So etwas findet man Gott sei Dank im Internet. – Diese Tischvorlage behandelt die Zukunft des ländlichen Raums. Nach einem wortreichen Lob der Politik der Landesregierung heißt es da:
Mit diesen Aktivitäten wurden bereits wesentliche Weichen gestellt. Sie reichen aber noch nicht aus, um die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums zu erhalten.
Schließlich möchte ich eine Aussage von Staatssekretärin Gurr-Hirsch vom 24. Juni 2008 – also erst vor einem guten halben Jahr – zitieren:
Nahversorgung ist ein unverzichtbares Stück Lebensqualität. Leider ist dies in kleinen Gemeinden häufig nicht mehr gegeben. Diesem Thema müssen wir uns intensiv zuwenden …
(Abg. Claus Schmiedel SPD zu Minister Ernst Pfis ter: Dann machen Sie das doch! Sie sind doch zustän- dig!)
Ich frage mich: Wann wollen Sie von der Landesregierung eigentlich sagen können: „Unsere Politik hatte Erfolg“?
Sie müssen sich doch wirklich einmal die Frage stellen, ob die Instrumente, mit denen Sie agieren, die richtigen sind. Die Landesplanung jedenfalls hat hier offensichtlich nicht gewirkt. Auch der berühmte Einzelhandelserlass hat ganz offensichtlich nur wenig dazu beigetragen. Im Übrigen wurde er nachträglich aufgeweicht. Mit dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum schüttet das Land zwar eine ganze Menge nützlicher Gelder aus, aber das Ziel, die Nahversorgung zu sichern, ist offensichtlich nicht erreicht worden.
Wir wollen mit diesem Antrag nichts anderes erreichen, als dass Sie endlich einmal Ihre Handlungen und Instrumente evaluieren, überprüfen und nachjustieren. Ich bin gespannt, was wir dazu heute hören werden.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist denn der für den ländlichen Raum zuständige Minister? Sollen wir ihn herbeizitieren?)
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag beinhaltet ein ganzes Sammelsurium von
Themenfeldern. Insofern ist es auch nicht ganz eindeutig, welches Ministerium oder welcher Ausschuss damit angesprochen ist.
Von den 1 102 Kommunen in Baden-Württemberg haben rund 600 – also über die Hälfte – weniger als 5 000 Einwohner. Die se kleineren Gemeinden liegen vorrangig im ländlichen Raum.
Gleichzeitig laufen Bestrebungen bei Unternehmen wie Post und Banken, ihr Filialnetz zur Kostenersparnis weiter zu konzentrieren bzw. auszudünnen. Handelsunternehmen z. B. im Bereich Möbel versuchen durch einen maximalen Flächenausweis von 30 000 m² einen großen Einzugsbereich abzudecken und wirken damit – da gebe ich meiner Vorrednerin recht – wie ein Staubsauger auf die Kaufkraft des Umlands.
Die Suche des Handels, insbesondere des Lebensmittelhandels nach autogerechten Standorten führt im Ergebnis oft dazu, dass Standorte in den Ortskernen – verbrauchernah und fußläufig erreichbar – aufgegeben werden müssen, während die Verkaufsfläche am Ortsrand, in Gewerbegebieten, entlang von Schnellstraßen oder in der Nähe von viel befahrenen Straßenkreuzungen ständig zunimmt.
Aus diesen Gründen möchte ich bei meinen Ausführungen – wie es meine Vorrednerin auch gemacht hat – die Nahversorgung, speziell die Nahversorgung mit Gütern und Dienstleis tungen ansprechen. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass Experten sagen, die Menge der aus Einkaufsgründen gefahrenen Kilometer sei in den letzten Jahren allein in Deutschland auf 440 Millionen angestiegen.
Nahversorgung steht bei den Bürgern in Bürgerversammlungen immer ganz oben auf der Wunschliste. Sie kommt auch allen Bürgern zugute: Autofahrern, aber auch Kindern und Jugendlichen, die noch nicht Auto fahren können, und den älteren Mitbürgern, die oftmals nicht jeden Einkauf mit dem Auto erledigen wollen – auch wenn sie es könnten, aber sie wollen es eigentlich nicht. Im Ergebnis – summa summarum – ist Nahversorgung auch klimafreundlicher und energiesparender.
Ich glaube, wir können sagen, dass wir in Baden-Württemberg zwar die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gesichert haben, aber nahe Versorgung, also Angebote der kurzen Wege, integrierte Angebote in der Tat ein Thema sind, an dem man ständig arbeiten muss. Auch kann man diese Entwicklung nicht nur dem Wettbewerb, der Privatwirtschaft überlassen. Vielmehr ist oftmals das Engagement der öffentlichen Hand, der Kommunen oder eventuell auch des Landes, erforderlich.
Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich sagen, dass die Kommunen mit ihrem Planungsrecht und ihrer Grundstückspolitik sehr wohl starke Instrumente in der Hand haben, mit denen sie Nahversorgung im Sinne ihrer Bürger gestalten können, so sie denn diese Instrumente anwenden. Oftmals sind es auch kommunale Grundstücksverkäufe, durch die gerade großflächiger Einzelhandel konkret im Gewerbegebiet eines Ortes angesiedelt wird. Damit hat das Land nichts zu tun, son
dern es ist die Kommune. Wenn man einmal durch das Land fährt, kann man feststellen, dass die Ansiedlungspolitik in den Unternehmen, die Politik zur Entwicklung der Ortskerne sehr unterschiedlich ist.
Dass inzwischen auch Bürger einen ungebremsten Flächenzuwachs kritisch sehen, zeigt u. a. ein Fall, der derzeit im Petitionsausschuss behandelt wird, der auch durch die Presse ging. Bei diesem Fall ist ein Teil der Bürger der Meinung, dass mit zwei Lebensmittelmärkten die Versorgung im Ort gesichert sei und ein weiterer Markt mit 1 500 m2 plus 100 Parkplätzen nicht notwendig sei, um die Versorgung der Einwohner im Ort zu sichern.
Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin begrüße ich es ausdrücklich, dass die Landesregierung den Kabinettsausschuss Ländlicher Raum eingesetzt hat. Ich glaube, dort sind eine ganze Menge von sinnvollen Empfehlungen herausgearbeitet worden. Es wäre sicher wichtig, diese auch im zuständigen Ausschuss zu behandeln.
Ich bin auch der Meinung, dass Landesentwicklungsplan und Landesplanungsgesetz und auch der Einzelhandelserlass die richtigen Instrumente sind, um die regionalplanerische Steuerung von Handelsflächen durchzuführen und auch Nahversorgung zu sichern.
Die Landesregierung macht über das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum und die Stadtsanierung sehr viel, um die verbrauchernahe Versorgung zu sichern. Es gibt gute Beispiele dafür, dass durch die Umnutzung bestehender Gebäude, durch Schließung von Baulücken in den Ortskernen wettbewerbsfähige Handelsflächen mit den entsprechenden Parkflächen geschaffen werden konnten.
Ich möchte an dieser Stelle, weil es auch im Antrag vorkommt, der Landesregierung ausdrücklich dafür danken, dass sie mit ihrer Breitbandinitiative und ihrem Gang nach Brüssel – ich möchte nicht sagen: nach Canossa – erreicht hat, dass sich die Kommunen beim Ausbau der Breitbandinfrastruktur engagieren können. Das war vorher nicht möglich. Sie hat ein Förderprogramm aufgelegt, und die Bundesregierung hat die Förderung jetzt aufgestockt. Insofern können wir davon ausgehen, dass der Ausbau der Breitbandinfrastruktur – die Breitbandversorgung gehört inzwischen ja zur Grundversorgung, insbesondere wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen geht – zügig vorangehen kann. Es gibt ja gerade im ländlichen Raum Unternehmen, die ihren Bürgermeistern mit Abwanderung drohen, wenn die Infrastruktur nicht möglichst schnell verbessert wird.
Abschließend möchte ich sagen, dass Nahversorgung aus unserer Sicht ein wichtiges Zukunftsthema ist, auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Ältere Menschen legen mehr Wert auf Nahversorgung als junge, automobile Menschen. Oder, umgekehrt gesagt: Eine funktionierende Nahversorgung ermöglicht älteren Menschen, länger selbstständig in ihrem gewohnten Umfeld zu leben. Aus diesem Grund wird sich die CDU-Frakti
on auch in Zukunft für eine verbrauchernahe Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs einsetzen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorherigen Diskussion und der jetzigen Debatte
kommt mir in den Sinn: Wäre die Nahversorgung ein Schloss, dann hätten wir, glaube ich, schon lange eine Lösung dafür gefunden.
Aber das Thema ist derart komplex und verwoben und in den verschiedensten Bereichen untergebracht, dass man irgendwie keinen Zugang dazu findet. Als wir darüber diskutiert haben, wer heute zu diesem Thema sprechen soll, ist die Frage aufgekommen: Ist das ein Thema der Wirtschaftspolitik? Ist das ein Thema des Verbraucherschutzes? Ist das ein Thema des ländlichen Raums?
Wo ist es denn eigentlich verortet? Wo greift man dieses komplexe Thema eigentlich auf, sodass man tatsächlich in absehbarer Zeit zu konkreten Umsetzungsschritten kommt? Genau darin liegt nämlich das Problem: Das Thema ist derart komplex, dass man die betreffenden Probleme sicherlich nicht dadurch löst, dass ein Ressort anfängt, etwas zu tun.
Ich will das einmal an einem Punkt, der mir gerade wichtig erscheint, ein bisschen aufdröseln. Wir haben jetzt 150 Millionen € für den ländlichen Raum, die wir in diesem Jahr inves tieren. Damit bekommt das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum eine neue historische Dimension, zumindest wenn es um die Frage des Geldes geht. Dabei handelt es sich um 62 Millionen € „altes“ Geld für private und kommunale Investitionen –
das ist die gleiche Betragshöhe wie die Mittel für Schloss Salem – und um über 88 Millionen € für neue Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket. Darin – das klang jetzt schon an – sind sicherlich ganz viele gute Projekte enthalten. Wer das Ganze durchblättert, sieht, dass es da um Infrastrukturmaßnahmen, um Bildungseinrichtungen im ländlichen Raum, um Naturschutzzentren im Allgäu, in Oberschwaben, um eine Jugendbildungsstätte, die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau, das Haupt- und Landgestüt in Marbach, Bildungsverbesserungen und, und, und geht.
Wenn man das Ganze jetzt in neuer Dimension sieht, in der Geld in nie dagewesener Größe investiert wird, stellt sich nur die Frage: Ist dieses Geld jetzt richtig investiert? Bringt dieses Geld für das Thema „Grundversorgung und Nahversorgung“ tatsächlich einen echten Schub? Man kann schon Zweifel daran haben, dass das tatsächlich so passiert, und sich fragen, ob nicht, gerade weil es so schwierig ist, weil wir jetzt auch eine schwierige Zeit haben, neue Maßnahmen, neue Denkansätze notwendig wären, um das Geld auch gezielt und effizient einzusetzen.
Für die künftige Verwendung öffentlicher Mittel brauchen wir ein transparentes Kriterium, mit wie viel Euro man wie viele Arbeitsplätze im ländlichen Raum schafft. Es muss darum gehen, den Geldeinsatz hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen zu optimieren.
Ein weiterer notwendiger Punkt ist die Verzahnung der Förderkulisse im ländlichen Raum. Dazu gehört einerseits die Vernetzung der Infrastruktur- und der Wirtschaftsförderung, wie wir sie klassischerweise haben, mit den Zielen, die es auf EU- und Bundesebene gibt, und mit den Zielen, die sich das Land selbst gesetzt hat.