Protocol of the Session on June 26, 2008

Aber, meine Damen und Herren: Wir wollen mehr. Das steht auch deutlich in dem Plan. Wir wollen noch mehr als friedliches Zusammenleben oder Vollbeschäftigung. Wir wollen Chancengleichheit. Wir wollen, dass bei uns jeder junge Mensch, jeder Bürger aus seinen Talenten dasselbe machen kann, dass insbesondere jedes Kind dieselben Chancen hat, ins berufliche Leben hineinzukommen, einen sozialen Aufstieg zu erleben. Alle sollen die gleichen Chancen haben. Darum geht es bei dem nächsten Schritt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Um das, was wir haben und was wir vorhaben, richtig zu definieren: Für mich war der Beitrag des italienischen Generalkonsuls bei einer Anhörung am letzten Montag interessant. Diese Anhörung war übrigens sehr konstruktiv und sehr interessant. Dass manche Leute dabei auch sagen: „Hier solltet ihr mehr tun, und hier wissen wir es besser“, ist das Wesen einer solchen Anhörung. Das ist völlig klar.

Lieber Herr Wölfle, Sie waren übrigens gar nicht anwesend und trauen sich – –

(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Ich war ja auch nicht eingeladen! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie sind in Ihrer Fraktion noch nicht so richtig integriert, Herr Wölfle!)

Ein Mitarbeiter Ihrer Fraktion war dort. Dies nur am Rande.

Diese Anhörung war konstruktiv. Wir haben aus ihr sehr viel mitgenommen.

Unter dem Aspekt des eben Gesagten war ein Beitrag interessant: Der italienische Generalkonsul hat darauf hingewiesen, dass die italienische Bevölkerungsgruppe zwar nicht schlecht integriert sei – das wird auch niemand bestreiten –, aber eben, wie er sich ausgedrückt hat, im unteren Teil der Gesellschaft.

Es gilt ein bisschen über alle Gruppen mit Migrationshintergrund hinweg, dass wir eigentlich eine ordentliche Integration haben, aber diese eher im unteren Teil der sozialen Schichten stattfindet. Das wollen wir in den kommenden Jahren ändern, und zwar über einen verbesserten Bildungszugang für Kinder aus Migrantenfamilien. Das ist ein absoluter Schwerpunkt dieses Plans. So ist die logische Reihenfolge. Wir wollen die Sprache verbessern, den Bildungszugang verbessern,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Darüber haben wir gestern ausgiebig diskutiert!)

und dadurch werden wir die Situation der Migrantenfamilien und ihrer Kinder verbessern. Da liegt der Hebel, da liegt der Schlüssel. Da muss man ansetzen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Nach meiner festen Überzeugung hängt mit der Frage „Sprache oder Sprachlosigkeit?“ fast alles andere zusammen, auch das, was man gelegentlich als „sozialräumliche Segregation“, als eine Art Gettobildung, als Parallelgesellschaften bezeich

net. Das hängt doch alles mit der Frage „Sprache oder Sprachlosigkeit?“ zusammen.

Deswegen ist dort der Schlüssel zu suchen. Dieser Plan setzt dort auch einen absoluten Schwerpunkt, auf den ich gleich zu sprechen komme.

Vorher sage ich aber noch: Natürlich enthält dieser Plan auch eine Bestandsaufnahme. Es wurde vorhin ganz richtig dargestellt: Auch die Bestandsaufnahme ist wichtig. Es ist wichtig, zu wissen: Was passiert im Land an Gutem, an Vorbildlichem? Was kann man sich von anderen abschauen? Dazu muss ich natürlich zunächst einmal erfassen, was da ist. Es ist nicht wenig, was da ist. Das würde ich auch nicht mit der Aussage „runtermachen“, der Plan enthalte ja nur eine Bestandsaufnahme. Darin sind vielmehr viele wertvolle Aktivitäten vieler erfasst.

Eine erste Aufgabe des Integrationsbeauftragten und eine ers te Aufgabe dieses Plans ist es, transparent zu machen, was passiert und wo die besten Ansätze sind –

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

modisch mit „Best practice“ ausgedrückt. Das ist ein erster wichtiger Bestandteil dieses Plans. Aber darauf aufbauend gibt es natürlich neue Aktionen, die uns erheblich voranbringen werden und die im Mittelpunkt des Plans stehen.

Ich spreche die Sprachstandserhebung an, die rechtzeitige Feststellung von Sprachdefiziten und den Plan, die eineinhalb Jahre vor der Einschulung konsequent zu nutzen. Ich sage Ihnen jetzt schon: In wenigen Jahren wird es mit dem Bildungszugang anders aussehen, wenn wir Sprachdefizite eineinhalb Jahre vor Beginn der Schulzeit konsequent erfassen und die Zeit nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

So können wir am meisten ausrichten.

Nun ist es natürlich ein bisschen witzig – dies sei an die Fraktion GRÜNE gerichtet –, dass Sie mir heute alles Mögliche vorwerfen, dass ich aber erst vor wenigen Tagen in der Zeitung lesen konnte, dass wir mit dem Sprachtest zu früh dran seien.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Tja!)

Damit hätte man nach Ihrer Meinung noch ein Jahr warten können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP zu den Grünen: Wie hätten Sie es denn gern? – Zuruf der Abg. The- resia Bauer GRÜNE)

Das ist schon ein bisschen originell. Es stimmt natürlich auch in der Sache nicht.

Wir müssen einfach einmal anfangen. Es gibt mit dem Sprachtest schon ausreichend Erfahrungen, allein schon deswegen, weil die Landesstiftung Baden-Württemberg schon seit einigen Jahren mit einem Sprachtest arbeitet und dies ganz gut funktioniert.

Aber es ist natürlich das Wesen einer im Großen und Ganzen orientierungslosen Opposition, zu behaupten, das eine Mal

machten wir zu wenig, ein anderes Mal seien wir zu schnell. Das ist an dieser Stelle nicht ganz ernst zu nehmen.

Ein bisschen witzig ist übrigens auch, wenn es heißt, wir sollten schon jetzt alle Sprachförderprogramme, die wir durchführen wollen, genau definiert haben. Wir haben eine Gesetzesnovelle, die noch in diesem Jahr ins Parlament kommt. Ich möchte an dieser Stelle aber sagen, dass wir schon auch noch flexibel genug sein müssen, um auf das reagieren zu können, was wir in der Sprachstandserhebung mitbekommen. Die Sprachstandserhebung ist eine Diagnose. Anschließend werden wir differenzierte und flexibel angelegte Förderkonzepte brauchen. Da kann man nicht jede Situation über den gleichen Kamm scheren; da ist Fantasie gefragt, und da ist Geld gefragt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Die Kommunen!)

Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir einen Beschluss gefasst haben, der Geld kosten wird. Jedem und auch uns ist natürlich klar, dass man anschließend Geld in die Hand nehmen muss – auch das Land.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir werden es sicher nicht so machen, wie es der Bund gelegentlich tut. Wir werden nicht etwas beschließen und sagen: Wer es am Ende zahlt, ist uns egal.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir beachten die Konnexität!)

Wir hingegen wissen, was wir vorhaben, und wissen, dass die se Maßnahmen auch das Land Geld kosten werden. Wir sind bereit, gemeinsam mit den Kommunen die Konsequenzen aus der Sprachstandserhebung zu ziehen. Wir werden nicht einfach versuchen, das den Kommunen zuzuschieben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

In engem Zusammenhang mit der Sprachförderung ist ein weiterer Schwerpunkt des Plans zu sehen: die Elternbeteiligung. Wir wollen die Eltern konsequenter in die Sprachförderung einbeziehen als früher. Durch die PISA-Studie wissen wir, dass es eine große Rolle spielt, ob zu Hause in der Familie deutsch gesprochen wird oder nicht. Das liegt auf der Hand. Wir werden nicht erreichen können, dass in allen Familien deutsch gesprochen wird – das ist vielleicht ein etwas zu ehrgeiziges Ziel –, aber wir müssen wissen, dass die Kinder es anschließend schwerer haben, wenn in der Familie wenig deutsch gesprochen wird. Vor allem könnten wir noch viele Eltern in Sprachfördermaßnahmen locken. Es gibt landauf, landab ausgezeichnete Beispiele, wie man insbesondere die Mütter – gerade die Mütter sind im realen Alltag in der Regel ausschlaggebend, in den meisten Fällen auch in Migrantenfamilien – in Sprachfördermaßnahmen einbeziehen kann

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Es heißt ja auch „Muttersprache“!)

und damit gleichzeitig die Deutschkenntnisse der ganzen Familie verbessern kann. Das wird ein weiterer Schwerpunkt dieses Plans sein. Erst vor wenigen Tagen haben wir in Back

nang den zweiten Elternkongress durchgeführt, um die Eltern anzusprechen.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Dies ist ein weiterer Schwerpunkt des Plans, der eng mit dem ersten zusammenhängt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wenn dazu noch ein Satz gestattet ist: Meine persönliche Überzeugung lautet: Erst wenn wir dieses Problem einigermaßen gelöst haben und die Kinder schulfähig in die Schule kommen, erst wenn es innerhalb einer Schulklasse nicht mehr Entwicklungsunterschiede von eineinhalb Jahren gibt, können wir meiner Meinung nach überhaupt erst fundiert über weitere Fragen der Schulstruktur diskutieren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr richtig! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, der Plan enthält natürlich noch weitere neue Vorschläge. Es ist ganz klar: Wir wollen mit diesem Plan Neues bieten. Dazu haben wir Vorschläge selbst entwickelt. Insofern ist es nicht ganz ernst zu nehmen, wenn es ständig heißt, der Plan enthalte keine Vorschläge.

Ich habe die Sprachstandserhebung angesprochen: Sie ist ein Riesenprogramm, muss man sagen, das auf uns zukommt. Aber ich nenne beispielsweise auch die Bildungscoaches, also die Möglichkeit, die wir in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium und dem Wissenschaftsministerium entwickelt haben, bei der Lehramtsstudierende innerhalb ihres Studiums einen Leistungsnachweis erwerben können, indem sie sich um eine Familie mit Migrationshintergrund, um ein Kind kümmern. Es geht in vielen Fällen doch nur darum, dass man die Distanz überwindet, dass man Informationen anbietet, damit die Betroffenen überhaupt wissen, in welche Schulen ihr Kind gehen kann, wie so etwas funktioniert, was die Grundschulempfehlung bedeutet usw. Da werden wir die Studierenden für das Lehramt frühzeitig einbeziehen können.

Wir haben in diesem Plan, ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium, die Bildungsvereinbarung genannt. Auch das ist eine sehr gute Sache, die teilweise im Land natürlich schon praktiziert wird. Bildungsvereinbarung bedeutet: Die Schule schließt mit den Eltern eine Vereinbarung, in der niedergelegt ist: Was wird eigentlich von der Schule erwartet? Was wird vom Kind erwartet, was wird von der Familie erwartet? Das ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Eltern einzubeziehen.

Es gibt viele andere Vorschläge mehr, die neu sind, ob es die Vereinbarung des Verfahrens zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen ist, ob es die Unterstützung der Existenzgründung bei Migranten ist, ob es neue Projekte zur Integration in den Arbeitsmarkt sind. Neu angesprochen wird die Förderung der Forschung. Dieser Plan enthält viele neue Ansätze. Er kann sie enthalten, weil viele daran mitgewirkt haben, bei denen ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken möchte.