Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, stellen Sie sich den Realitäten, und fürchten Sie sich nicht vor den Ergebnissen eines Armuts- und Reichtumsberichts! Denn nur dann können wir zielgerichtet und konsequent Maßnahmen ergreifen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jetzt könnte man diese Debatte ein bisschen wie bei „Dinner for one“ abtun: „Same procedure“ wie in jeder Plenardebatte.
Wenn man auf die Seite der Regierungsfraktionen schaut, dann sind wir nach Ihren Ausführungen in Baden-Württemberg – wie immer – auf einem guten Weg, dann sind wir schon nahezu spitze.
Die alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten kann, empfindet Ihre Argumentation – so empfinden wir es auch; Sie wissen, dass wir über Tausende von Kindern sprechen – nur als zynisch, ja geradezu als menschenverachtend.
All die strukturellen Fortschritte, die Sie zur Verbesserung der Situation von Familien und zur Armutsvermeidung erreicht haben – Ganztagsschule, Ausbau der Kleinkindbetreuung –, beruhten jeweils auf Nachhilfeunterricht durch eine rot-grüne bzw. rot-schwarze Bundesregierung.
Wenn ich mir im Bereich „Frühe Hilfen“ Ihr Gemurkse bei der Sprachförderung, bei der Einführung des Orientierungsplans anschaue, dann kann ich Ihre Ausführungen wirklich nur als fern der Realität bezeichnen. Ich kann Ihnen nur sagen: Hochmut, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ja, ich darf auch noch einmal. Ich habe auch noch ein paar Sekunden Redezeit übrig. Deswegen will ich schon noch einmal auf zwei, drei Punkte eingehen.
Liebe Kollegin Lösch, davon, Probleme kleinzureden, kann, glaube ich, keine Rede sein. Ich denke, ich habe die Aufgaben vorhin deutlich definiert, denen wir – im Übrigen nicht nur die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt – uns zu widmen haben, und zwar völlig ohne Frage. Die Gruppen, um die es uns gezielt gehen muss, brauche ich jetzt wohl nicht noch einmal zu nennen.
Ich glaube, die Ministerin hat vorhin auch noch einmal sehr deutlich gemacht, was das Land Baden-Württemberg bzw. die Landesregierung mit Unterstützung der Regierungsfraktionen dafür in der Vergangenheit bereits getan hat und in der Zukunft tun wird.
Deswegen nochmals zur Forderung nach einem Armutsbericht: Wir fürchten einen solchen Bericht nicht. Wir sehen nur seinen Sinn nicht ein,
oder, um es deutlich zu sagen, wir halten das für Geldverschwendung. Denn was soll uns ein solcher überalterter „Zahlenfriedhof“ nutzen? Das Betrachten der aktuellen und konkreten Zahlen, der aktuellen konkreten Entwicklungen ist sehr viel sinnhafter und liefert eine sehr viel bessere Basis für politisches Handeln.
„The same procedure as every year“, „zynisch“, „menschenverachtend“ – ich denke, wer mich kennt, wird mir eine solche Haltung garantiert nie unterstellen,
nicht persönlich und sicherlich auch nicht in der Politik. Ich will aber schon noch einmal auf die Fakten zurückkommen.
Die Armut für Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren, also die Schwelle von 60 % des Medianeinkommens – unterhalb dieser Grenze gilt der entsprechende Haushalt als armutsbedroht – lag im Jahr 2006 in der Bundesrepublik bei 934 €, in Baden-Württemberg dagegen bei 1 057 €. Hinzu kommen alle Leistungen, die es auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg noch gibt: freier Eintritt in die Bäder, Schulhilfen etc. Ich glaube, die Ministerin hat sehr deutlich gemacht, worum es bei Armut in Baden-Württemberg konkret geht: um die Frage der Teilhabe, aber natürlich nicht um die Existenzbedrohung. Das, glaube ich, sollten wir alle schon zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge.
Der Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/2565, ist ein reiner Berichtsantrag und kann insofern für erledigt erklärt werden.
Abschnitt I des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 14/2851, ist ein Berichtsantrag. Dieser kann ebenso für erledigt erklärt werden.
Über Abschnitt II dieses Antrags muss abgestimmt werden. Wer Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/2851 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Abschnitt II dieses Antrags ist mehrheitlich abgelehnt.
Abschnitt I des Antrags der Fraktion der CDU, Drucksache 14/2872 (geänderte Fassung), ist ein Berichtsantrag. Dieser kann für erledigt erklärt werden.
Über Abschnitt II dieses Antrags haben wir abzustimmen. Wer Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/2872 (geänderte Fas- sung) zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Abschnitt II dieses Antrags ist mehrheitlich angenommen.
Meine Damen und Herren, auf der Zuhörertribüne hat inzwischen der Botschafter der Republik Ungarn, Herr Dr. Sándor Peisch, Platz genommen. Er wird begleitet vom ungarischen Honorarkonsul in Stuttgart, unserem ehemaligen Kollegen Rolf Kurz.
Herr Botschafter, ich darf Sie hier im Landtag von BadenWürttemberg herzlich willkommen heißen, und ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Umweltministeriums – Zukunft der Wasserversorgung in Baden-Württemberg – Drucksache 14/2591
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Werte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, über den wir heute sprechen, ist gut ein Jahr alt. Er bezieht sich auf eine Mitteilung der Kommission, bei der sie Auslegungsfragen für öffentlichprivate Partnerschaften geschildert und beantwortet hat. Ich füge gleich zu Beginn hinzu: Dieser Antrag ist trotz des zeitlichen Versatzes hochaktuell und auch relevant für dieses Haus.
Das sieht man allein daran, dass wir, wenn wir in diesen Tagen und Wochen in die Zeitungen schauen, bemerken, dass die Kommunen sich um Fragen der Wasserversorgung kümmern, an der Spitze die Stadt Stuttgart, die die Rekommunalisierung ihrer Wasserversorgung auf Initiative der Fraktion der SPD und auch der Fraktion der CDU betreibt, und zwar bis hin zu der Frage, ob es in Stuttgart wieder eigene Stadtwerke geben soll.
Gesetzlich hat sich in diesem Jahr nichts geändert. Was sich geändert hat – das zeigt das eben geschilderte Beispiel –, ist die gesellschaftliche Sensibilisierung für Fragen der Wasserwirtschaft. Damit sind wir auch bei einem Thema, das über die Wasserwirtschaft hinausgeht: Was ist öffentlich, was ist nicht öffentlich bei dem, was in unserer Daseinsvorsorge geschieht?
Deshalb kommt die Debatte zur rechten Zeit. Es geht nicht nur um Europarecht – natürlich geht es auch darum –; es geht darum, was das Land als seinen Anteil beitragen kann, um eine aus unserer Sicht fatale Entwicklung zu bremsen.
In der Sache geht es um folgende Fragestellungen: Soll die Versorgung mit Wasser eigentlich dem europäischen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechtsregime unterworfen werden? Gilt das, was wir gemeinsam als Fortschritt im Lissabonner Vertrag feststellen können, nämlich dass das Bekenntnis zur kommunalen Selbstverwaltung erstmals, in einer Fußnote, hinterlegt worden ist, auch für die Auslegung? Gilt der Lissabonner Vertrag auch für die Europäische Kommission in ihrer Praxis der Kommentierung und Beeinflussung der Daseinsvorsorge, etwa in Fragen der Wasserversorgung, also bei den jeweiligen Kulturen und Rechtsverständnissen? Bei dieser Frage geht es um Subsidiarität im wohlverstandenen Sinne.
Was ist der Vorgang? Die Kommission legt das Recht so aus, dass bei Beteiligung von Privaten an Zweckverbänden die Aufgabe der Wasserversorgung dem Wettbewerb und damit Ausschreibungen unterliegt. Sie legt in ihrer Kommunikation nahe, dass in der interkommunalen Zusammenarbeit, also in der Regel bei Zweckverbänden, auch die Beteiligung von Privaten dazugehöre.