Protocol of the Session on July 8, 2009

Ich rufe auf

Artikel 3

Überleitungsvorschriften

Wer Artikel 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diesem Artikel einstimmig zugestimmt.

Ich rufe auf

Artikel 4

Inkrafttreten

Wer Artikel 4 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diesem Artikel einstimmig zugestimmt.

Die Einleitung

lautet: „Der Landtag hat am 8. Juli 2009 das folgende Gesetz beschlossen:“.

Die Überschrift

lautet: „Gesetz zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes“. – Sie stimmen der Überschrift zu.

Wir kommen zur

S c h l u s s a b s t i m m u n g

Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieses Gesetz einstimmig beschlossen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 5 beendet.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über elektronische Aufsicht im Vollzug der Freiheitsstrafe (EAStVollzG) – Drucksache 14/4670

Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: Nach der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung erfolgt eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.

Ich darf für die Landesregierung Herrn Justizminister Professor Dr. Goll das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren haben wir das baden-württembergische Jugendstrafvollzugsgesetz hier beraten und beschlossen. Es ist ein gutes und innovatives Gesetz geworden.

Heute legen wir Ihnen einen weiteren innovativen Entwurf zur Gestaltung des Strafvollzugs vor, nachdem bekanntlich die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug beim Land ist. Mit diesem Vorschlag zum elektronisch überwachten Haus arrest oder jedenfalls zur elektronischen Überwachung folgen wir im Grund genommen Erfahrungen und Erkenntnissen, die in sehr vielen europäischen Ländern gesammelt wurden. Die se Möglichkeiten haben sich dort bereits in breitem Umfang entweder schon bewährt oder sind gerade in der Erprobung in breit angelegten Modellversuchen. Wir wollen diese Möglichkeit nutzen, die Möglichkeit auch eines Strafvollzugs, der den Gefangenen nicht aus den gewohnten sozialen Bezügen herausreißt. Ich sage schon jetzt, dass diese Möglichkeit nicht zuletzt auch straffällig gewordenen Frauen zugutekommen wird. Ich darf auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen.

Wir schlagen mit diesem Gesetz ein neues Kapitel in der Entwicklung des baden-württembergischen Strafvollzugs auf. Es ist ganz klar, dass es da immer auch Diskussionen und Pro und Kontra gibt. Ich möchte hier nicht auf alle Argumente eingehen, sondern Ihnen umgekehrt sagen, was wir vorhaben. Im Zusammenhang damit kann man sich sicher mit dem einen oder anderen Einwand, den ich in der Vergangenheit gehört habe, auseinandersetzen.

Reden wir über die drei Anwendungsfälle, die gemeint sind:

Zum Ersten geht es um Ersatzfreiheitsstrafen. Da möchte ich eines klarmachen: Wir wollen damit dem Modell „Schwitzen statt Sitzen“ nicht im Mindesten Konkurrenz machen. Es geht nicht darum, jetzt weniger „Schwitzen statt Sitzen“ zu praktizieren, sondern wir haben dieses Modell „Schwitzen statt Sitzen“, nämlich gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe, mit Unterstützung des Landtags in den letzten Jahren nur hochgezogen und erweitert. Das ist der richtige Weg. An diesem Weg wird sich auch gar nichts ändern, dass wir jedem, der seine Geldstrafe nicht bezahlen kann, gemeinnützige Arbeit anbieten wollen, wenn ein Bedarf und die Möglichkeit dazu bestehen. Trotzdem bleibt eine relevante Zahl von Anwendungsfällen für einen elektronischen Hausarrest übrig. Ich nenne drei Fälle:

Erstens: Es geht um Ältere, und es geht um Menschen, die typischerweise nicht in der Lage sind, die Anforderungen zu er

füllen, die die gemeinnützige Arbeit stellt. Unter Umständen kann das das Herausrupfen von Unkraut am Steilhang sein. Schauen Sie sich einmal die Arbeitsgruppen an. Man muss körperlich fit sein, aber nicht jeder von der Klientel, um die es geht, ist körperlich fit.

Zweitens: Natürlich geht es um Leute, die einen Arbeitsplatz haben und diesen nicht verlieren sollen. Sie kommen in den elektronisch überwachten Hausarrest und gehen von dort zur Arbeit und wieder zurück.

Jetzt kommt die dritte Zielgruppe. Die dritte Zielgruppe sind Frauen. Schauen Sie sich unseren Gesetzentwurf an. Im elektronisch überwachten Hausarrest wird entweder gearbeitet, eine Ausbildung gemacht oder werden Kinder betreut. Mit dem elektronisch überwachten Hausarrest gewinnen wir die Möglichkeit, dass Frauen, die sonst – auf Deutsch gesagt – ins Gefängnis gehen und von der Familie getrennt würden, zu Hause ihre Familien versorgen können. Überlegen Sie sich deshalb gut, wie Sie zu diesem Punkt Stellung nehmen.

Es gibt einen sinnvollen Anwendungsbereich. Ich sage noch einmal: Es geht nicht um eine Konkurrenz für „Schwitzen statt Sitzen“, sondern um eine sinnvolle Ergänzung. Die Zielgruppe dürfte nicht uninteressant sein. Bei Frauen haben wir immer wieder Fälle gehabt, bei denen wir eigentlich nicht gerne zugesehen haben, dass die Betroffenen in den normalen Strafvollzug gekommen sind mit der Folge, dass die Kinder die eigentlich Bestraften waren.

Der zweite Anwendungsfall, die sogenannte Entlassungsfreistellung, betrifft den Übergang vom Vollzug der Freiheitsstrafe in die Freiheit. Wir haben längst erkannt, dass das ein kritischer Punkt ist. Wenn Sie jemanden, der aus dem Strafvollzug in die Freiheit kommt, ohne ein, wie ich es nenne, gewisses Übergangsmanagement in die alten Zustände und Situationen entlassen, haben Sie es nicht richtig gemacht, haben Sie nicht genug getan, um neue Kriminalität zu verhindern. Deswegen haben wir mithilfe der Stiftung Betreuungsprogramme durchgeführt, um das sogenannte Entlassungsloch zu überbrücken. Eine sehr gute Möglichkeit, den Übergang zwischen Vollzug der Freiheitsstrafe und Freiheit zu gestalten, bietet natürlich der elektronisch überwachte Hausarrest, weil man da in eine geordnete Tagesstruktur, zur Familie zurückkommt, aber sich noch nicht so frei bewegen und sofort in das Milieu zurückkehren kann. Man hat die Möglichkeit, sich eine Zeit lang zu besinnen und sich daran zu gewöhnen, was auf einen in der Freiheit zukommt. Davon verspreche ich mir einiges.

Der dritte Anwendungsfall hat mit Hausarrest nichts zu tun. Er betrifft im Grunde genommen die elektronisch überwachte Lockerung. Dabei geht es um Lockerungen bei Tätern, bei denen man sich hinsichtlich der Rückfallgefahr nicht sicher ist. Nach dem Prinzip der Freiwilligkeit kann man dann zu diesen sagen: Wenn du die Fußfessel trägst, ist es zu verantworten, dass du einmal einen Wochenendurlaub bekommst.

Ich halte diese drei Fälle für wirklich sinnvolle Fortentwicklungen des jetzigen Strafvollzugs. Aus den Erfahrungen anderer Länder zeichnet sich schon ab, dass der Hausarrest in diesen Fällen nicht nur schädliche Wirkungen verhindert – natürlich gibt es „biografische Vollzugsschäden“; das wissen wir –, sondern dass er hinsichtlich der Tagesstruktur etwas Posi

tives bewirkt, da es strukturierende Begleitprogramme gibt. Vielleicht kann man es auch einfacher ausdrücken: Man bekommt Ordnung in seinen Tag und dessen Ablauf hinein. Bei den Personen der Zielgruppe, über die wir sprechen, ist ein großes Problem, dass sie keinerlei Tagesstrukturen, keine Ordnung in ihrem Leben haben. Das kann man mit einem solchen Hausarrest eigentlich sehr gut vermitteln.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Der heute vorgelegte Gesetzentwurf soll die Rechtsgrundlage für modellhafte Erprobungen sein. Wir werden für jeden der drei Bereiche eine Gruppe mit je 25 Betroffenen bilden, die dafür infrage kommen. Wir werden das vier Jahre lang ausprobieren. Wir werden anschließend gemeinsam mit dem Innenministerium die Ergebnisse auswerten. Danach wird zu entscheiden sein, ob die elektronische Aufsicht dann endgültig ein fester Bestandteil unseres Vollzugssystems im Lande wird.

Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig und an der Zeit ist, diese Möglichkeit einmal zuverlässig daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht eine endgültige Bereicherung unseres Strafvollzugssystems in BadenWürttemberg sein könnte. Deswegen bitte ich Sie, den Gesetzentwurf als Grundlage für die Durchführung eines Modellversuchs wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und im Ständigen Ausschuss mit mir eingehender zu diskutieren.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hitzler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit dem 1. September 2006 besitzen die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug. Dieser Gesetzentwurf sieht nun ausschließlich vollzugliche Lösungen vor. Deshalb sind wir auch berechtigt, zu regeln. Wir sehen bei diesem Gesetzentwurf keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wir greifen nicht in das Sys tem der Sanktionen ein.

Während in zahlreichen Ländern der Welt der elektronisch überwachte Hausarrest – volkstümlich Fußfessel genannt – üblich ist, gab es in Deutschland bisher nur einen Modellversuch in Hessen. Im Rahmen des jetzigen Modellversuchs sollen nun 75 Probanden einbezogen werden.

Was spricht dafür? Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die absoluten Kosten niedriger sind als im herkömmlichen Vollzug im Gefängnis. Hier haben wir Spannen zwischen 14 € und 70 € am Tag, im normalen Vollzug sind es 75 € am Tag.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Es geht nicht ums Geld, sondern um das Vollzugsziel!)

Wir gehen auch davon aus, dass man Haftplätze einsparen kann und somit auch keine neuen Gefängnisse gebaut werden müssen. Täter, die eine Geldstrafe bekommen, diese nicht bezahlen können, dafür eine Ersatzfreiheitsstrafe bekommen und damit ins Gefängnis müssen, gehören eigentlich nicht unbedingt dort hin.

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass es kaum negative Erfahrungen gibt. Vor allem wird eine gewisse Stigmatisierung und Entsozialisierung gegenüber dem herkömmlichen Vollzug vermieden. Der Minister hat vorhin klar gesagt, dass es insbesondere für die Frauen sehr positiv ist, wenn sie dann zu Hause die Kinderbetreuung durchführen können.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Na dann! – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Zu den Frauen sage ich noch etwas!)

In der Anhörung gab es überwiegend positive Stellungnahmen. Die in den Regierungsentwurf übernommenen Vorschläge finden unsere Zustimmung. Ob letztendlich eine Kostenbeteiligung der Gefangenen gefordert wird, ist eine sehr interessante Frage. Wir stimmen derzeit denen zu, die meinen, dass man sie nicht fordern soll, weil die meisten Gefangenen wenig Geld haben. Andererseits ist es aber auch nicht völlig abwegig, dass jemand, der arbeiten kann, auch einen kleinen Kostenbeitrag leisten könnte.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf und dem Modellversuch zu. Wir hoffen auf positive Erfahrungen, um die elektronische Aufsicht später vielleicht flächendeckend einzuführen.

Noch ein klares Wort zum bewährten Programm „Schwitzen statt Sitzen“: Dieses wird nicht gefährdet. Ich darf daran erinnern, dass wir erst vor Kurzem den Haushaltsansatz von 1,1 Millionen € auf 1,615 Millionen € erhöht haben. Nicht der Generalstaatsanwalt ist der Haushaltsgesetzgeber, sondern das sind wir, das Parlament.