Protocol of the Session on October 1, 2008

Der Rechnungshof hat damals auch angeregt, man möge doch einmal überlegen, ob man private Inkassobüros einschaltet. Dies ist natürlich nicht so ohne Weiteres möglich und bedarf einiger gesetzlicher Konsequenzen und Änderungen.

Die zuständigen Ministerien haben uns nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der, wie ich meine, sehr detailliert und auch genau untersucht hat, was alles geändert werden muss und was notwendig ist, um einen solchen Schritt zu gehen. Es geht heute also nicht darum, private Inkassobüros zu beauftragen, sondern nur darum, die Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass das geschehen kann. Ich denke, einen solchen Schritt sollte man schon einmal wagen, auch wenn er für die öffentliche Hand – für die Landesoberkasse und für das Land – Neuland darstellt.

Weil man, wenn man Neuland betritt, alles sehr sorgfältig untersuchen muss, ist dies auch geschehen. Ich denke, der Staat hat hier eine Sorgfaltspflicht und muss sehr restriktiv vorgehen, wenn private Inkassobüros mit solchen Beitreibungsmaßnahmen beauftragt werden.

Wenn man das Gesetz genau liest, kann man feststellen, dass mit den Formulierungen, die dieses Gesetz enthält, auch alles bedacht wurde, was menschenmöglich bedacht werden kann.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das ist schon um- fassend!)

So wurden in der Vorbereitung des Gesetzes mit sehr vielen Formulierungen – man könnte es sich als Laie sicher etwas kürzer vorstellen, aber man wollte ja alles einbeziehen – vor allem Datenschutzvorschriften in dieses Gesetz eingebaut. Wenn der Landesbeauftragte für den Datenschutz, der in diesen Fragen ja eher restriktiv ist, einem solchen Gesetz zustimmt, dann kann man wohl sagen, dass auch bei kritischer Betrachtung den Anforderungen des Datenschutzes durch dieses Gesetz Rechnung getragen wird.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Bedenken, Private könnten mit den von der Landesoberkasse gelieferten Daten Missbrauch betreiben, sind nach dem, was man in den letzten Jahren zum Datenhandel gehört hat, durchaus berechtigt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Hört, hört!)

Die Bedenken sind berechtigt; gar kein Zweifel, Herr Kollege Oelmayer. Aber es wurde versucht, alles Mögliche in dieses Gesetz einzubauen, um diese Bedenken zu zerstreuen, und ich kann sie für meine Person, aber auch für die CDUFraktion angesichts der Formulierungen, die wir in diesem Gesetz haben, zurückstellen. Denn alles, was man sich an Schutzvorschriften vorstellen kann, ist da eingebaut.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Stimmt!)

Und noch etwas: Die Justiz und die Landesoberkasse müssen dem Schuldner ja mitteilen, wenn beabsichtigt ist, die Daten an ein solches Büro zu geben. Ich denke, die einfachste Methode, sich dagegen zu schützen, ist, zu bezahlen. Ein besseres Schutzmittel gibt es nicht, als wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen nachkommt. Dann kommt er mit diesem Gesetz gar nicht erst in Konflikt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja!)

Es geht doch lediglich darum, ob die privaten Unternehmen erfolgreicher sind, und ich denke, sie haben bewiesen, dass sie a erfolgreich und b auch sehr zuverlässig sein können. Man muss nicht immer die schwarzen Schafe als Beispiel heranziehen, wenn so etwas privatisiert werden soll.

Ein weiteres Hindernis gegen den Missbrauch, denke ich, ist Artikel 3, der uns verpflichtet, nach drei Jahren eine Überprüfung vorzunehmen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Die Landesregie- rung!)

Allein diese Verpflichtung garantiert, dass wir ein gewissenhaft formuliertes Gesetz verabschieden. Die CDU-Fraktion bittet darum – wir werden zustimmen –, dass wir dies tun. Denn es geht immerhin um Forderungen in Höhe von jährlich 10 Millionen €, die niedergeschlagen werden, und die sollte man holen. Wenn man es rückwirkend betrachtet, geht es sogar um 15 Millionen €, die man noch holen kann. Wir hoffen, sie sind erfolgreich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Stickelberger das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir werden diesen Weg in die Privatisierung der Realisierung von Forderungen der öffentlichen Hand nicht mitgehen.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Genau!)

Wir werden ihn nicht mitgehen, auch wenn es sich zunächst um einen Modellversuch handelt, der auf drei Jahre befristet ist. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Wir gehen diesen Weg deshalb nicht mit,

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das hätte uns auch gewundert!)

weil wir nicht der Auffassung sind, dass er sachlich geboten ist. Zweitens gehen wir ihn nicht mit, weil wir sehen, dass dieser Weg in die falsche Richtung führt.

Ich weiß natürlich, dass wir uns sehr schnell dem Vorwurf der Fundamentalopposition aussetzen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie nicht!)

wenn wir gegen eine Privatisierung im Justizbereich argumentieren, Herr Minister.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das sind wir gewöhnt!)

Gerade der Justizbereich ist sehr sensibel, und da gilt es genau zu prüfen, ob Privatisierung im Einzelfall erforderlich ist.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Stickelberger ist meistens vernünftig!)

Wir gehen diesen Weg bei den Notaren mit. Bei Gefängnissen und bei Gerichtsvollziehern gehen wir ihn nicht mit.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Darüber spre chen wir heute aber nicht!)

Zum Forderungseinzug durch private Unternehmen: Herr Kollege Hollenbach, die Schuldner sind nicht so, wie sie sein sollten. Deswegen brauchen wir Gesetze. Aber die Inkassobüros sind auch nicht so, wie sie sein sollten – aus unserer Sicht.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das werden wir sehen!)

Unser Vertrauen ist da nicht sehr groß.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das müssen wir erst einmal testen! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Mehr Demokratie wagen!)

Die Forderungen, die durch private Unternehmen eingezogen werden sollen, betreffen etwa 4 % der Forderungen, die an sich von der Landesoberkasse einzuziehen sind. Wir fragen uns: Warum macht das die Landesoberkasse nicht erfolgreicher? Warum ist es organisatorisch und personell nicht möglich, entsprechend effektiv tätig zu sein? Im Ausschuss ist angeklungen, dass allein schon die Aussicht, Konkurrenz durch private Unternehmen zu erhalten, bewirkt habe, dass

man dort offensichtlich mehr Forderungen habe realisieren können.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es! In der Tat!)

Warum, Herr Minister, schafft es diese Landesregierung nicht, die personellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Ihre Behörde effizient arbeitet? Das wäre Ihre Aufgabe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens, und dieser Punkt erscheint uns besonders gravierend: Die Übertragung an Private – Herr Kollege Hollenbach, Sie haben das ja im Einzelnen ausgeführt – ist an sehr viele Voraussetzungen geknüpft. Natürlich: Die Unternehmen müssen sich zu entsprechendem Wohlverhalten verpflichten. Es findet eine Auswahl unter den Unternehmen statt. Andere Sicherungen sind auch eingebaut. Aber wir vertrauen diesen Sicherungen nicht. Wenn die Daten einmal herausgegeben und außerhalb des behördlichen Rahmens gelangt sind, befinden sie sich auf dem von Ihnen, Herr Kollege Wetzel, so geschätzten freien Markt und sind deshalb auch für viele zugänglich. Wir glauben, dass sie dann nicht mehr beherrschbar sind. Wir sind nicht bereit, das hinzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Privatisierung ist ein Thema, das uns laufend beschäftigt und uns auf vielen Feldern noch beschäftigen wird. Wir meinen, gerade im Justizbereich sollten wir mit weiteren Freigaben an den Markt sehr vorsichtig sein. Ich glaube, man kann zu Recht feststellen, dass blindes Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit eines ungezügelten Marktes gerade in der letzten Zeit große Dämpfer erfahren hat.

Ich meine, wenn Sie entsprechend organisieren, müsste es möglich sein, dass Forderungsausfälle in dieser Größenordnung für den Staat künftig nicht mehr zu erwarten sind.

Eines möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal sagen: Bei den Forderungen, die hier freigegeben werden sollen, um sie von Privatunternehmen eintreiben zu lassen, handelt es sich um Forderungen, die von Ihrer Behörde als uneinbringlich angesehen werden. „Uneinbringlich“ heißt: Vollstreckungsmaßnahmen haben schon stattgefunden. Die Schuldner können nicht zahlen, weil sie insolvent sind, weil ein Insolvenzverfahren läuft.

Glauben Sie wirklich, dass bei diesen schon als uneinbringlich festgestellten Forderungen Private mehr ausrichten können? Diese Hoffnung teilen wir nicht. Es sei denn, man unterstellt, dass Private in einem Bereich, in dem sich der Staat zu Recht zurückhalten muss, vielleicht mehr können, weil sie möglicherweise – wie viele Fälle zeigen – in einer Grauzone agieren, in die sich der Staat nicht hineinwagt, in der man dann aber auch keine staatliche Kontrolle hat. Vielleicht wird diese Grauzone benutzt, um Forderungen in unrechtmäßiger Weise zu realisieren.

Diesen Weg wird die SPD nicht mitgehen. Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.