Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Änderungsantrag, den die Grünen-Landtagsfraktion heute hierzu vorgelegt hat.
Abschnitt I des Antrags der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/3108, ist ein reiner Berichtsteil, der für erledigt erklärt werden kann.
Zu Abschnitt II dieses Antrags lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/5368, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 14/5382. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Straftaten gegen Polizeibeamte – Druck sache 14/3126
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Auch dieser Antrag ist inzwischen älter als ein Jahr. Die Antworten auf das aufgegriffene Problem sind aber – ich denke, da sind wir uns einig – drängender als je zuvor.
Uns alle, werte Kolleginnen und werte Kollegen, erreichen immer wieder Hinweise seitens der Polizei, dass die Zahl der Gewalttaten, der Straftaten gegen Polizeibeamte steigt.
Ich will die Zahlen einmal benennen: 2008 wurden in BadenWürttemberg 427 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte im Dienst verletzt. Es gab über 2 000 Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte. In fast 800 Fällen waren Polizeibeamte im Dienst oder außerhalb des Dienstes Opfer einer Körperverletzung. Man könnte auch sagen: Jeden Tag gibt es in BadenWürttemberg acht Angriffe auf Polizeibeamte.
Die körperliche Unversehrtheit eines jeden Beamten steht im Prinzip jeden Tag, muss man sagen, auf dem Spiel. Schläge, Tritte, Stöße, Messerattacken sind an der Tagesordnung. Polizeibeamte werden mit Waffen bedroht. Hinzu kommen unzählige Beleidigungen in Richtung Polizei. Polizeibeamte werden bespuckt, angepöbelt. Letztlich kann man sagen: Nicht nur ihr Körper wird im wahrsten Sinn des Wortes verletzt, nein, auch ihre Berufsehre und ihre persönliche Entscheidung, im Namen des Landes in Uniform für die Einhaltung von Recht und Gesetz zu sorgen, wird für sie dadurch immer wie
der infrage gestellt. Diese Verletzungen verursachen nicht nur im Moment des Geschehens Schmerzen und auch Ängste, wenn sich die Polizisten Angriffen ausgesetzt sehen; sie hinterlassen ohne Zweifel auch körperliche und psychische Folgen.
Respekt vor der Polizei, muss man sagen, ist in Teilen der Bevölkerung – man muss da schon ein bisschen differenzieren – nicht mehr vorhanden. Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt insgesamt deutlich nach oben. Die Brutalität der Angriffe steigt, die Hemmschwelle sinkt. Oft, muss man sagen, sind Alkohol und auch Drogen bei diesen Körperverletzungen im Spiel. Meist sind die Täter Jugendliche, aber auch junge Heranwachsende, und in der überwiegenden Zahl sind es männliche Jugendliche und männliche Heranwachsende.
Wir haben auch festzustellen, dass dann, wenn Körperverletzungen vorkommen, die Zahl derer, die der Polizei gegen überstehen, deutlich höher ist als die Zahl der Polizeibeamten. Wir stellen fest, dass dies häufig im Gruppenverband geschieht, dass sogar eine „Sozialisierung“ – diesen Begriff verwende ich dabei nicht gern; „Zusammenrottung“ ist der bessere Ausdruck – stattfindet, z. B. anlässlich einer Kontrolle. Selbst im Streit befindliche feindliche Gruppen rotten sich dann im Zweifel gegen die Polizei zusammen, wenn sie einzuschreiten versucht. In dem Maß, in dem die Kriminalität dieser Gruppe zunimmt, steigt dann auch die Aggression gegenüber unserer Polizei.
Diese Entwicklung – da sind wir uns, glaube ich, völlig einig – muss nicht nur gestoppt werden, sondern sie muss wieder umgekehrt werden. Die Zahlen müssen deutlich zurückgehen.
Ich will da sagen – für die SPD-Fraktion habe ich das schon wiederholt getan –: Wir verstehen es tatsächlich so, dass ein Angriff auf einen Polizeibeamten nichts anderes bedeutet als einen Angriff auf unseren Staat.
Das will ich in dieser Deutlichkeit sagen, damit auch die Brisanz dieser Körperverletzungen deutlich wird.
Wir sind der Auffassung, der Staat muss auch zeigen, dass er so nicht mit sich umspringen lässt. Deshalb sind jetzt auch Taten gefordert. Da gibt es wohl unterschiedliche Überlegungen; das will ich gern anerkennen. Aber ich denke, es ist nicht nur der Mühe wert, sondern wir sind da verpflichtet, entsprechend zu handeln.
Ein paar wenige Punkte – in der kurzen Zeit kann man dieses Thema nicht umfassend abhandeln – will ich nennen.
Man kann feststellen: Während vor 15 Jahren bei Verkehrskontrollen, Herr Minister, in der Regel noch drei Polizei beamte vor Ort waren, sind dies heute höchstenfalls zwei; manchmal ist es auch nur einer, und hier fehlt die Eigensicherung. Häufig erfolgen auch einfach aus Anlass von Fahrzeugkontrollen Aggressivitätshandlungen gegenüber der Polizei. Das muss man leider sagen.
Personalnot führt zu Überstunden, damit auch zu Übermüdung, zu verminderter Umsicht und verminderter Wachsamkeit und auch zu verminderter Reaktionsfähigkeit in bestimm ten Einsatzfällen, wenn man so will, im Moment des Angriffs. Ich verwende da wirklich diese drastischen Begriffe, weil uns die Situationen auch so drastisch von der Polizei geschildert werden.
Deshalb ist es dringend an der Zeit, den Personalabbau bei der Polizei zu stoppen, sowohl im Vollzug als auch im Nichtvollzug. Darüber haben wir häufig diskutiert. Ich denke, da werden sich unsere Standpunkte auch heute nicht einander annähern.
Es gibt aber eine Reihe von Punkten, bei denen ich glaube, dass wir große Übereinstimmung erzielen können.
Es bedarf sicherlich einer speziellen Ausbildung und einer noch verbesserten Ausbildung, um mit solchen Konfliktsituationen umzugehen, die Gefahrenlage rechtzeitig zu erkennen, um dann auch entsprechende Strategien dagegen anwenden zu können.
Dass wir die Ausstattung insgesamt verbessern müssen, will ich auch nur am Rande erwähnen und nicht im Detail darauf eingehen, obwohl es dort auch wirklich auf das Detail ankommt. Ich nenne den neuen Schlagstock, der beschafft worden ist. Er ist bei manchen umstritten. Wir halten das für eine richtige Aktion, weil sie die Möglichkeit bietet, in solchen Situationen eine Distanz zu schaffen. Ich sage aber ausdrücklich: Dies kann nur ein erster Schritt gewesen sein. Praktikable Handschließen sind ein weiteres Beispiel, über das wir uns dringend auseinandersetzen müssen.
Etwas, was Sie von uns wahrscheinlich nicht gewohnt sind, ist das Stichwort Strafverschärfung, das ich hier ausdrücklich erwähnen will, und zwar deshalb, weil für niemanden einzusehen ist, dass eine begangene Widerstandshandlung nur mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden kann, bei Sachbeschädigung aber, z. B. gegen ein Polizeiauto, ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren möglich ist. Das versteht kein Polizist, das verstehe auch ich nicht. Deshalb besteht unseres Erachtens hier dringender Handlungsbedarf.
Darüber, dass die Effizienz des Strafrechts und der Strafverfolgungspraxis eine wesentliche Rolle spielt, sind wir uns – davon gehe ich aus – auch einig. Da hören wir Gutes aus dem Land. Wir hören von Fällen, in denen die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Justiz gut funktioniert. Wir hören vonseiten der Polizei aber auch, dass es beispielsweise Staatsanwälte oder Richter gibt, die sich beim zuständigen Revierleiter melden und fragen, ob eigentlich jede Widerstandshandlung zur Anzeige gebracht werden müsse. Das kann so nicht sein. Ich glaube, da ist seitens der
Politik ein klares Wort in Richtung Strafverfolgungspraxis und letztlich auch in Richtung Strafrecht gefordert.
Es wäre zu überlegen, das gemeinschaftliche Begehen von Widerstandshandlungen stärker zu sanktionieren als bislang, um deutlich zu machen, dass eine solche Solidarisierung mit Gewalttätern Folgen haben muss. Es wäre zu überlegen, für die Ahndung von Körperverletzungsdelikten, die gegen Polizeibeamte außerhalb des Dienstes gerichtet sind, eine besondere Qualifikation einzuführen. Denn auch diese passieren tatsächlich relativ häufig.
Dass der dienstliche Rechtsschutz und die Fürsorge ausgebaut werden müssten, sollte, meine ich, auch nicht umstritten sein. Dass der dienstliche Rechtsschutz, Herr Minister, praxisgerecht ausgestaltet sein muss, halten wir ebenfalls für überlegenswert. Auch da sind wir der Auffassung, dass dann, wenn es darum geht, seitens der Polizei zivilrechtliche Ansprüche gegen Straftäter und Personen, die Widerstand leisten, voranzubringen, auch die Unterstützung des Dienstherrn mehr gefordert wäre als bisher.
Für überlegenswert halten wir, dass der Staat bei rechtskräftig festgestellten zivilrechtlichen Ansprüchen in Vorleistung geht. Denn der Polizeibeamtin bzw. dem Polizeibeamten nützt der Rechtsanspruch nur dann etwas, wenn sie dann tatsächlich die Leistungen erhalten, auf die sie einen rechtlichen Anspruch haben.
Überlegenswert wäre auch das Erwirken von Unterlassungsansprüchen bei öffentlichen Anfeindungen gegenüber der Polizei.
Sie haben es sicher gemerkt: Ich habe häufig den Begriff „überlegenswert“ gewählt. Das ist noch nicht ganz zu Ende gedacht; da gibt es sicherlich auch Feinheiten zu betrachten. Meine Bitte, Kolleginnen und Kollegen, ist daher, dass wir den Antrag zur weiteren Beratung an den Innenausschuss überweisen, damit wir über die von mir genannten Themenkomplexe und das, was ich jetzt als überlegenswert in den Raum gestellt habe, wirklich ausführlich und intensiv diskutieren können. Ich denke, unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten haben einen Anspruch darauf, dass wir uns intensiv mit diesem Thema befassen. Deshalb wäre ich Ihnen für die Überweisung dankbar.