Protocol of the Session on October 11, 2007

Wenn Sie, liebe Kollegin Kipfer und Herr Pix, hier vorne am Rednerpult gesagt hätten: „Wir fordern mehr Transparenz für Versicherungsverträge; sollen doch mal die Versicherungen ihre Provisionen etc. offenlegen“, dann hätte ich das verstanden. Das wäre vergleichender Verbraucherschutz.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bravo!)

Dann wäre nämlich eines deutlich geworden: dass jedes Versicherungsunternehmen für genau solche Leistungen wahnsinnig hohe Provisionen erhebt, die jeder Verbraucher zu zahlen hat, die jedoch nirgendwo transparent auftauchen.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Dann wäre auch deutlich geworden, dass die Leistungen, die die Verbraucherzentralen erbringen – sowohl die Grundleis tung als auch die Einzelleistungen – zu in diesem Verhältnis äußerst kostengünstigen Sätzen erbracht werden.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig! – Bei- fall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Frau Kipfer und Herr Pix, kommen Sie mir nicht mit den einkommensschwachen Familien. Gerade die einkommensschwachen Familien profitieren bei der Einzelberatung am meisten, weil das den Erhebungen nach nämlich genau die sind, die – gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen – in die Fallen der hochpreisigen und qualitativ häufig auch eher geringer zu bewertenden Anbieter hineinlaufen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Deshalb muss man sehr wohl ein Stück weit abschichten. Sie haben natürlich recht: Die Hürde ist zunächst einmal da – vermeintlich. Tatsächlich wäre sie nicht da, wäre es gelungen – und Sie hatten, jedenfalls auf Bundesebene, in den letzten Jahren hierfür genug Zeit –, Hürden gerade im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Versicherungswirtschaft abzubauen, und zwar durch mehr Transparenz, durch verpflichtende Transparenz, die dann auch ausgewiesen wird. Auch das gehört zur Klarheit und zur Wahrheit, die wir in der Verbraucherpolitik brauchen und wollen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das können Sie doch jetzt umsetzen!)

Deshalb, meine Damen und Herren: Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass gute Beratung, gerade für den Einzelfall, bei der Individualberatung, etwas kosten muss. Das entspricht unserem Grundverständnis. Dass sie nicht unbedingt kostendeckend erfolgen muss, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber sie muss etwas kosten, wenn hierfür Zeit und Mühe aufgewandt wird. Dass sie nachgefragt wird, meine Damen und Herren,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

zeigen genau Ihre Beobachtungen, wonach die Wartezeiten häufig lang sind.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Die personelle Ausstat- tung ist zu dünn! – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Mur- schel GRÜNE)

Sie haben ja recht; wir könnten noch ein Stück weit mehr tun. Das ist wahr. Das will ich ja gar nicht verhehlen. Aber wahr ist, dass sie auch nachgefragt wird.

Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt im Bereich der Verbraucherzentralen, nämlich zur Frage der stabilen Finanzierung bzw. deren Struktur. Wir haben in Baden-Württemberg eine einzigartige Situation; das ist natürlich wahr. Wir haben als einziges Land frühzeitig entschieden – wohlgemerkt: die Verbraucherzentrale hat das entschieden und nicht das Land, aber das geschah mit Unterstützung des Landes; Frau Kipfer, Sie waren dabei und haben das nicht nur mitgetragen, sondern zu Recht, wie ich ausdrücklich konstatieren muss, vorangetrieben –,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Richtig!)

dass die Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg zentralisiert arbeitet. Sie bietet ihre Dienstleistungen zunächst einmal über Telefon und daneben inzwischen natürlich verstärkt auch im Internet und damit elektronisch an. Dieser Weg war und ist richtig.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Deshalb sind die Zahlen, die man heute so schön miteinander vergleicht – nach dem Motto: in Bayern 13 Cent, in BadenWürttemberg 19 Cent und in Sachsen 50 Cent –, nicht sehr aussagekräftig. Wenn Sie einmal schauen, wer die höchsten Pro-Kopf-Beträge an die Verbraucherzentralen zahlt, dann stellen Sie fest, dass das genau die Nehmerländer im Finanzausgleich sind; das will ich sozusagen in Klammern hinzufügen.

Sie haben ja recht: Wir sind wirtschaftsstark. Aber Tatsache ist: Uns bleibt in Baden-Württemberg im Länderfinanzausgleich letzten Endes deutlich weniger als vielen anderen, gerade den Empfängerländern.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das ist eine schwache Ent- schuldigung!)

Wir liegen eben nur an elfter oder zwölfter Stelle von fünfzehn; das ist die Wahrheit.

Zurück zum Thema: Wir sind zentral aufgestellt, und das hat sich meines Erachtens auch als richtig herausgestellt. Das war zukunftweisend, und vor allem hat der Verbraucher einen Riesenvorteil: Er bekommt in den ihn berührenden Fragen als Ansprechpartner auch immer eine kompetente Person. Denn die Dezentralität hat natürlich den Nachteil, dass, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, zwar die Zentrale besetzt ist, aber es – und das ist doch ganz klar – bei der Fülle der Themen gar nicht möglich ist, als Einzelperson in technischen Fragen, in wirtschaftlichen Fragen, in Fragen zu Finanzdienstleistungen oder in Ernährungsfragen umfassend Bescheid zu wissen. Das haben wir, meine ich, in Baden-Württemberg frühzeitig zukunftweisend und gut gelöst. Deshalb sind unsere Aufwendungen seitens des Landes auch in einem anderen Licht zu sehen, weil

sie meines Erachtens durch die Verbraucherzentralen deutlich effizienter eingesetzt werden.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Die Nachfrage ist doch ge- stiegen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ziel ist es, Information, Aufklärung und Transparenz zu fördern. Ich hätte mir, liebe Kollegin Kipfer, eigentlich schon gewünscht, dass Sie uns bei der einen oder anderen Aktion oder dem einen oder anderen Thema, wenn es um Information, Transparenz oder auch den Schutz des Bürgers vor Belästigungen geht, seitens der Sozialdemokratie etwas mehr unterstützen würden.

Das, was Frau Zypries gerade im Bereich des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vorbereitet, ist ein Hohn für alle. Das muss man einfach einmal festhalten. Tagtäglich werden über 900 000 Menschen in Deutschland von irgendwelchen unlauteren Telefonanbietern belästigt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das geschieht jeden Tag. Das ist schon unlauter; so steht es nämlich bereits im Gesetz. Es gibt aber hierfür weder eine Sanktion, noch sind die Folgen, die sich aus solchem unlauteren Handeln ergeben, letztendlich irgendwo sanktioniert. Das heißt, dass Verträge, die abgeschlossen sind, auch tatsächlich wirksam sind. Gerade die Verbraucher, die besonders geschützt werden müssen, die älteren Menschen, diejenigen, die sich nicht so gut auskennen, leiden darunter. Da hätte ich mir von den Sozialdemokraten gewünscht, dass man die Verbraucher – gerade mit Blick auf diese Klientel –

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

vor den Finanzhaien schützt, vor den unlauteren Telefonanbietern – einschließlich der großen Telekom, die mittlerweile genau solche Praktiken auch in Baden-Württemberg ausübt –, und dass erreicht wird, dass Verträge, die dann zustande kommen, zumindest schwebend unwirksam, wenn nicht sogar nichtig sind.

Meine Damen und Herren, seitens der SPD: Fehlanzeige.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wer ist denn Verbrau- cherminister?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundesverbraucherminister ist in dieser Frage mit uns einer Meinung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum macht er dann nichts? – Abg. Birgit Kipfer SPD: Dann soll er doch etwas machen!)

Es geht um die Bundesjustizministerin.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist doch Ablenkungs- strategie!)

Das ist keine Ablenkungsstrategie. Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb ist ein Gesetz, das die Bundesjustizministerin auf den Weg gebracht hat, das als Eckpunkteentwurf mittlerweile vorliegt

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Eckpunkteentwurf!)

und mit dem sie zweimal in Pressekonferenzen präsent war. Ich sage Ihnen nur: Ich vermisse das halt. Genau der Aspekt, den Sie immer wieder bringen, nämlich der Schutzgedanke, wäre in diesem Fall angebracht. Denn dass das als Belästigung zu verstehen ist, hat jeder unter uns wohl schon am eigenen Leib erfahren. Jeder, der etwa ältere Menschen in der Familie hat, hat sicher schon einmal eine solche leidvolle Erfahrung gemacht, wenn er Verträge widerrufen oder korrigieren musste etc. Das kann jeder nachvollziehen. Ich glaube, es wäre angebracht, sich in diesem Bereich und diesem Sektor deutlich mehr zu engagieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nein, nein, nein! So geht es nicht! – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?

Gern.

Herr Minister, bevor Sie sich am falschen Objekt echauffieren: Ungebetene Verkaufsanrufe sind heute schon verboten.

Herr Winkler, das stimmt ja.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum verhindert es dann Herr Seehofer nicht? – Gegenruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Hagen Kluck FDP/DVP: Das hat er doch gesagt!)

Lieber Herr Schmiedel, die gesetzgeberische Kompetenz liegt im Augenblick bei der Bundesjustizministerin. Entschuldigung, es ist nicht mein Ressort. Das ist halt so. Das ist verboten, Herr Kollege Winkler, aber es gibt keine Sanktionen. Deshalb machen es alle. Die wirksamste Sanktion ist die, den wirtschaftlichen Hintergrund auszutrocknen. Deshalb muss man den Sumpf dieser Finanzhaie und der unlauteren Telefonanbieter trockenlegen. Das ist das Einzige, was nützt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden auch weiterhin nicht nur im Ernährungssektor, sondern genauso auch im wirtschaftlichen Verbraucherschutz versuchen, den Verbraucher nicht nur zu schützen – das ist ein echtes Anliegen, da der Schutz dringend nötig ist –, sondern ihn auch weiter mitzunehmen auf dem Weg zu einem verantwortlichen Wirtschaftspartner, der gleichberechtigt und auch mit Marktmacht über die Gestaltung der Märkte entscheiden kann, und zwar durch sein Konsumverhalten. Dazu ist Aufklärung und Information notwendig. Das wird auch in Zukunft die Linie der Landesregierung und der Koalition in Baden-Württemberg sein.

Wir haben dazu als Grundlage – lassen Sie mich das abschließend sagen – erstmalig in Deutschland – nachdem die Konsumentenforschung, die ja für die Betriebe und Unternehmen wirtschaftlich hochinteressant ist, in diesem Bereich schon lange betrieben wird – ein Kompetenzzentrum für Konsumverhalten und Verbraucherpolitik an der Fachhochschule in Calw in die Wege geleitet.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Bravo!)