Protocol of the Session on October 1, 2008

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Oelmayer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich darf es für unsere Fraktion vorwegnehmen: Wir stimmen dem Gesetzesvorhaben zu,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Sehr schön!)

nicht deswegen, weil wir davor Angst hätten, dass Sie uns als Fundamentalopposition bezeichnen, sondern im Wesentlichen aus zwei Gründen.

Zum einen ist es die zeitliche Befristung, wobei im Übrigen natürlich nicht der Landtag untersucht, sondern die Landesregierung den Auftrag erhält, dem Landtag einen Bericht vorzulegen, und wir davon ausgehen, dass solche missbräuchlichen Vorgehensweisen, wie sie der Kollege Stickelberger gerade beschrieben hat, dann auch dokumentiert werden. Darauf müssen wir uns als Landtag natürlich verlassen.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Richtig!)

Der zweite Grund, warum wir gesagt haben, wir stimmen dem Gesetzesvorhaben zu, das ja zunächst einmal als Pilotverfahren, als Versuch gilt, ist, dass der Landesdatenschutzbeauftragte, der ja gerade nicht als jemand bekannt ist, der den Datenschutz nur en passant nimmt, sondern der ihn sehr streng nimmt, keine Einwände erhoben hat. Viele der Vorgaben – Herr Kollege Hollenbach hat es vorgetragen – sind in das Gesetzesvorhaben eingeflossen, sodass wir jetzt darauf vertrauen wollen – ob wir es können, werden wir nach drei Jahren sehen –, dass da kein Datenmissbrauch stattfindet.

Der Kollege Stickelberger hat schon die richtigen Punkte angesprochen. Aber das müssen wir ausprobieren. „Probieren geht über Studieren“, hat meine Mutter immer zu mir gesagt. An dieser Stelle ist, glaube ich, grundsätzliche Ablehnung nur deswegen, weil es um Privatisierung geht, nicht unbedingt angesagt, sondern wir sollten das ausprobieren, weil wir damit auch die Möglichkeit schaffen, seitens des Landes sowohl Personalaufwand als auch Sachaufwand zu verlagern.

Wie viel wir – das hat der Kollege Stickelberger gesagt – von den 10 Millionen oder den 15 Millionen € an Außenständen jetzt von privater Seite – wobei ich natürlich davon ausgehe, dass es sich um seriöse Beitreibungsmaßnahmen handelt – beitreiben können – sehr viele dieser Schuldner zahlen ja nicht einfach deswegen nicht, weil sie vielleicht den Staat ärgern wollten, sondern sie zahlen oft deswegen nicht, weil sie nicht zahlen können –, das wird der Versuch zeigen. Das soll kein Misstrauen gegenüber den Beamten sein, die bisher dafür zuständig sind, seitens der Landesverwaltung solche Beitreibungsmaßnahmen durchzuführen, sondern es soll einfach dokumentieren, ob private Organisationen erfolgreicher sind. Ich bin selbst Mitinhaber einer Kanzlei,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Ich auch!)

und ich weiß genau, dass Kolleginnen und Kollegen, die sich auf Beitreibungsmaßnahmen spezialisiert haben, vielleicht andere Ergebnisse erzielen können, als das staatlicherseits in der Regel der Fall ist.

Der Kollege Scheffold hat Zweifel. Ich lade Sie gern einmal ein. Dann dürfen Sie gern verfolgen, wie das funktioniert –

ganz legal und ohne Missachtung irgendwelcher Rechtsvorgaben.

Insofern sind wir als Fraktion der Meinung, wir sollten diesen Versuch wagen. Wir tragen diesen Versuch mit, weil, wie gesagt, der Landesdatenschutzbeauftragte keine Bedenken hat. Auch wir sind dieser Auffassung nach Prüfung dieses Gesetzesvorhabens, das doch schon sehr umfangreich ist für eine einfache Maßnahme, die dort jetzt zur Umsetzung kommen soll, und wir begrüßen, dass eine zeitliche Befristung vorgesehen ist.

Kurzum: Wir werden dem Gesetzesvorhaben der Landesregierung zustimmen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Thomas Blenke CDU: Gut!)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Wetzel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hinter der Gesetzesbezeichnung, die etwas spröde klingt – Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes sowie zur Anpassung von Rechtsvorschriften –, versteckt sich die datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die vom Landtag bereits beschlossene Einbindung Privater beim Forderungsmanagement der Landesoberkasse – nicht mehr und nicht weniger.

Aber ich möchte auch daran erinnern, dass wir in diesem Punkt erneut Neuland in Deutschland betreten. Baden-Würt temberg ist das einzige Land, das beabsichtigt oder das auf dem Weg ist

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Musterland!)

das Musterland, richtig –, bereits niedergeschlagene Forderungen an ein privates Unternehmen zu übergeben, um bei der Eintreibung von Forderungen größeren Erfolg zu haben. Mit dem Projekt, das auf drei Jahre festgelegt ist, wollen wir erreichen, dass Gerichtskostenforderungen, die bereits niedergeschlagen sind, von Privatunternehmen geltend gemacht werden können, weil, wie Herr Oelmayer gesagt hat, diese vielleicht bessere, intensivere Möglichkeiten haben, die Schuldner vielleicht besser kennen und wissen, wo diese möglicherweise Geld versteckt haben.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Und wie holen sie das dann?)

Herr Kollege, das Interessante an der Geschichte ist – und aus diesem Grund wundert mich, dass die SPD dem Gesetzentwurf nicht zustimmt –: Mit diesem Gesetz können wir alle nur gewinnen.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wir können alle nur gewinnen, und zwar deswegen, weil uns dieses Gesetz nichts kostet. Die privaten Unternehmen verdienen ihr Geld selbst. Wenn sie Geld eintreiben, verdienen sie, und wenn sie kein Geld eintreiben, verdienen sie nichts. Aus diesem Grund muss man natürlich schon eine besondere Begründung haben, wenn man dieses Gesetz ablehnt, bei dem

das Land nur gewinnen kann. Denn was passiert, wenn man nichts macht? Die niedergeschlagenen Forderungen bleiben niedergeschlagen, und die Schuldner wähnen sich in Sicherheit, dass das Land schon nichts tun werde, egal, wie sich die finanzielle Situation bei den einzelnen Schuldnern entwickelt.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Warum tun Sie dann nichts?)

Es geht ja nichts mehr. Die Forderungen bleiben niedergeschlagen und werden vergessen.

Ich habe auch keine Sorgen, dass da Unfug getrieben wird. Denn wie Sie selbst wissen, Herr Kollege Stickelberger, wurden im Anhörungsverfahren keine grundlegenden Bedenken geäußert. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz hat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Der Landesbeauftragte für Bürokratieabbau hat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart ist mit dem Gesetzentwurf ebenfalls einverstanden. Die kommunalen Landesverbände sind mit dem Gesetzentwurf ebenfalls einverstanden. Sie freuen sich sogar und warten darauf, wie die Ergebnisse sind. Wenn die Ergebnisse positiv sind – was wir erwarten –, wollen sie ebenfalls auf dieser Grundlage gegenüber ihren Schuldnern vorgehen können.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Wetzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger?

Bitte, Herr Abg. Stickelberger.

Herr Kollege Dr. Wetzel, Sie haben jetzt diejenigen erwähnt, die dem Gesetz nicht widersprochen haben.

Ich bin gerade dran. Warten Sie.

Erwähnen Sie auch die, die widersprochen haben, nämlich der Anwaltsverband, die Rechts pfleger, die Gerichtsvollzieher, also alle die, die mit dem Forderungseinzug schon zu tun haben?

Warten Sie. Sie müssen nur warten, dann wird Ihnen alles mitgeteilt.

Der Anwaltsverband Baden-Württemberg hat Bedenken geäußert, und – man höre und staune – der Datenschutzausschuss des Vereins für Credit Management hat auch Bedenken geäußert. Sie halten das Recht der Schuldnerinnen und Schuldner auf informationelle Selbstbestimmung für vorrangig. Sie befürchten auch negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit der Schuldner. Diese Einwendungen überzeugen mich allerdings nicht. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren – darauf haben auch der Kollege Oelmayer und der Kollege Hollenbach hingewiesen –, sämtliche Schuldner werden vor Einleitung der Abtretung der Forderungen an den Privaten angeschrieben, ihnen wird mitgeteilt, die Forde

rungen würden abgetreten, und sie werden auf die Möglichkeit verwiesen, die Schuld zu bezahlen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Eben!)

Das heißt, mit der Bezahlung der Schuld können sie die Bekanntmachung der Daten verhindern.

Außerdem sind im Gesetz weit gehende Kontrollmöglichkeiten vorgesehen. Ferner darf nicht übersehen werden, dass die Schuldner über die vorgesehene Datenübermittlung vorab informiert werden; darauf habe ich schon hingewiesen. Die vorgesehene Forderungseintreibung hat auch keinen Einfluss auf das Gewaltmonopol des Staates. Wenn man merkt, dass der Schuldner tatsächlich Geld hat, aber nicht bezahlt, dann wird selbstverständlich der Gerichtsvollzieher erneut beauftragt. Also, meine Damen und Herren, Sie sehen, auch der Gerichtsvollzieher wird nicht umgangen.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Mit dem Pilotprojekt wollen wir die Optimierungsmöglichkeiten auf der Gläubigerseite eruieren und einen Effizienzvergleich zwischen staatlichen Stellen und privaten Unternehmen ermöglichen. Negative Auswirkungen auf die Auftragslage der Gerichtsvollzieher sind nicht zu erwarten. Das Gegenteil ist der Fall: Ich erwarte, dass die Gerichtsvollzieher dadurch weitere Aufträge haben werden.

Unserem Justizminister und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen danke ich, auch im Namen meiner Fraktion, für dieses sehr innovative und auch fiskalisch interessante Pilotprojekt. Ich gehe davon aus, dass uns die anderen Bundesländer nachahmen werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Justizminister das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon einiges von den Vorrednern angesprochen worden, sodass ich mich mehr oder weniger auf Ergänzungen und einige wesentliche Punkte beschränken kann.

Noch einmal der Ansatz, die Situation, in der wir sind: Der Rechnungshof hat im Jahr 2006 in einer umfassenden Studie festgestellt, dass bei der Landesoberkasse Baden-Württemberg Jahr für Jahr Forderungen der Justiz von rund 10 Millionen € niedergeschlagen und nicht mehr weiterbearbeitet werden.