Protocol of the Session on December 3, 2008

Im Gegenteil: Es ist absehbar, dass die Leistungen ab 2009 aller Voraussicht nach abgebaut werden; insbesondere Zusatzangebote – das betrifft Baden-Württemberg ganz besonders – werden abgebaut werden. Denn keine Krankenkasse wird es wagen, 2009 Zuzahlungen geltend zu machen. Das heißt, alle Kassen werden erklären, dass sie mit den Beträgen, die sie jetzt einziehen werden, auch im Jahr 2009 auskommen müssen, obwohl jetzt schon klar ist, dass dieser bundesweit einheitliche Satz in Höhe von 15,5 % nicht ausreichen wird.

Wir haben hier im Landtag eine interfraktionelle Initiative gestartet mit dem Ziel, den Gesundheitsfonds zu verschieben. Jetzt stellt sich heraus, dass das letztendlich nur eine Placeboveranstaltung gewesen ist. Wir haben uns zusammengeschlossen – das wurde heute auch schon mehrfach gesagt –, aber es hat letztendlich zu nichts geführt. Da muss man jetzt wirklich einmal fragen – der Ministerpräsident ist jetzt nicht mehr da; jetzt geht das alles auf Ihre Kappe, Frau Ministerin Stolz –, wie Sie sich in Berlin eigentlich ins Zeug gelegt haben, um diesem von uns hier im Landtag verabschiedeten Antrag auch tatsächlich zur Umsetzung zu verhelfen.

Es ist ganz klar – das muss an dieser Stelle auch noch einmal deutlich gesagt werden –: Diese Gesundheitsreform wird von den beiden großen Parteien im Bund getragen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Ich finde, dass die beiden großen Parteien auch hier im Landtag die politische Verantwortung dafür übernehmen müssen.

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Eigentlich sollten wir uns vom Fasching verabschieden!)

Frau Kollegin Haußmann, Sie haben ja das ganze Jahr über bei jeder Veranstaltung dafür „gebetet“, dass der Gesundheitsfonds nicht kommt. Das hat natürlich letztendlich nicht wirklich zum Ziel geführt. Ich finde es nicht wirklich glaubwürdig, wenn im Land laut geschrien und geklagt wird, dass man den Gesundheitsfonds nicht will, aber er dann doch installiert wird. Dazu müssen Sie sich auch bekennen, und dafür müssen Sie die politische Verantwortung übernehmen.

Die Landesregierung stellt jetzt fest, was alles an diesem Gesundheitsfonds schlecht ist. Das wird in der Antwort auf diese Große Anfrage auch ziemlich deutlich ausgeführt. Dennoch ist es insgesamt unlauter, jetzt den Schwarzen Peter immer nur auf die Bundesregierung und auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu schieben und darüber zu klagen, dass es halt dann doch nicht geklappt hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Ich kann nur sagen: Ich vermute, Sie haben sich eben doch nicht so „toll“ dafür eingesetzt, dass es den Gesundheitsfonds nicht gibt. Sie haben eben doch nicht so laut Halt gerufen, wie wir es hier im Haus erwartet haben.

(Beifall bei den Grünen)

Ich will exemplarisch ein paar Konsequenzen aufzeigen. Eben ist schon die Konvergenzklausel genannt worden. Es ist völlig klar, dass diese jetzt für das Jahr 2009 greift. Aber schon im Jahr 2010 werden die Belastungen 200 Millionen € betragen und im Jahr 2011 dann noch einmal zusätzlich 100 Millionen €. Letztendlich ist das also ein ganz kurzfristiger Erfolg, der nicht wirklich zu dem Ergebnis führen wird, das wir uns vorgestellt haben.

Der Morbi-RSA, also dieser morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich – für all diejenigen, die nicht unbedingt Gesundheitsfachleute sind;

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Mein Gott, mein Gott! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Morbi-RSA ist wirklich ein gruseliges Wort –, führt jetzt schon dazu, dass es nicht zu einem wirklichen Ausgleich kommt, dass es nicht dazu kommt, dass die Kosten gesenkt werden, sondern ganz im Gegenteil: Die Kassen haben ein riesiges Interesse, möglichst viele Patienten zu haben, die unter den Morbi-RSA fallen. Das heißt, sie sind jetzt schon dabei, dafür zu sorgen, dass die Ärzte aufgefordert werden, entsprechende Diagnosen zu stellen, damit solche Leistungen tatsächlich auch von den Ärzten bescheinigt werden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die werden auf dem Papier alle kränker werden!)

Ja, es wird genau so sein, dass auf dem Papier die Leute insgesamt kränker werden. Das ist ganz klar.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Es ist ein bisschen schade, dass ich jetzt schon zum Ende kommen muss. Ich hätte noch sehr viel zu sagen.

(Heiterkeit – Abg. Peter Hofelich SPD: So ist es im Leben! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ging es mir auch! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das geht je- dem von uns immer so, wenn man da vorne steht!)

Völlig klar ist, dass die Gesundheitsreform insgesamt immense volkswirtschaftliche Kosten zur Folge haben wird. Wir werden weniger Leistungen für mehr Beiträge bekommen. Auch wenn 2009 die Beiträge stabil bleiben werden, ist jetzt schon klar, dass es 2010 auf jeden Fall zu entsprechenden Zusatzbeiträgen kommen wird.

Unterm Strich ist die Gesundheitsreform ein Projekt, das Probleme schafft, aber kein einziges löst. Der Auftrag der Politik, für die Menschen eine bestmögliche Gesundheitsversorgung in einem stabilen Rahmen sicherzustellen, ist damit grandios gescheitert.

Schönen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden heute über die Folgen einer Reform, deren wesentliche Bestandteile erst im Jahr 2009 in Kraft treten werden. Dennoch möchte ich Ihnen gern schon heute die für Baden-Württemberg zu erwartenden Auswirkungen skizzieren.

Aber eines vorab: Unabhängig von persönlichen Bewertungen dieser Reform und davon, was man sich vielleicht für die Zukunft wünschen würde, kann ich Ihnen, denke ich, doch versichern, dass die hohe Qualität der medizinischen Versorgung für die Versicherten und Patienten in Baden-Württemberg auch in Zukunft erhalten bleibt.

Das wird nicht zuletzt dadurch erreicht, dass die gemeinsam von Baden-Württemberg und Bayern durchgeboxte Konvergenzklausel den Mittelabfluss von Beitragsgeldern aus BadenWürttemberg wenigstens vorübergehend begrenzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Um es ganz klar zu sagen: Die Konvergenzklausel stellt in der Tat die einzige verbliebene Regionalkomponente bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2009 dar. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch

nicht verschweigen – es ist angesprochen worden –, dass die Beitragszahler in Baden-Württemberg im Jahr 2009 weitere 100 Millionen € an andere Bundesländer abgeben müssen – zusätzlich zu den bereits bestehenden Einkommenstransfers von etwa 1 Milliarde € jährlich. Trotzdem wird Baden-Würt temberg dank der Konvergenzklausel von allen Ländern den höchsten Betrag, nämlich über 278 Millionen €, wieder zurückerhalten.

Die Konvergenzklausel – 100 Millionen € –, Herr Kollege Noll, war ja genau Ausfluss des von Ihnen erwähnten Gutachtens. Wir waren misstrauisch,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr richtig!)

wir haben gesagt: Wenn es zusätzlich zu der Milliarde nur 50 bis 80 Millionen € sind, dann tragen wir das solidarisch. Aber um uns abzusichern, wenn es über die 100 Millionen € geht, wollen wir diese Konvergenzklausel. Ich denke, es war ein richtiger Kampf, ein richtiges Durchboxen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber die Ehrlich- keit gebietet es schon, zu sagen, dass es in Schritten nach oben geht!)

Ja. – Das Geld, das dann über den Gesundheitsfonds den Krankenkassen in Form von besonderen Zuschlägen zufließt, wird vorrangig für die Versorgung der Versicherten und Patienten im Land eingesetzt. Darum geht es. Es geht immer um die Versorgung unserer Versicherten.

Ein Beispiel dafür ist die jüngst erfolgte Einigung der Vertragspartner im Bereich der ambulanten Versorgung, also der Kassen und Ärzte im Land. Lassen Sie mich dazu einige Anmerkungen machen.

Auch im Bereich der ärztlichen Vergütung und der Honorarreform hat in der Tat zentralistisches Denken seine Spuren hinterlassen.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Aber darüber will ich jetzt keine Grundsatzdiskussion führen. Die Beschlüsse sind gefasst.

Die Vertragspartner müssen ihre Preispolitik künftig eng an den bundesweiten Vorgaben des Erweiterten Bewertungsausschusses orientieren. Die ersten Meldungen hierzu prognostizierten für die baden-württembergischen Ärzte Honorareinbußen von bis zu 15 %.

Nun sind die Vereinbarungen über die vertragsärztliche Vergütung – zum Glück – zwar keine staatliche Aufgabe, aber für die medizinische Versorgung vor Ort trotzdem von eminenter Bedeutung. Deswegen haben wir uns auch von Landesseite aus sehr dafür eingesetzt, dass es hier nicht zu einer Verschlechterung der ärztlichen Vergütung kommt.

Die danach im Erweiterten Bewertungsausschuss beschlossene Honorarreform bringt jetzt für Baden-Württemberg eine Ausweitung des Leistungsvolumens und damit im Ergebnis eine Honorarsteigerung um rund 2,5 %. Das bedeutet, dass wir für die Vergütung der Leistungen, die unsere Ärzte für die Versorgung erbringen, auch mehr Geld zur Verfügung haben, mehr als ursprünglich von der Bundesseite zur Verfügung gestellt werden sollte.

Auf dieser Basis erfolgte in der vergangenen Woche zwischen den Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung ein vom Schiedsamt vermittelter vernünftiger Kompromiss. Lassen Sie mich diesen in kurzen Worten skizzieren.

Zwar wird auch in Baden-Württemberg der bundesweit geltende Orientierungswert als Punktwert für die vertragsärztlichen Leistungen angesetzt. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben und lässt sich auch nicht umgehen. Aber für drei Versorgungsbereiche, die von besonderer Bedeutung sind, gelten besondere Konditionen.

Das ist zum einen die medizinische Suchtbehandlung durch Substitution. Darüber haben wir ja in der letzten Sitzung des Sozialausschusses auch intensiv diskutiert. Bislang wurde hier ja ein Punktwert in Höhe von 4,6 Cent gezahlt. Dieser Wert wurde jetzt in der Tat auf 4,1 Cent gesenkt. Aber durch eine Anhebung der abzurechnenden Punktmenge konnte ein vollständiger Ausgleich erzielt werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das heißt im Ergebnis, dass die Vergütung für die Substitutionsbehandlung gleich bleibt. Ich denke, das ist ein Erfolg für die Versorgung unserer Patienten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Klar!)

Für den ambulanten Notfalldienst konnte erreicht werden – der Notfalldienst ist uns wichtig –, dass hier der Punktwert nicht wie bundesweit vorgegeben 3,86 Cent beträgt, sondern auf Landesebene 4,3 Cent bezahlt werden.