Protocol of the Session on February 12, 2009

Ein weiterer Punkt, den wir trotz Bedenken mittragen – Herr Minister, Sie erinnern sich bestimmt an die Debatte im Ausschuss; die SPD-Fraktion hat das abgelehnt, Herr Kollege Sti

ckelberger hat es gerade noch einmal erwähnt –, ist die Privatisierung – da geht es wirklich um eine Privatisierung – der Beitreibung von Forderungen, die sich seitens des Landes, seitens der Justiz ergeben. Es geht um Privatisierung, Übertragung auf Inkassounternehmen, vielleicht auch um eine Übertragung auf Anwaltbüros – das soll aber keine Bewerbung sein; das sage ich gleich dazu.

Ich finde es aber richtig, dass wir an den Stellen, an denen man gegebenenfalls mehr Effizienz erzielen kann – wenn es denn gelingt; man muss abwarten, ob das tatsächlich so kommt –, versucht, einen gewissen Teilbereich – es gibt keine umfassende Privatisierung dieser Forderungseinziehung – von Privaten machen zu lassen. Das versuchen wir jetzt. Wenn es sich nicht bewahrheitet, dass dort eine Effizienzrendite entsteht, dann muss man als Parlament auch den Mut haben, diese Reform oder diesen Aspekt wieder zurückzunehmen und diese Aufgabe wieder den Stellen des Landes zurückzugeben, die bisher dafür zuständig sind und aus meiner Sicht einen guten Job machen.

Ein weiterer Punkt beim Thema Privatisierung ist

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Die Bewährungshil- fe!)

das Thema „Privatisierung der Bewährungshilfe“ und das Thema „Privatisierung der Justizvollzugsanstalten“ bzw. deren Bau und deren Software, wenn ich das so leger sagen darf.

Wir sind überall dort gegen Privatisierung – ob das der Mantel des Fundamentalisten oder der Mantel des Verfassungstreuen ist –, wo staatliche Gewalt in Grundrechte eingreift.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

In Grundrechte greift der Staat insbesondere dann ein, wenn er Menschen wegschließt. Das ist die härteste Strafe, die in unserem Rechtsstaat zulässig ist. Die Überwachung und die Betreuung in den Anstalten sowie die Eingriffe, die dort tagtäglich geschehen

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Kollege Zimmermann, dass wissen Sie als Strafvollzugsbeauftragter genauso gut wie ich –,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das weiß der Zimmer- mann nicht mehr! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmer- mann CDU)

können wir nicht privatisieren. Das gebietet unsere Verfassung. Deswegen sind wir an dieser Stelle dagegen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Dasselbe gilt für das Thema „Privatisierung der Bewährungshilfe“.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ach was!)

Die Debatte haben wir schon geführt. Ich will sie trotzdem noch einmal erwähnen, weil wir als Grünen-Fraktion der Auf

fassung sind, dass auch dort ein Eingriff in Grundrechte möglich ist,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Sehr gut!)

z. B. beim Bewährungswiderruf. Da gibt es die Personalauswahl, die Personaldirektion und all das, was wir jetzt im Wege der Beleihung usw. für die Bewährungshilfe organisiert haben und was aus unserer Sicht im Rahmen des Strafvollzugs eine wichtige Rolle spielt. Das alles sollte nicht privatisiert werden. Das sollte schon deswegen nicht privatisiert werden, weil man aus unserer Sicht dort keine Effizienzrendite erzielen kann. Wenn man sie dort erzielen will, dann erzielt man sie an der falschen Stelle. Jede Hilfe für Resozialisierung, die man streicht, ist ein falscher Weg, weil dann die Menschen nicht wieder in die Gesellschaft zurückgeführt werden. Die Rückführung in die Gesellschaft spart auf Sicht viel mehr als eine Effizienzrendite bei der Bewährungshilfe. Deswegen sind wir nach wie vor dagegen.

(Beifall bei den Grünen)

Der Kollege Stickelberger hat mir den letzten Punkt – wenn auch nicht direkt – vorweggenommen: die Rechts- bzw. Jus tizpolitik eines Justizministeriums. Wenn man es strukturell ganz streng nimmt, ist die Tatsache – das hat jetzt gar nichts mit der Person des amtierenden Ministers zu tun, jedenfalls nicht an dieser Stelle –, dass eine unabhängige Gerichtsbarkeit von einer Person – das kann ein Mann oder eine Frau sein – geleitet wird, die der Exekutive angehört, aus meiner Sicht als solches schon ein Strukturfehler. Das kann man jetzt hier im Parlament wahrscheinlich nicht so schnell ändern. Aber ändern kann man etwas – das hat Kollege Stickelberger zu Recht angesprochen – bei atmosphärischen Fragen und vielleicht auch Führungsfragen, die dem Justizminister obliegen.

Wenn es so weit kommt, dass der Präsident eines Oberlandesgerichts personalpolitisch einwirken muss, um dort Entscheidungen rückgängig zu machen oder zu kritisieren, dann zeigt dies natürlich einen Mangel an Führungskraft des Justizminis ters. Daran führt kein Weg vorbei. Herr Minister, diesen Schuh müssen Sie sich anziehen. Wenn Sie das in Ihrem Ministerium nicht richtig organisiert haben, dann kann man Ihnen nur raten, das künftig so zu organisieren, dass solche atmosphärischen Verstimmungen in der Justiz durch personalpolitische Entscheidungen, die falsch sind oder die die Justiz zumindest nicht mitträgt, nicht wieder vorkommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

An dieser Stelle gibt es ein weiteres Beispiel. Auch das weiß ich, ohne dass man mir das aufschreibt. Das kann ich mir einfach merken, weil in meiner Amtszeit einmal der Richterrat getagt hat. Da ging es um die Frage: Wie werden Richterinnen und Richter befördert? Auf welcher Grundlage passiert das? Wie transparent sind die Entscheidungen? Was muss eine Richterin oder ein Richter abliefern, um befördert zu werden?

Damals ging es um die Frage von Beförderungsrichtlinien. Diese Beförderungsrichtlinien gibt es jetzt. Aber die Beförderungsrichtlinien mit den Betroffenen in Diskussionsprozessen

abzustimmen, hätte sich aus meiner Sicht einfach anders organisieren lassen müssen, als Sie das getan haben. Deswegen hat es dort auch heftige Kritik gehagelt. Und auch dort hat Ihnen offensichtlich – Ihnen persönlich oder Ihrem Ministerium – die Sensibilität gefehlt.

Weil ich es in meinem praktischen Leben tagtäglich mit Jus tiz zu tun habe, möchte ich zum Schluss all denjenigen Menschen, die in der Justiz tätig sind, und zwar vom Gerichtsdiener – wir haben mit den Saaldienern hier im Landtag Menschen, die einen ähnlichen Job tun – über die Menschen, die im Strafvollzug tätig sind, bis hin zum Präsidenten des Oberlandesgerichts und vielen anderen, für ihren Job, den sie bei den Staatsanwaltschaften usw. machen, im Namen unserer Fraktion danken,

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

weil sie das auffangen, was Sie in den vergangenen Jahren durch Stellenabbauprogramme personalpolitisch abgebaut haben. Denn trotzdem haben wir eine funktionsfähige Justiz; das steht außer Frage. Deswegen gilt den Menschen, die dort tätig sind, von unserer Fraktion aus Dank.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Erwiderung des Ministers.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Wetzel für die Fraktion der FDP/DVP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Justiz in Baden-Württemberg leistet sehr gute Arbeit. Dafür danke ich allen Personen und Akteuren, die bei der Justiz beschäftigt sind – im Justizminis terium, bei den Gerichten, bei den Staatsanwaltschaften, in den Justizvollzugsanstalten sowie im Gerichtsvollzieherwesen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Denn ohne eine gute Justiz können wir hier alle einpacken.

Herr Kollege Oelmayer, wenn Sie allen so gut danken können, hat dies auch einen Grund. Diese Menschen, denen Sie gedankt und die nach Ihren Worten und auch nach den Worten von Ihnen, Herr Stickelberger, gute Arbeit geleistet haben, wurden ja von irgendjemandem eingestellt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr wahr!)

Sie wurden vom Justizministerium eingestellt. Wenn sie solch eine gute Arbeit leisten, können das Justizministerium und die Atmosphäre so schlecht nicht sein.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Die machen ihre Arbeit trotz des Justizmi- nisteriums! So wird ein Schuh daraus!)

Unsere Justiz in Baden-Württemberg ist auch sehr effizient. Herr Kollege Hitzler hat es gesagt: Wir haben die kürzesten Verfahrensdauern sowohl bei den Gerichten als auch bei den Staatsanwaltschaften. Unser Strafvollzug ist deutschlandweit

nicht nur am sichersten, sondern im Hinblick auf die Resozialisierung auch am modernsten.

Meine Damen und Herren, mit dem Justizhaushalt sind die Grundlagen dafür gelegt, dass wir diese gute Situation auch in den kommenden Jahren beibehalten und auch stabilisieren können.

Ich darf daran erinnern, dass auch in diesem Jahr keine Stellen gestrichen werden mussten. Dafür danke ich der Landesregierung ausdrücklich.

Wir konnten auch erreichen, dass 15 Richterstellen von den Arbeitsgerichten und den Verwaltungsgerichten auf Sozialgerichte umgeschichtet wurden. Dies war aufgrund der großen Prozessflut erforderlich, die uns Hartz IV aus Berlin beschert hat. Die Zahl der Klageeingänge bei den Sozialgerichten ist seit 2004 teilweise um 19 % gestiegen. Obwohl das Justizministerium seit 2005 für eine Verstärkung im Umfang von insgesamt 22 Richterstellen durch Nutzung freier Kapazitäten anderer Gerichtsbarkeiten gesorgt hat, führte dies im Ergebnis nur zu einer kurzfristigen Entlastung. Der starke Anstieg der Zahl der Verfahren in den vergangenen Jahren gleicht den Entlastungseffekt mehr als aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies alles könnte besser geregelt werden, wenn der Vorstoß über den Bundesrat auf Zusammenlegung von Verwaltungsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit tatsächlich auch die Zustimmung der SPD in Berlin finden würde. Das Ganze könnte dadurch effektiver sein. Aber die Sozialdemokraten in Berlin weigern sich, diesen Vorstoß gutzuheißen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Pfui!)

Meine Damen und Herren, gerade im Strafvollzug war und ist Baden-Württemberg Vorbild für ganz Deutschland. Alternative und soziale Resozialisierungsmaßnahmen tragen dazu bei, dass weitere Straftaten verhindert werden können. Unser Jugendstrafvollzugsgesetz, das wir verabschiedet haben, hat in ganz Deutschland Maßstäbe gesetzt.

Natürlich genügt dies allein nicht. Das Haftplatzentwicklungsprogramm 2015 wurde beschrieben. Es sieht vor, dass bis 2015 insgesamt 1 200 zusätzliche Haftplätze geschaffen werden. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die gescholtene JVA Offenburg hinzuweisen, die voraussichtlich in diesem Jahr „ans Netz gehen“ wird.

Es ist zusammen mit Hessen in Deutschland auch einzigartig

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Hessen ist schon längst entzaubert!)