zu halten.
Gleichwohl sind wir, das Land, auch als Dienstherr gefordert. An erster Stelle steht natürlich die Fürsorge. Fürsorge äußert sich zunächst einmal in der Ausrüstung. Ich glaube, dass wir bei der Ausrüstung der Polizei, speziell der Einsatzbeamten, auf der Höhe der Zeit sind und flexibel reagieren.
Sie haben ein paar Aspekte genannt. Ich nenne zunächst einmal die Aus- und Fortbildung, vor allem die Fortbildung, die anlassbezogen und flexibel ist und auf neue Entwicklungen eingeht. Beispielhaft führe ich das Einsatztraining für Amoklagen an, das man ad hoc entwickelt hat. Außerdem nenne ich Ausrüstungsgegenstände wie Schutzweste, Pfefferspray, Teleskopschlagstock und die Waffe sowie Verbesserungen im Bereich der Körperschutzausstattung wie z. B. Helme. Solche Verbesserungen sind wichtig. Damit sind wir in Baden-Würt temberg ganz vorn dabei.
Wir müssen aber auch an die Wurzeln gehen und fragen, warum es zu diesen Ausschreitungen kommt. Damit sind wir beim Thema Alkohol. Hierzu haben wir vorhin ein wichtiges Gesetz verabschiedet, das dem Missbrauch von Alkohol vorbeugt. Wir wissen, dass der Missbrauch von Alkohol ein Gewaltkatalysator ist. Deshalb müssen wir hier Einhalt gebieten. In dem Gesetz, das wir vorhin weitgehend einvernehmlich verabschiedet haben, sehe ich einen wichtigen Schritt auf diesem Weg.
Gefordert sind selbstverständlich aber auch die Elternhäuser, und zwar zuvörderst bei jugendlichen Komasäufern, die nachts in einem komatösen Zustand aus einer Arrestzelle herausgeholt werden müssen.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Herr Minister, ganz wichtig ist auch der Bereich der Ursachenforschung. Das möchte ich ausdrücklich erwähnen. Hierzu haben Sie bzw. hat die Polizei an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen ein gutes Projekt gestartet, dass nämlich bei erfolgten Widerstandshandlungen im Nachhinein durch Befragungen den Ursachen nachgegangen wird. Ich glaube, das ist wichtig, um an die Wurzel des Problems herankommen zu können.
Herr Kollege Gall wünscht eine Überweisung des Antrags an den Ausschuss. Dem werden wir uns sicherlich nicht widersetzen. Die erste Ziffer des Beschlussteils dieses Antrags, mit der Sie begehren, dass die Widerstandshandlungen in der Statistik erscheinen, ist sinnvoll. Die Formulierung ist aber nicht mehr ganz zeitgemäß und auch nicht umfassend genug.
Deshalb haben wir hierzu einen Änderungsantrag gestellt. Über die zweite Ziffer des Beschlussteils, die die Strafrahmenergänzung bei den Widerstandshandlungen betrifft, können wir im Ausschuss reden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein ernstes Thema zu fortgeschrittener Stunde, ein wirklich ernstes Thema, dem wir uns gewiss nicht verschließen können und dem wir uns in der ganzen Bandbreite stellen müssen. Gewalt gegen Polizeibeamte ist nicht akzeptabel, insbesondere nicht für uns als Vertreter der Grünen, einer Partei, die noch immer eine Partei der Gewaltlosigkeit ist; denn die Gewaltlosigkeit war eines unserer wesentlichen Gründungselemente.
Wir treten für hundertprozentige Gewaltlosigkeit im Innern ein; denn Gewalt im Zusammenleben der Menschen in unserem Land ist völlig inakzeptabel.
Wir werden das Problem vielseitig bearbeiten müssen und es auf mehreren Wegen zu lösen versuchen. Das, was die Landesregierung bisher beschlossen hat – die dringend notwendige Verbesserung der Schutzausstattung – ist im Sinne von Schutz und Fürsorge für Polizistinnen und Polizisten sicherlich richtig. Das kommt jedoch eher zu spät als zum richtigen Zeitpunkt, und es reicht natürlich nicht aus. Wir müssen – so schwierig es auch ist – das Übel an der Wurzel packen. Dringend notwendig ist eine neue Wertedebatte, und zu dieser Wertedebatte in diesem Land und dieser Gesellschaft überhaupt gehört der Respekt vor Menschen, vor der menschlichen Gesundheit,
Wir müssen darüber diskutieren und in der Gesellschaft deutlich machen, dass alle demokratischen Kräfte in diesem Land uneingeschränkt zu diesen Grundrechten stehen und dass diese selbstverständlich auch für Polizistinnen und Polizisten zu gelten haben. Das halten wir und das halte auch ich persönlich für notwendig.
Herr Minister, Sie haben vorhin in der Debatte über ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot von Hunderten von Projekten und Veranstaltungen pro Jahr zum Thema Prävention und Gewaltvorbeugung gesprochen. Ich sage dazu: Es gibt mittlerweile eine gewisse Konzeptionslosigkeit. Wir haben eine „Projekteritis“: Es werden immer neue Projekte aufgelegt; wir haben wenig Evaluation, wir haben wenig Erfolgskontrolle. Ich glaube, wir müssen uns – vielleicht eignet sich auch eine Fortsetzung der Debatte im Innenausschuss dazu – einmal vornehmen, all diese Präventionsprojekte hinsichtlich Gewalt und auch hinsichtlich Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten zu untersuchen und zu schauen, was wir deutlich verbessern können, was wir mehr in die Fläche tragen können und wo wir bei der Entwicklung junger Menschen im Alltag ansetzen müssen. Ich glaube, da gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf; das können wir heute in der verbleibenden kurzen Zeit nicht vertiefen.
Es sind eben nicht immer nur die einfachen Antworten – mehr Schutzausrüstung oder gar Verschärfung des Strafrahmens –, die hier zum Ziel führen werden; ganz gewiss nicht. Die Aufgabe ist schwieriger und komplexer; sie ist auf mittelfristige Sicht angelegt, aber sie ist auf jeden Fall ernst zu nehmen. Dieser Aufgabe wollen wir uns stellen.
Natürlich gehört der Fußball dazu, Herr Kollege Blenke. Selbstverständlich gehört er dazu. Aber auch hier gibt es keine schnellen Antworten. Das sieht man, wenn man sich das näher anschaut. Ich wohne in der Nähe von Mannheim