Wir sollten uns doch darüber freuen, dass diejenigen, denen oft unterstellt wird, sie würden sich in unserer Gesellschaft eher abschotten,
ganz klar sagen: Wir wollen den muttersprachlichen Unterricht hier im staatlichen Schulsystem stärker integriert haben. Das ist ein positives Signal in der Integrationsgesellschaft, finde ich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es schon angedeutet: Die Integration des muttersprachlichen Unterrichts wird natürlich nur schrittweise erfolgen können. Z. B. müssen in einem ersten Schritt die Muttersprachen vermehrt regulär als zweite und dritte Fremdsprache an den Schulen angeboten werden. Das ist mit den regulären Deputaten an der Schule leistbar.
Zweitens: In den Arbeitsgemeinschaften der Schule müssen die muttersprachlichen Angebote als reguläres Angebot integriert werden. Dazu müsste auch der Ergänzungsbereich mit den dafür notwendigen Stunden herangezogen werden.
In der Ganztagsschule können wir die Muttersprachen sehr gut als erweiterte Bildungsangebote integrieren. Dazu können wir auch Lehrbeauftragtenmittel und Jugendbegleitermittel in Anspruch nehmen. Schließlich kann auch auf die Mittel der Konsulate zurückgegriffen werden, indem wir die Konsulate für das Modell einer stärkeren Integration gewinnen.
Wir sehen auch, dass schon heute vom italienischen Generalkonsulat der muttersprachliche Unterricht auch für deutsche Kinder und für Kinder anderer Herkunft geöffnet wird.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Haben Sie mit denen geredet? – Gegenruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)
Ja, mit denen habe ich geredet. – Das ist genau der Weg, den bereits einige Konsulate vorschlagen. Deshalb gilt es jetzt, Herr Staatssekretär Wacker, endlich auch im Kultusministerium für Bewegung zu sorgen, damit wir diesen schrittweisen Übergang zu einem Regelangebot an den Schulen schaffen. Wir müssen unserer staatlichen Verantwortung gerecht werden. Es kann nicht sein, dass ein Angebot, das an den Schulen eingerichtet wird, so ausgestaltet ist, dass wir überhaupt nicht wissen, was in den betreffenden Stunden passiert. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass das Angebot Bestandteil unserer staatlichen Bildungspolitik wird.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann wird das aber Konsequenzen bis zum Abitur haben! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)
Wir brauchen außerdem – auch das ist ein Bestandteil der Eckpunkte, die wir heute vorgelegt haben – mehr Muttersprachler unter unseren Lehrkräften. Ich habe schon gesagt: Wir haben bei den Erwachsenen insgesamt einen Migrationsanteil von 25 % in unserer Gesellschaft.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir machen Türkisch zum Abifach! – Gegenruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Was wäre daran schlimm?)
Das heißt, wir müssen die Förderung auch so ausrichten, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund Lehrer oder Lehrerin werden. Auch sie können dann die Aufgabe des muttersprachlichen Unterrichts regulär im Unterricht leisten. Dazu müssen Sie Anstrengungen leisten. Diese haben Sie bisher völlig vernachlässigt.
Ich fasse zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer den muttersprachlichen Unterricht wertschätzt, was Sie ja inzwischen zum Glück tun, muss ihn auch reformieren wollen. Ein muttersprachlicher Unterricht, der nach einem Modell der Rückkehr in die Herkunftsländer ausgestaltet ist, ist nicht zukunftsfähig in der Integrationsgesellschaft. Deshalb bitte ich Sie heute, unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Rastätter hat richtigerweise darauf hingewiesen: Es ist noch nicht allzu lange her, dass wir über genau das gleiche Thema diskutiert haben. Das war im März. Auslöser waren vielleicht weniger Aussagen des Justizministers als vielmehr die Weigerung des – jedenfalls damals von den Bürgerinnen und Bürgern noch gewählten – Oberbürgermeisters von Rastatt, Schulräume für den muttersprachlichen Unterricht zur Verfügung zu stellen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat am 19. Oktober zumindest einmal im Wege einer einstweiligen Verfügung klargestellt und dies auch der Stadt Rastatt ins Stammbuch geschrieben, dass die Schulräume zur Verfügung zu stellen sind.
(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Hat Sie das Urteil ver- wundert? – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD – Ge- genruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Ich vermute einmal, dass der Streit mit dem inzwischen gewählten Oberbürgermeister sicherlich nicht in der gleichen Weise eskaliert wäre. Denn Herr Pütsch hat ja auch schon relativ früh deutlich gemacht,
dass er die Berechtigung des muttersprachlichen Unterrichts für Kinder mit Migrationshintergrund anerkennt und auch bereit sein wird, Klassenräume zur Verfügung zu stellen.
Was an der einstweiligen Verfügung des VGH auch interessant war: Der VGH hat klargestellt, dass die Frage, ob muttersprachlicher Unterricht schulpolitisch und integrationspolitisch sinnvoll und geboten scheint, allein in der Kultushoheit des Landes zu entscheiden ist.
Wir haben in der Plenarsitzung am 15. März 2007 sehr wohl vor dem Hintergrund diskutiert, dass es ein Spannungsfeld zwischen muttersprachlichem Unterricht auf der einen Seite und Integration auf der anderen Seite gibt – Integration in unser Land, unsere Gesellschaft und unsere Sprache. Dem steht die Verbindung zu den Herkunftsländern und den Herkunftskulturen über den muttersprachlichen Unterricht gegenüber.
Wir haben uns damals dennoch für die Weiterführung des muttersprachlichen Unterrichts im Konsulatsmodell ausgesprochen. Ich glaube schon, dass das bis heute seine Richtigkeit hat.
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Schauen Sie sich einmal die Qualität des muttersprachlichen Unterrichts an!)
Denn unsere Aufgabe als Land und die zentrale Aufgabe der Schule bleibt es eben, Kindern – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – die solide Beherrschung der deutschen Sprache zu vermitteln.
Ganz ohne Zweifel – das hat auch Frau Kollegin Rastätter eingeräumt – sind gute Deutschkenntnisse natürlich der Schlüssel zu Bildung; sie sind ausschlaggebend für den schulischen Erfolg
und im Weiteren natürlich auch für den beruflichen Erfolg und bilden die Basis für eine gelingende Integration.
Ich will jetzt nicht nochmals darauf eingehen, welchen Herausforderungen wir da gegenüberstehen. Das wissen wir, glaube ich, alle. In der Plenardebatte im März habe ich deutlich gemacht, was wir an integrationspolitischen Leistungen erbringen und welche Maßnahmen wir dabei ergreifen, und will das jetzt nicht wiederholen.
Selbstverständlich ist Mehrsprachigkeit bei Kindern auch ein Potenzial, das es ebenfalls zu nutzen und zu fördern gilt.
Wir alle wissen: Als Exportland – jetzt hätte ich fast gesagt: als Exportnation – sind wir auf dem nationalen wie auch auf dem europäischen Markt unterwegs. Da gehört es für die Konkurrenzfähigkeit in Wirtschaft und Arbeitsmarkt einfach dazu, mehrsprachig zu sein.
Aber ganz unabhängig davon: Das ist an baden-württembergischen Schulen bereits Realität. Wir haben ohnehin vielfach schon die unterschiedlichsten Sprachangebote – von Italienisch über Spanisch und Russisch bis hin zu Türkisch – in den unterschiedlichsten Schulen und Schultypen im Rahmen des Regelunterrichts.
Auch die Kooperation zwischen den Lehrkräften des muttersprachlichen Unterrichts und der Regelschule ist gewährleis tet. Da ist die Realität doch wirklich ein bisschen anders, als Sie das vorhin beschrieben haben.
Ich selbst vertrete einen Wahlkreis, in dem nicht ganz wenige Kinder mit Migrationshintergrund leben. Da gibt es natürlich sehr viel muttersprachlichen Unterricht. Ich habe selten so viel Engagement erlebt wie gerade bei diesen Lehrkräften – weit über das hinaus, was im Konsulatsunterricht erfolgt –: in der Kooperation mit der Schule, aber auch, was das gesellschaftliche Engagement betrifft. Das will ich an dieser Stelle einfach einmal sagen.
Etwas zur Finanzierung zu sagen, spare ich mir jetzt, weil meine Redezeit zu Ende geht. Die Vorstellungen, die Sie dazu entwickeln, sind absurd und gehen zulasten des Regelunterrichts. Wenn ich mir das vorstelle: Sie wollen den Regelunterricht aus dem Ausland heraus finanzieren lassen – Regelunterricht in Baden-Württemberg! Es tut mir leid, ich bin der Meinung, dass Schule Sache des Landes ist, aber nicht Sache