Protocol of the Session on May 13, 2009

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das kann sich die SPD nicht vorstellen!)

Ich weiß, wie die beiden Regierungsfraktionen über die Quote denken. Aber eines kann ich versichern: Hätten wir sie, würde ganz schnell ein Druck entstehen, Frauenförderung in der Wissenschaft sehr ernst zu nehmen. Gerade in Wissenschaft und in Forschung bringt die individuelle Förderung durch Professoren oft einen ganz entscheidenden Karriereschub für junge Leute. Hätten wir da mehr Frauen, die sich – das würden sie mit Sicherheit tun – mehr für die Förderung der weiblichen Nachwuchskräfte einsetzen würden, dann hätten wir eine gute Chance, da kräftig aufzuholen.

Die Landesregierung strebt nach ihren eigenen Aussagen zumindest mittelfristig das sogenannte Kaskadenmodell an, wonach der Frauenanteil in einem Fach auf allen Qualifikationsebenen gleich hoch sein und im wissenschaftlichen Bereich mindestens 30 % betragen soll. Mit einer Quote ließen sich solche Zielvorgaben wesentlich schneller erreichen. Wir könnten dann zu Recht sagen: Auch bei der Frauenförderung ist Baden-Württemberg spitze.

Zumindest bei den Berufungsverfahren würde uns eine quotierte Bewerberliste mit Sicherheit weiterbringen. Andere Bundesländer haben eine solche quotierte Bewerberliste. Die geben nämlich vor, dass es drei weibliche und drei männliche Bewerber geben müsse. Wenn keine quotierte Liste vorliegt,

bleibt das Bewerbungsverfahren erst einmal liegen. Was passiert dann in diesen Ländern? Man fängt an, nach qualifizierten Frauen zu suchen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Genau!)

Wo findet man die?

(Abg. Ute Vogt SPD: In der SPD!)

Die findet man in Baden-Württemberg. Von hier werden die nämlich abgeworben. So viel zur Schutzbehauptung, es gäbe zu wenig geeignete Frauen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Sie hatten reichlich Redezeit.

Nur noch einen Satz: Das Ministerium schlägt ja in diesem Punkt eine Reihe von Maßnahmen vor, wie z. B. die Sensibilisierung des Vorsitzenden einer Berufungskommission, und bietet sogar noch Geld für Schulungen an. Aber das sind letzten Endes Peanuts. Man muss viel früher, vor den Berufungsverfahren, ansetzen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Ende.

Man muss auch, um Frauen zu werben, schon in der Schule ansetzen. Dazu werde ich im zweiten Teil noch etwas sagen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Dr. Monika Stolz.

(Abg. Ute Vogt SPD: Jetzt ist fertig! Wir wollen ir- gendwann einmal heim! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Danach langt’s!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Förderung der Chancengleichheit ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Dieses Ziel können wir aber nur gemeinschaftlich erreichen. Es ist keine Alibiangelegenheit. Aber es ist ein Thema, bei dem wir – ich gebe es gerne zu – viel Geduld brauchen. Auch ich würde mir bei vielen Fragen manchmal ein schnelleres Tempo wünschen. Aber das ist ein Prozess, der auch Veränderungen in den Köpfen erfordert. Gesetze allein bringen hier nicht die große Schnelligkeit. Ich glaube, da müssen wir ehrlich bleiben.

Wir haben mit dem, was in unseren Möglichkeiten liegt, mit unseren gleichstellungspolitischen Arbeitsprogrammen gute Erfahrungen gemacht. Wir haben für diese Legislaturperiode mit dem Aktionsprogramm Chancengleichheit einen umfassenden Handlungskatalog vorgegeben. Einiges, was wir dabei anpacken, will ich kurz nennen, und zwar die Projekte „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ und „Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Betreuung und Pflege“. Dabei geht

es darum, Frauen und Männer im Beruf zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit zu schaffen.

Das Thema Kleinkindbetreuung, das wir mit großem Engagement verfolgen, gehört ebenfalls in diesen Bereich. Auch durch die Verbesserung der öffentlichen Betreuungsinfrastruktur und erweiterte Möglichkeiten der Teilzeit- und Telearbeit wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kontinuierlich und spürbar verbessert. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten und Telearbeiterinnen und -arbeiter hat sich in den vergangenen drei Jahren deutlich erhöht.

Auch der Anteil der Frauen in Führungs- und Leitungsfunktionen hat sich seit 2005 gesteigert; die gesetzlichen Vorgaben werden in der Tat umgesetzt. Ich gebe gern zu, dass die Steigerung in einigen Bereichen durchaus hätte höher ausfallen können. Im Falle der Unterrepräsentation von Frauen wird eine paritätische Besetzung angestrebt. Jetzt kann man natürlich fordern – und ich denke, es ist auch richtig, dass die Opposition darauf hinweist –, dass vielleicht alles viel schneller gehen könnte.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Haben wir nicht ge- macht!)

Ich darf, wenn es erlaubt ist, einen Artikel aus der heutigen Ausgabe des „Handelsblatt“ zitieren:

Die SPD will mehr Frauen als Chefs – nur nicht in den eigenen Ministerien.

(Heiterkeit der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Männer dominieren bei beamteten Staatssekretären, Abteilungs- und Referatsleitern.

Es geht darum, dass die SPD nach ihrem Wahlprogramm die Frauen verstärkt fördern und in Führungspositionen einsetzen will. Jetzt schreibt der Autor hier, dass man in den SPD-geführten Ministerien Frauen in Führungspositionen mit der Lupe suchen müsse.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Oh, oh, oh!)

Er schreibt weiter, dass die SPD seit elf Jahren in der Regierungsverantwortung ist.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Oh, oh, oh!)

Offensichtlich ist dieses Thema wirklich nicht so einfach. Wir haben unser Chancengleichheitsgesetz seit 2005, nicht seit elf Jahren, aber wir können doch feststellen, dass wir gerade in den Führungsetagen eine Erhöhung des Frauenanteils erreichen konnten. Darauf können wir stolz sein, wobei wir da wirklich noch nicht am Ende sind. Ich will das nicht gutreden.

Bei Beförderungen und bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten erfolgt auch eine chancengleiche Personalpolitik, natürlich unter Berücksichtigung von Eignung, Leistung und Befähigung. Ich denke, das ist auch wichtig. Wir haben einen Anspruch und wollen auch in der Landesverwaltung Vorbild sein.

Nun ist die Sonderregelung für Gemeinden und Landkreise im fünften Abschnitt des Chancengleichheitsgesetzes angesprochen worden. Wir wollen die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungshoheit der Kommunen respektieren und berücksichtigen. Die Frage, wie die entsprechenden Aufgaben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltungshoheit wahrgenommen werden und welche Strukturen sinnvoll und notwendig sind, liegt im Entscheidungs- und Verantwortungsbereich der Kommunen. Sie müssen ihrem grundgesetzlich verankerten Auftrag nachkommen, ohne dass das Land weiter gehende Verpflichtungen für die Bestellung einer kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten vorschreibt.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: 2011 berechnen wir das hier anders!)

Wir begleiten allerdings die Kommunen bei der Umsetzung des Chancengleichheitsgesetzes fachlich. Wir wollen diese Aufgabe befördern. Es gibt ganz konkrete Unterstützungsmaßnahmen wie die Herausgabe eines Handbuchs, Best-Practice-Beispiele, Workshops und Seminare. Auch die Empfehlungen zur Aufstellung eines kommunalen Chancengleichheitsplans vom 9. Februar 2009 sind angesprochen worden. Das sind die Möglichkeiten von uns, die Kommunen auf ihrem Weg zu begleiten, Chancengleichheitspläne aufzustellen und ihrer gesetzlichen Aufgabe nachzukommen.

Weiterhin ist es wichtig, dass wir auf aktuelle Daten zurückgreifen und auf einer solchen Datenbasis argumentieren können. Wir wollen diese Datenbasis in der Tat aktualisieren. Deshalb haben wir bereits im Februar dieses Jahres vereinbart, eine gemeinsame Umfrage durchzuführen, die allerdings, um einen ausreichenden zeitlichen Abstand zum November 2007 zu erhalten, sinnvollerweise erst im Jahr 2010 durchgeführt wird. Ich bin davon überzeugt, dass diese Umfrage weitere Fortschritte zeigen wird.

Der Hochschulbereich ist angesprochen worden. Hier hat sich auch etwas getan. Der Anteil an Professorinnen hat sich in den letzten zehn Jahren auf ca. 14 % verdoppelt.

(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP)

Das heißt aber nicht, dass wir in unseren Anstrengungen nachlassen sollten, diesen Anteil weiter zu erhöhen.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die starke Unterrepräsentanz von Frauen im Wissenschaftssystem strukturell bedingt ist. Sie hängt nur bedingt damit zusammen, dass Frauen durch die Kinderbetreuung zeitweise aus dem Berufsleben treten. Frauen haben es auch in Fächern, in denen es viele Studentinnen und weibliche Promovierende gibt, schwer, eine Professur zu erlangen. Das ist schon angesprochen worden. Um hier erfolgreicher zu werden, wollen wir die Zahl der Frauen in den Hochschulgremien kontinuierlich weiter erhöhen, wie wir das mit den Gesetzesnovellen im Hochschulbereich in den letzten Jahren begonnen haben.

An den Hochschulen wollen wir mittelfristig einen Frauenanteil von 30 % auf allen Ebenen und in allen Fächern erreichen. Es ist in der Tat so, dass in Baden-Württemberg die Chancen eines männlichen Hochschulabsolventen, später Professor zu werden, siebenmal so groß sind wie die einer Hochschulabsolventin, Professorin zu werden. Das müssen wir wirklich ändern und verbessern.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann macht ein- mal!)

Die Maßnahmen richten sich auf vier Tätigkeitsfelder aus. Das ist zum einen die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere. Die Karriere beginnt mit dem Studium. Deshalb haben wir mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich zahlreiche Erleichterungen für Studierende mit Kind ge schaffen. Mit dem Kinderbetreuungsprogramm schaffen wir adäquate Kinderbetreuungseinrichtungen. Mit den SchliebenLange-Programm unterstützen wir Frauen dabei, ihre wissenschaftliche Karriere fortzusetzen, auch wenn sie ein Baby bekommen.

Das zweite Maßnahmenbündel, das wichtig ist, ist die Nachwuchsförderung. Das Margarete-von-Wrangell-Programm ist schon angesprochen worden. Ergänzend dazu unterstützen wir die Wissenschaftlerinnen bei ihrer Karriere mit einem Mentoring- und Trainingsprogramm. Um erfolgreiche Frauen aus der Wirtschaft für eine Professur zu interessieren, finanzieren wir auch das Mathilde-Planck-Lehrauftragsprogramm.

Als drittes Maßnahmenbündel stärken wir die Gleichstellungsarbeit. Durch eine konsequente Genehmigungspraxis bei der Struktur- und Entwicklungsplanung und einer Beteiligung der Hochschulen am Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder haben bereits viele Hochschulen hochwertige Gleichstellungskonzepte erarbeitet.

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Warum stehen wir dann so schlecht da?)

Dadurch wurden auch Strukturveränderungen angestoßen. Auch die ausländischen Gutachter haben bei der Exzellenz initiative den Stellenwert der Gleichstellung an den Hochschulen erhöht.

Da in den nächsten zehn Jahren durch die altersbedingte Fluktuation 30 % aller Professuren neu besetzt werden, ist es wichtig, dass bei den Berufungen künftig noch aktiver nach geeigneten Frauen gesucht wird.

Das vierte Maßnahmenbündel: Wir arbeiten kontinuierlich daran, den Anteil an Studentinnen in den technischen Studiengängen zu erhöhen.