Protocol of the Session on May 13, 2009

Unsere Energiepolitik wurde mit der der 15 anderen Bundesländer verglichen, und zwar von führenden Wissenschaftlern, meine Damen und Herren, nämlich von der Agentur für Erneuerbare Energien, vom DIW Berlin und vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung. Die Bewertung: In Bezug auf die Wärmeenergie heißt es, dass die Anstrengungen des Landes und die Erfolge beeindruckend sind: Platz 1 für Baden-Württemberg; Rheinland-Pfalz unter „ferner liefen“ auf Platz 8; Berlin auf dem letzten Platz.

Deswegen muss ich sagen, und deswegen kann man auch klar sagen: Unser Energiekonzept ist ambitioniert. Es ist nach Meinung aller Wissenschaftler in Deutschland führend. Es ist gut. Deswegen stimmen wir diesem Energiekonzept zu und begrüßen es. Die Vorschläge, die Sie machen, sind dagegen rein populistisch und – siehe Biomasse – in der Realität überhaupt nicht umsetzbar.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Natürlich! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Nemeth, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Abg. Knapp?

Herr Knapp, gern, wenn Sie sich knapp halten.

Herr Kollege Nemeth, ich habe nicht alles zitiert; da haben Sie recht. Gebe ich es aber richtig wieder, was über Sie in diesem Artikel gesagt wird? Sie sagten vorhin ja hier, das Energiekonzept 2020 mit einem Anteil um 20 % sei

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Toll, toll, toll!)

ambitioniert. In dem Artikel heißt es:

Immerhin wünscht sich auch der CDU-Mann Nemeth einen Anteil von 25 % an regenerativem Strom im Land bis 2020.

Wie können Sie jetzt hier im Parlament offiziell 20 %

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aha! Ja was jetzt?)

als „ambitioniert“ bezeichnen?

Vielen Dank für die Gelegenheit, den Artikel, den Sie alle ja sicherlich gelesen haben, zu korrigieren.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe nämlich gesagt – das ist die Schwäche in Ihrer Argumentation –: Natürlich bin ich und ist jeder andere hier im Raum dafür offen, dass wir bis 2020 22 % oder gar 25 % schaffen. Kein Mensch ist dagegen. Sie müssen allerdings sagen, Herr Knapp, wo Sie die restlichen 75 % herbringen wollen, wenn Sie gegen Kernkraft sind und wenn Sie gegen Kohlekraft sind.

(Abg. Helen Heberer SPD: Noch immer nicht zuge- hört! Von vorgestern!)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Da fällt es sogar der CDU schwer, zu klatschen!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Untersteller das Wort.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wieder ein Lobby- ist!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Nemeth, wenn man bei der Anhörung dabei war, weiß man, dass die dort versammelten Wissenschaftler an dem, was bislang als Energiekonzept vorgelegt war, erhebliche Kritik geübt haben.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Richtig! – Abg. Paul Ne- meth CDU: Es waren gar nicht alle eingeladen! – Ge- genruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Das ist ja nicht wahr!)

Das gilt sowohl für das DLR als auch das Fraunhofer-Institut oder das Institut für Energie- und Umweltforschung. Man hat quer über alle Einrichtungen deutlich gemacht, dass es im Bereich der erneuerbaren Energien notwendig ist, noch eine Schippe draufzulegen.

Vor zwei Wochen haben die Wissenschaftler des Klimaforschungsinstituts Potsdam um Professor Schellnhuber – immerhin der Berater der Bundeskanzlerin – eine Presseerklärung herausgegeben, in der sie noch einmal deutlich gemacht haben, dass das, was bislang in Sachen Klimaschutz auf den Weg gebracht wurde, global gesehen nicht ausreichen wird, um das sogenannte Zweigradziel einzuhalten, und dass es notwendig ist, dass insbesondere die Industrieländer ihre Anstrengungen zur CO2-Reduzierung erhöhen.

Was heißt das jetzt für uns in Baden-Württemberg? Wir selbst tragen zwar global gesehen nur einen kleinen Anteil von 0,3 % zu den weltweiten CO2-Emissionen bei. Aber man schaut doch auf uns und fragt, was wir als Hightechregion, als eine der reichsten Regionen in Europa machen und bei der CO2-Reduzierung hinbekommen. Hiervon hängt letztendlich auch ab, was Schwellenländer und Entwicklungsländer bei der Konferenz von Kopenhagen im Herbst dieses Jahres zuzusagen bereit sein werden.

Was folgt daraus? Zwei Dinge, nämlich erstens, dass man das 2005 erstellte Klimaschutzkonzept 2010 ambitioniert fortschreibt, Frau Ministerin.

(Beifall bei den Grünen)

Ein erster Schritt, den man dabei erwarten kann, wäre, dass Sie jetzt langsam einmal auf Trab kommen und den Zwischenbericht, den Sie in Ihrem Klimaschutzkonzept von 2005, Frau Ministerin, angekündigt haben, endlich vorlegen. Da heißt es – ich zitiere –:

Im Jahre 2007 wird ein erster Bericht zum Stand der Entwicklung sowie zur Umsetzung und Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen vorgelegt.

Mittlerweile zeigt der Kalender aber nicht 2007, sondern Mai 2009. Bis zum heutigen Tag liegt dieser Zwischenbericht nicht vor.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Unglaublich!)

Dieser Zwischenbericht ist aber notwendig, weil wir letztendlich nur auf dieser Grundlage entscheiden können, wie wir das Klimaschutzkonzept im Hinblick auf 2020 fortschreiben.

Zweitens, Herr Kollege Nemeth, brauchen wir endlich ein Energiekonzept, das diesen Namen auch verdient.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Was heißt das? Schauen wir uns einmal an, was Sie vorgelegt haben. Das sind für 2020 die Zahlen 50, 30, 20 – 50 % Kernenergie, 30 % fossile Energien, 20 % erneuerbare Energien. Das heißt, Sie setzen zu 80 % auf eine Kraftwerkstechnologie, die einen Wirkungsgrad von 30 bis 35 % hat. Das heißt, 60 bis 65 % der erzeugten Energie gehen letztendlich als Abwärme entweder in den Neckar und in den Rhein oder sonst wie in die Umwelt. Das ist doch nichts, womit Sie eine adäqua te Antwort auf die Herausforderungen geben können, vor denen wir heute stehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn man sagt, man wolle mehr Effizienz durchsetzen, dann muss man das auch umsetzen; das heißt, man muss Kraft-Wärme-Kopplung sowohl im fossilen als auch im erneuerbaren Bereich durchsetzen.

Zu dem Anteil von 20 % erneuerbaren Energien im Energiekonzept: Man muss einmal schauen, was wir heute haben. Wir hatten Ende letzten Jahres einen Anteil von plus/minus 15 %. Jetzt kommt im nächsten Jahr noch das Kraftwerk in Rheinfelden dazu, das wir alle unterstützt haben. Dann machen wir noch einmal einen Sprung.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Na, na!)

Wenn Sie das hochrechnen, dann kommen Sie auf einen Zuwachs von 0,3 bzw. 0,4 % jährlich, und das wollen Sie uns hier als „ambitioniert“ verkaufen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Läppisch!)

Das ist doch ein Witz!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Und das in einer Region, die von sich behauptet, einer der Motoren in Europa zu sein!

In der Klimakonferenz, die im Dezember in Kopenhagen stattfinden wird, bei der es darum geht, ein Nachfolgeabkommen zu dem Protokoll von Kioto abzuschließen, wird alle Welt darauf schauen: Was machen die Industrienationen in Europa, und was machen die Amerikaner?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die bauen 430 Kern- kraftwerke! – Gegenruf des Abg. Thomas Knapp SPD: Das ist ja Quatsch!)

Da wird man auch auf solche Dinge schauen. Ein Zuwachs von 0,3 oder 0,4 %, den man realisiert, ist nicht der Rede wert.

Lassen sie mich jetzt noch industriepolitisch argumentieren: Gerade heute, in einer Region wie dem Stuttgarter Großraum, wo wir von dem einen Produkt Automobil und dem Zulieferbedarf in großem Maße abhängig sind und gleichzeitig in den letzten Wochen und Monaten sehen, welche Probleme es da gibt, muss man sich doch allmählich einmal überlegen, was aus dieser Abhängigkeit folgt. Sie und ich glauben doch nicht, dass es nur eine Delle ist, die in einem halben, in einem dreiviertel oder in einem Jahr wieder ausgeglichen sein wird, und dass es dann wirtschaftlich weitergeht wie zuvor. Wenn am Markt insgesamt weniger Fahrzeuge untergebracht werden, dann heißt das weniger Dieseleinspritzpumpen von Bosch, weniger Filter von Mahle, weniger Kolben von Mahle, weniger Auspuffsysteme von Eberspächer usw.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Er kennt die Rede des Ministerpräsidenten sehr gut!)

Daraus folgt, dass man sich einmal überlegen sollte: Was sonst kann für uns ein gangbarer Weg sein? Wenn weltweit die Märk te im Bereich der erneuerbaren Energien boomen – Obama stellt in seinem Programm 70 Milliarden US-Dollar zur Verfügung; die Südkoreaner haben ein Konjunkturprogramm mit 30 Milliarden für die erneuerbaren Energien beschlossen; in Dubai stellt man 10 Milliarden zur Verfügung –, dann stehen wir doch vor wirtschaftspolitischen Chancen. Und Sie erzählen uns etwas von 0,3 und 0,4 %!

(Beifall bei den Grünen)