Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bereits bei der ersten Lesung und im Ständigen Ausschuss habe ich die Haltung der CDU erläutert. Wir werden dem Gesetz und auch dem Modellversuch zustimmen.
Erstens: Bei der elektronischen Fußfessel handelt es sich um einen sehr innovativen Versuch, den Strafvollzug zu modernisieren.
Drittens: Es ist wesentlich humaner, mit einer elektronischen Fußfessel versehen in Freiheit zu sein, als im Gefängnis zu sitzen.
Der renommierte Journalist Heribert Prantl, der ja bekanntermaßen kein Freund der CDU ist, hat auch festgestellt, jede Art, das Gefängnis zu ersetzen, sei zu begrüßen, sofern die öffentliche Sicherheit dadurch nicht bedroht ist.
Viertens: Im elektronisch überwachten Hausarrest wird entweder gearbeitet, eine Ausbildung gemacht oder werden Kinder betreut. Insbesondere Frauen, die Kinder betreuen, können nun von zu Hause aus ihre Familien versorgen.
Fünftens: Es handelt sich hier um einen Modellversuch mit 75 Probanden. Sofern dieser Modellversuch keine guten Ergebnisse zeigt, ist eine flächenhafte Einführung nicht geboten. Bei einer flächenhaften Einführung allerdings sehen wir die Möglichkeit, die Zahl der Haftplätze zu reduzieren und auch keine neuen Gefängnisse bauen zu müssen.
Ferner stellen wir mit dem beiliegenden Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP sicher, dass den Wünschen des Landesbeauftragten für den Datenschutz Rechnung getragen wird.
Die CDU-Fraktion bedankt sich ganz herzlich bei Herrn Jus tizminister Professor Dr. Goll und seinem Haus für die gute Vorbereitung des Gesetzentwurfs und wünscht dem Modellversuch viel Erfolg.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Fußfessel, die Dritte. Wir schließen uns natürlich nicht an.
Bei den Beratungen im Ausschuss hat der Justizminister zur Begründung dieser Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests angeführt, er diene der Kriminalitätsvermeidung. Wer wollte da dagegen sein? Natürlich sind auch wir für Kriminalitätsvermeidung. Nur: Schauen wir uns doch einmal den Personenkreis an, um den es geht. Es geht zum einen um die Personen, die ihre Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen können. Für diese Menschen haben wir bereits ein System zur Haftvermeidung, und zwar ein funktionierendes System zur Haftvermeidung, das es zu stärken gilt.
Die zweite Gruppe sind diejenigen, die zur vorzeitigen Haftentlassung anstehen. Diese Menschen haben doch schon die ganze Hafterfahrung hinter sich, haben doch schon all die negativen Erfahrungen hinter sich. Genau dieser Personenkreis soll dann ein halbes Jahr vorher nach Hause gehen. Dadurch wird keine Kriminalität vermieden; da besteht sogar die Gefahr – und die sehe ich wirklich, weil z. B. die Ehefrau zuvor zustimmen muss, dass der Mann ein halbes Jahr früher nach
Hause kommt und dieses halbe Jahr zu Hause verbringt –, dass es innerhalb der Familien zu erheblichen Problemen kommt.
Wir glauben Ihnen nicht, dass es Ihnen um Kriminalitätsvermeidung geht. Wir wissen, worum es Ihnen geht: Es geht Ihnen um eine weitere Teilprivatisierung im System des Justizvollzugs.
Um nichts anderes geht es. Schauen wir uns einmal die Sys tematik an: Bis jetzt ist unser deutsches Strafrecht auf zwei Sanktionsformen beschränkt.
Wenn sich jemand strafbar gemacht hat, bekommt er entweder eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe. Wenn er eine positive Prognose hat, bekommt er die Haftstrafe zur Bewährung, wenn er eine negative Prognose hat, ohne Bewährung.
Das, was Sie jetzt einführen, dieses zusätzliche Instrument, dieser Hausarrest, ist eine neue Form der Sanktion. Diese neue Form der Sanktion entzieht sich aus meiner Sicht auch unserer Zuständigkeit. Vor allem aber ist es eine neue Form der Sanktion, die sich völlig unterschiedlich auf die einzelnen Straftäter auswirkt, je nachdem, wie sie sozial situiert sind. Deswegen lehnen wir dieses System ab.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat schon im Vorgriff auf die heutige Debatte Bezug genommen. Da schreibt der Autor in der Überschrift: „Nicht ganz Recht, aber billig“. Er meint damit Ihren elektronisch überwachten Hausarrest.
(Abg. Bernd Hitzler CDU: Das andere auch vorlesen! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU und Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP: Alles vorlesen!)
Dieser Hausarrest hat nämlich nichts anderes zum Ziel, als dass private Firmen mit der Überwachung von Arrestierten auch noch Geld verdienen sollen. Ja, wo kommen wir denn da hin?
Wenn es um Haftvermeidung und Resozialisierung geht, möchte ich in diesem Zusammenhang einmal den Kollegen Oelmayer aus der letzten Debatte zitieren.
Da hat er absolut richtig gesagt: „Menschen können den Gang in die Freiheit besser begleiten als Fußfesseln, als jedes technische Gerät.“ Da hat er absolut recht.
Menschen brauchen wir, wenn wir Leute wieder aus der Kriminalität herausholen und resozialisieren wollen.
Aus diesem Grund lehnen alle Justizsenatoren bzw. -minister außerhalb Baden-Württembergs, also alle, die Hochdeutsch sprechen, das ab. Die sagen: Wir belohnen doch nicht Leute, die bei „Schwitzen statt Sitzen“ nicht mitmachen, indem wir denen dann erlauben, zu Hause in ihrer Wohnung zu sitzen und die Zeit dort abzusitzen.
Ich möchte ein weiteres Zitat bringen, das heute von der dpa zum Thema Fußfessel aus dem Ticker gekommen ist. Da hat sich die Deutsche Polizeigewerkschaft zu Wort gemeldet; auch Konrad Freiberg hat sich also das baden-württembergische System angeschaut. Ich zitiere:
Als Einfallstor zur Privatisierung des Strafvollzugs hat die Gewerkschaft der Polizei die Einführung einer elektronischen Fußfessel in Baden-Württemberg bezeichnet.
Meine Damen und Herren, wir haben zwei Änderungsanträge vorliegen. Der eine stammt von den Regierungsfraktionen; mit diesem Antrag wird versucht, dem Anliegen des Datenschutzbeauftragten Rechnung zu tragen. Er kommt aber nicht in vollem Umfang dem Wunsch des Datenschutzbeauftragten nach. Wir lehnen diesen Änderungsantrag ab.
Bei dem Antrag der Fraktion GRÜNE, sicherzustellen, dass, wie es der Datenschutzbeauftragte gefordert hat, die für die elektronische Aufsicht zuständige Stelle eine Dienststelle der zuständigen Justizvollzugsanstalt zu sein hat, enthalten wir uns. Wir könnten natürlich zustimmen, wenn wir das Gesetz insgesamt für schlüssig halten würden. Aber da wir das nicht tun, können wir uns nur enthalten.