Im Gegenteil, sie konterkariert das Ganze noch – ich erinnere an die Diskussion vor einigen Wochen –,
indem sie gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern nicht einmal gestattet, sich ihre Lebenspartnerschaft in einem normalen Standesamt eintragen zu lassen. Vielmehr wird im Land Baden-Württemberg von einer Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und werden hierzu extra noch die Landratsämter bemüht,
obwohl die Gemeinden mit ihren Standesämtern das viel besser könnten und über das entsprechende Fachpersonal verfügen.
Ausgangspunkt unserer Forderung ist die europäische Rechtsprechung im Anschluss an die entsprechende Richtlinie der Europäischen Union, die die Gleichstellung vorschreibt, soweit bei Lebenspartnern eine vergleichbare Situation wie bei Ehepartnern vorliegt. Das ist nach unserer Auffassung in vielfältiger Weise der Fall; ich komme darauf zurück.
Im Land Baden-Württemberg hat man sich bisher im Gegensatz etwa zum Bund und zu anderen Bundesländern zu keinerlei Regelung in der Lage gesehen. Wir halten das für ein Armutszeugnis für das Land Baden-Württemberg, ein Land, das auf seine liberale Offenheit, auf seine Weltläufigkeit, auf seinen Export, auf die hohe Intelligenz und Tatkraft seiner Beschäftigten sehr viel hält – in der Industrie, in allen Bereichen des Landes. Diese Landesregierung pflegt ein Gesellschaftsbild,
das – so würde ich es ansiedeln – allenfalls dem Lebensgefühl der Bevölkerung in den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts entspricht.
(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei Abgeordne- ten der CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Das kann man nicht sagen! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Maßlos überzogen! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Worüber reden wir dann in 50 Jahren?)
Herr Birk, ich bin davon überzeugt, dass es natürlich auch in Baden-Württemberg noch Leute gibt, die glauben, dass die Erde eine Scheibe ist.
Aber jetzt im Einzelnen: Häufig wird eingewandt, der Schutz von Ehe und Familie stünde entsprechenden Regelungen des Landes entgegen.
Das zieht sich, Herr Finanzminister, wie ein roter Faden durch Ihre Stellungnahme: Es sei kein Handlungsbedarf da, weil eine vergleichbare Situation mit der Ehe nicht vorliege. Häufig wird dafür als Argument angeführt, es gehe bei der Ehe um Unterhaltsfragen, um Kindererziehung, und das sei bei gleichgeschlechtlichen Lebens partnern nicht der Fall. Das ist seit Langem nicht mehr richtig, gesellschaftlich überholt. Wir haben in vielen Lebenspartnerschaften Kindererziehung; das Thema Adoption spielt eine große Rolle.
Diese Argumentation, die sich zum Teil auch in der Rechtsprechung wiederfindet, wird allmählich überholt sein. Es ist an der Zeit, dass das Land Baden-Württemberg überlegt, zu welchen Regelungen es im Einzelnen kommen kann. Das Landesrecht gibt Ihnen hierzu die Möglichkeit, Herr Finanzminis ter. Wir halten viel auf unsere Selbstständigkeit in BadenWürttemberg. Wir haben durch die Föderalismusreform entsprechende Kompetenzen erhalten. Nutzen Sie doch endlich diese Kompetenzen, und machen Sie von der Möglichkeit Gebrauch, hier für Gleichstellung zu sorgen.
Aus der Stellungnahme zu einem Antrag der Grünen geht hervor, dass Sie nicht einmal im Rahmen der Dienstrechtsreform daran denken, hier Gleichstellungsregelungen vorzusehen. Das ist enttäuschend, ein Armutszeugnis für dieses Land – ein Armutszeugnis, weil es dem Lebensgefühl dieser Gesellschaft in Baden-Württemberg seit Langem nicht mehr entspricht.
Ich darf vielleicht einige Hinweise geben. Im Zivilrecht, im Sozialversicherungsrecht, im Sozialrecht, ja sogar im Steuerrecht haben wir viele bundesrechtliche Regelungen, die gerade diese Gleichstellung vorsehen. In Baden-Württemberg geht das nicht. Es geht in Baden-Württemberg nicht, obwohl es in anderen Bundesländern offensichtlich geht. Es geht z. B., was die Hinterbliebenenpension angeht, sogar im Saarland.
Es geht, was die Beihilfe angeht, sogar in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen, im Saarland. All das sind Länder, die nicht gerade sozialdemokratisch geprägt sind – jedenfalls derzeit nicht.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das bleibt noch eine Weile! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Finanzaus- gleich!)
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie brauchen mir die Länder nicht aufzuzählen! Ich kenne sie! – Heiter- keit)
(Beifall des Abg. Jürgen Walter GRÜNE – Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Michael Theurer FDP/ DVP: Können Sie das einmal präzisieren, Herr Kol- lege? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Lie- ber nicht!)
Wir haben in Hamburg ein Anpassungsgesetz, dem die CDU in der schwarz-grünen Koalition zugestimmt hat. Wir haben auch eine Gleichstellung in der Koalitionsvereinbarung, die in Hessen zwischen CDU und FDP geschlossen wurde. Das sind nur einige wenige Beispiele, an denen sich das Land Baden-Württemberg im Interesse der Menschen in diesem Land orientieren könnte. Es wäre vielleicht ein Signal für mehr Liberalität, Offenheit, Weltoffenheit auch in der Gesellschaftspolitik in der Reflexion über ein Lebensgefühl, wie es in diesem Land tatsächlich besteht.
Der von uns allen hoch geschätzte Erwin Teufel hat immer gesagt: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Sie sollten sie auch endlich zur Kenntnis nehmen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann meinem Kollegen Zimmermann durchaus beipflichten, dass es interessantere, spannendere und vielleicht auch bedeutendere Tagesordnungspunkte gibt als den, den wir jetzt beraten.
Das Thema des vorliegenden Antrags lautet: „Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft“. Ich denke, dieser Titel ist nicht ganz treffend. Denn korrekt müsste er meines Erachtens lauten: „Vollständige Gleichstellung von Beamtinnen und Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft in Besoldung und Versorgung“.
Ich denke, Sie sind mit mir einer Meinung, dass es in der Alltagssituation im öffentlichen Dienst keine Unterschiede zwischen Beamtinnen und Beamten, die in einer Ehe leben, und Beamtinnen und Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft gibt. Unterschiede gibt es im Besoldungs- und Versorgungsrecht. Das haben Sie, Herr Stickelberger, sehr deutlich ausgeführt.
Aber ich glaube auch, dass Sie nicht nur in diesem Bereich die Gleichstellung wollen. Das haben Sie auch ausgeführt. Vielmehr wollen Sie im Prinzip in allen Bereichen eine grundsätzliche, eine vollständige rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung dieser beiden Lebensgemeinschaften. Diese Forderung ist durchaus berechtigt, wenn man eine entsprechende Einstellung hat. Es ist auch das Recht jedes Demokraten und jeder Partei, eine solche Forderung zu erheben – zu passenden und manchmal auch zu unpassenden Gelegenheiten.
In diesen Tagen hören wir in Stuttgart sehr viel zu diesem Thema. Am kommenden Samstag wird hier sicher sehr lautstark und sehr illustriert auch auf dieses Thema eingegangen.
Selbst wenn man ein gewisses Verständnis für die Forderung aufbringt, eine vollständige Gleichstellung herbeizuführen: Das Beamtenrecht dazu zu benutzen ist ein Versuch am fal schen Objekt.
Dafür haben wir die Kompetenz. Sie begründen Ihren Antrag auch mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Aber dieses Urteil kann man meines Erachtens hier nicht als Argument anführen. Denn das Urteil bezog sich auf eine Rentenangelegenheit und nicht auf das Beamtenrecht. Da besteht schon noch ein großer Unterschied. Denn das Beamtenrecht verweist auch auf das Familienrecht. Solange in der Besoldung von Beamten nicht nur ein Lohn für Geleistetes, sondern auch eine Alimentation gesehen wird, ist ein Vergleich mit dem Tarif- und Rentenrecht nicht möglich.
Die Alimentation ist ein wesentlicher Faktor im Besoldungs- und Versorgungsrecht der Beamten. Deshalb spielen nicht nur Vorbildung und Tätigkeit, sondern auch Familienstand, Kinderzahl und Lebensalter eine Rolle. Familienrecht hat also eine Bedeutung für das Beamtenrecht.