Protocol of the Session on April 3, 2008

Die Luft ist nach wie vor belastet. Geändert hat sich nicht viel.

Frau Berroth, Sie haben aus meiner Sicht zu Recht kritisiert, dass die Wirkung der Umweltzonen relativ bescheiden ist. Schließen Sie sich dem Vorschlag an, den wir gemacht haben. Ich präzisiere ihn nachher noch einmal.

Die SPD hat mutige Schritte gefordert: Stuttgart 21 nur mit Baufahrzeugen, die die entsprechende Plakette haben. Mutige, mutige Opposition! Aber auch Sie haben gesagt, es bedürfe unbürokratischer Lösungen. Schließen Sie sich dem Vorschlag an, den wir gemacht haben!

Frau Berroth, als Stuttgarter darf ich noch einen Hinweis geben: Der VfB bietet für all seine Heimspiele vernünftigerweise ein Kombiticket an.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Davon könnten sich manche eine Scheibe abschneiden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aus Paris kom- men Sie mit dem Kombiticket schwer hierher! – Ge- genruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Aus Paris kommt man super hierher!)

Wenn aus Paris jemand mit dem Auto zum Stadion fährt, ist er selbst schuld.

(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Aber egal, lassen wir das weg.

Mir und meiner ganzen Fraktion tut es letztlich weh, das Thema Umweltzone nicht nur positiv begleiten zu können, sondern auch kritisieren zu müssen. Was die Verringerung der Feinstaub- und der Umweltbelastung angeht: Weniger liegt uns mehr am Herzen. Das gilt erst recht für mich als einen Vertreter – –

(Unruhe)

Jetzt ist es wieder gut. Der TGV fährt bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof, und dort kann man umsteigen und direkt zum Stadion fahren – alles auf der Schiene. Das wissen die meis ten. Damit haben wir das Thema VfB abgearbeitet.

Als jemandem, der aus Stuttgart kommt und damit nach wie vor ein Vertreter der Stadt mit dem dreckigsten Platz in der Bundesrepublik ist, liegt mir das Thema „Verringerung der Feinstaub- und der Umweltbelastung“ am Herzen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sonst ist es eine schöne Stadt!)

Ich habe damit nicht in Zweifel gezogen, dass Stuttgart eine schöne Stadt ist.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sauber auch! – Zu- ruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Aber diese rote Laterne würden wir gern abgeben. Wir Grünen haben heftig für Aktionen und für Luftreinhaltepläne gestritten. Lange hat es gedauert, aber dann waren doch ein paar echt gute Maßnahmen dabei: Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, Stärkung des öffentlichen Verkehrs überhaupt, Ausbau des Fahrradverkehrs – dazu kommen wir heute Nachmittag noch –, mehr Grün in die Städte. Wirklich gab es ein paar gute Ideen, ein paar gute Maßnahmen. Dabei war auch ein Fahrverbot für besonders umweltbelastende Kisten. Das war eine gute Idee. Es war auch eine gute Idee, Umweltzonen einzurichten. Im Stuttgarter Plan steht sogar noch: Es wird geprüft, ob die ganze Region Stuttgart zur Umweltzone erklärt werden kann. Das wäre auch vernünftig gewesen.

2006 haben wir Grünen noch gefordert: Gebt Gas, setzt um! 2007 kam die erste Ernüchterung, als klar wurde, was alles ausgenommen wird, welche Fahrzeuge nicht betroffen sind.

Frau Ministerin Gönner, an dieser Stelle Respekt; Sie haben Flagge gezeigt und denjenigen, die noch mehr verwässern wollten, Paroli geboten, auch dem Oberbürgermeister dieser Stadt hier. Das war vernünftig. Trotz alldem war 2008 unsere Erschütterung vollständig, als klar wurde, wie wenige Fahrzeuge tatsächlich betroffen sind. Wir fingen an, Sinn und Wirkung der Umweltzonen in Zweifel zu ziehen.

Wir Grünen wissen besonders: Umweltschutzmaßnahmen, die Einschränkungen für den Bürger bedeuten – erst recht, wenn es um das „heilige Blechle“ geht –, müssen besonders glaubwürdig, verständlich und gerecht sein. Klimaschutz – korrekter formuliert: die Verringerung der Umweltbelastung – wird endlich von großen Teilen der Bevölkerung als notwendig verstanden. Es wird auch verstanden, dass das mit eigenem Verhalten zu tun hat und nicht mehr nach dem Motto geht: Rettet das Klima, ich fahre derweil noch eine Runde.

„Glaubwürdig, verständlich und gerecht“ lauten die Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung akzeptiert werden. Zwischen dem Plan mit guter Absicht und der Realisierung sind diese Kriterien auf der Strecke geblieben. Es entstand ein enormer bürokratischer Aufwand mit kaum mehr erkennbaren umweltrelevanten Wirkungen. Die Zahl der betroffenen Fahrzeuge hat immer mehr abgenommen. Viele waren erstaunt, dass sie mit ihren alten Kisten sogar noch eine grüne Plakette erhalten haben. Ich übrigens auch.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann hätten Sie halt eine neue Kiste gekauft! Vor- bildfunktion! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Haben Sie als Umweltpolitiker kein neues Auto? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er lässt es draußen vor der Stadt stehen!)

Mein Vorteil ist, dass meine Kiste die meiste Zeit steht

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Meine auch!)

und ich sonst mit dem Fahrrad fahre.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da gibt es auch Rei- fenabrieb!)

Vielleicht treffen wir uns da ab und zu.

Zurück zur Sache. Es ist immer besonders beliebt – das habe ich jetzt in diesem Gremium gelernt –, von anderen Einschränkungen zu fordern. Jeder weiß am besten, was abzugeben ist. Daraus auf die große Politik zu schließen, scheint hier – das habe ich gelernt – üblich zu sein.

Wer soll verstehen, dass in manchen sogenannten Umweltzonen die am meisten befahrenen Straßen vom Verbot ausgenommen sind? Die Grenzziehung mancher Zonen hat häufig nur noch Kopfschütteln verursacht. Ein gutes Beispiel dafür ist Ludwigsburg. Wir Grünen haben uns kritisch zu den Zonen geäußert, weil wir wissen, dass unsere Umwelt, aber vor allem die betroffenen Bewohner wirksame Medizin brauchen und keine Placebos. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen uns. Die Nachrüstquote fällt noch geringer aus als erwartet.

Wir werden die Sorge nicht los, dass mit der Einrichtung der sogenannten Umweltzonen weitere notwendige Maßnahmen

nicht in Angriff genommen werden, und zwar nach dem Motto: Wir haben doch etwas getan. Die Klagemöglichkeit – Münchener Urteil – wird dadurch ausgehebelt, dass wir ja einen Umweltplan haben. In Stuttgart – Frau Grünstein, Sie haben es schon angesprochen – ist schon im ersten Vierteljahr der gesetzliche Grenzwert überschritten.

Nun zum Unterschied, der zu meinen beiden Vorrednerinnen besteht: Im Unterschied zu Ihnen und im Unterschied zum ADAC oder vergleichbaren Institutionen haben wir uns angestrengt und versucht, bessere Vorschläge zu machen. Wir haben uns daran erinnert, was jedes Auto muss: Es muss regelmäßig alle zwei Jahre zum TÜV bzw. zur Hauptuntersuchung. Unser Vorschlag ist: Wer sein Auto nicht nachrüstet, obwohl es technisch möglich wäre, kommt nicht mehr durch die Prüfung; er fällt durch, so wie dies der Fall ist, wenn etwa die Reifen abgefahren sind. Eine einfache, verständliche und gerechte Lösung.

(Beifall bei den Grünen)

Die Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag ist wenig ehrgeizig:

Einer zeitlichen Begrenzung der Zulassung von Fahrzeugen aus Luftreinhaltungsgründen stehen europäische und nationale Regelungen entgegen.

Ende der Botschaft. Aber damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir wissen, dass es beim Thema Umweltschutz schon immer notwendig war, dicke Bretter zu bohren.

Wenn es möglich ist, Vorschriften zum Anlegen von Sicherheitsgurten oder zum Mitführen von Verbandkästen zu erlassen, warum soll es dann nicht möglich sein, umweltrelevante Vorgaben zu machen und dann, wenn die Ausrüstung nicht mehr den Kriterien entspricht, nach einer gewissen Übergangsfrist Fahrzeuge auch stillzulegen? Warum sollten wir diesen Weg nicht beschreiten? Wenn es möglich ist, vorzuschreiben, dass Heizungen stillgelegt werden müssen, wenn sie nicht modernisiert werden, warum soll das beim Auto nicht möglich sein?

Machen wir einen Anfang! Schließen Sie sich unserem Antrag an!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Thomas Knapp SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Lusche das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß zwar nicht, ob ich über die rhetorische Gewandtheit der Frau Ministerin verfüge,

(Heiterkeit der Ministerin Tanja Gönner)

aber ich gebe zu: Insbesondere nach Ihrem Beitrag, Frau Kollegin Berroth, muss ich von meinem ursprünglichen Konzept wohl etwas abweichen.

Sie haben eingangs gesagt – das war im Übrigen auch die Botschaft in der Debatte, die wir im vergangenen Mai schon ein

mal über dieses Thema geführt haben –, dass Sie hinter der Politik und der Konzeption der Landesregierung stehen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ich bin für wir- kungsvolle Maßnahmen! Das ist etwas anderes! – Zu- rufe von den Grünen: Wie beim Nichtraucher- schutz!)

Ich muss jetzt ehrlich zugeben: Angesichts Ihrer nachfolgenden Rede kann ich das nur sehr schwer in Einklang miteinander bringen.

(Unruhe – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP)

Ein großer Automobilverband ist ebenfalls schon angesprochen worden. Wir haben bei dieser Thematik zwangsläufig Zielkonflikte – auch das haben wir schon im Mai 2007 erörtert. Wir haben Zielkonflikte zwischen der Biomassenutzung und dem CO2, das bei der Verfeuerung entsteht. Wir haben Zielkonflikte zwischen Mobilitätserfordernissen und dem, was durch Aufwirbelung und Auspuffe an Feinstaub entsteht. Letztlich läuft die Diskussion darauf hinaus, wie man solche Zielkonflikte auflösen kann.