Protocol of the Session on May 24, 2007

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als weiteres Thema im Rahmen der Föderalismusreform steht heute im Landtag der Datenschutz auf der Tagesordnung. Das ist sicher ein sehr gewichtiges und gerade im Bereich des Strafvollzugs sensibles Thema. Es ist auch vonseiten unserer Fraktion zu begrüßen, dass die Landesregierung hierzu gesetzliche Grundlagen schafft; denn die se sind bislang nur sehr lückenhaft vorhanden.

Aber wie immer, wenn es um Fragen wie Datenübermittlung und Umgang mit persönlichen Daten geht, geht es auch um die Frage: Werden die Rechte der Betroffenen eingehalten? Aufgrund der Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht gibt es ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn von Selbstbestimmung die Rede ist, heißt das natürlich auch, dass diese Selbstbestimmung auch für Gefangene gelten muss.

Ich möchte an dieser Stelle die Landesregierung darum bitten und sie auffordern – da sicherlich wie beim zuvor beratenen Gesetz auch zu diesem Gesetz Anhörungsverfahren durchgeführt worden sind –, uns möglichst noch vor den Ausschussberatungen diese Anhörungsergebnisse zukommen zu lassen, damit wir wissen, was z. B. der Datenschutzbeauftragte des Landes zu dem Gesetz sagt, das in großem Maße datenschutzrechtliche Fragen berührt.

Auch die Standpunkte der Psychotherapeuten und der Mediziner – der Kollege hat es gerade angesprochen, ich will es gern wiederholen: es geht um das Thema „Ärztliche Schweigepflicht“, um die Frage der Offenbarung von ganz persönlichen Daten, ganz persönlichen Meinungen, die letztlich auch den möglichen Heilungserfolg betrifft – sind interessant. Es geht daher auch um die Frage, ob – und wenn ja, in welcher Weise – die entsprechenden Verbände sich dazu geäußert haben.

Diese Fragen müssen wir dann im Ausschuss im Detail beraten. Wir müssen sie diskutieren, und zwar auch mit Blick auf die Sensibilität der persönlichen Daten, die preisgegeben werden sollen und die gegebenenfalls – das entnehme ich ebenfalls dem Gesetzentwurf – sogar an private Stellen übermittelt werden können. Da sollte man noch einmal präzisieren, welche privaten Stellen das sein können und vielleicht auch sein sollen. Denn solange sich das im staatlichen Bereich bewegt, lässt es sich durchaus leicht kontrollieren. Das ist aber nicht mehr der Fall, wenn z. B. Daten auch an Stadtwerke oder ähnliche Stellen übermittelt werden sollen. Auch hier bedarf es der Präzisierung.

Insofern sind wir gespannt auf die Übermittlung der Anhörungsergebnisse und werden dann im Rahmen der Ausschussberatungen über diese oder jene Ergänzungen oder Änderungen mit Ihnen gemeinsam diskutieren und hoffentlich dann auch zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen, sofern Sie an dieser oder jener Stelle gewissen Bedenken dadurch Rechnung tragen, dass Sie entsprechende Änderungen im Gesetzentwurf vornehmen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die FDP/DVPFraktion erhält Herr Abg. Dr. Wetzel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Obwohl es bereits seit 1998 Datenschutzvorschriften im Strafvollzugsgesetz gab, haben die Datenschutzbeauftragten anlässlich einer Konferenz im Oktober 1998 festgestellt, dass ausgerechnet im Bereich der Justiz sensible personenbezogene Daten nach wie vor ohne die vom Bundesverfassungsgericht geforderten bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlagen erhoben und verarbeitet wurden. Der bisher zuständige Gesetzgeber, nämlich der Bund, hat es seit dieser Zeit nicht geschafft, ein entsprechendes Datenschutzgesetz auf den Weg zu bringen.

Die heutige Beratung des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes zeigt mir wieder einmal – wie schon bei der vorangegangenen Debatte vor der Mittagspause –, welche Vorteile die Reform des Föderalismus mit sich bringt: Die Länder können sich sehr zügig um die gesetzlichen Regelungen kümmern. Das ermöglicht also erstens eine sehr schnelle Reaktion auf gesetzgeberischen Handlungsbedarf – was der Bund, wie ich bereits gesagt habe, viel zu lange einfach hat liegen lassen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jawohl!)

Zweitens ist ein sorgfältig ausgearbeitetes Gesetz möglich, das den Verhältnissen im Land entspricht und auf das Land zugeschnitten ist. Der Strafvollzug schränkt die Rechte der

Gefangenen nicht nur in ihrer persönlichen Freiheit, der Wahl des Aufenthaltsorts, sondern auch in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Hierzu bedarf es eines Gesetzes, das gewährleistet, dass der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung auch unter den besonderen Bedingungen des Haftvollzugs nicht berührt wird. Dies kann mit dem vorliegenden Entwurf zum Justizvollzugsdatenschutzgesetz erreicht werden.

In den vergangenen Jahren hat es vom Landesbeauftragten für den Datenschutz immer wieder Hinweise zum Justizvollzug gegeben. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz umfassend beteiligt wurde. Dies ist ja nicht immer selbstverständlich und auch nicht immer der Fall.

In der Natur der Sache liegt es auch, dass nicht alle seine Vorschläge berücksichtigt werden konnten. Dies ergibt sich einfach aus den verschiedenen Blickrichtungen – einerseits des Datenschutzbeauftragten, andererseits des Justizministers.

Wir halten die einheitliche Offenbarungspflicht für Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter für ebenso richtig und sachgerecht wie die Klarstellung, dass die Offenbarungspflicht auch hinsichtlich der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Anstalt gelten soll. Dies wäre meines Erachtens ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtssituation, bei der wir nur eine Offenbarungsmöglichkeit, aber keine Offenbarungspflicht haben.

Sie wissen, meine Damen und Herren, dass die FDP/DVP bei vielen der aktuell diskutierten Sicherheitspläne, auch und insbesondere bei denen des Bundesinnenministers, eine kritische Haltung einnimmt. Allerdings ist es für uns ein Unterschied, von welcher Seite des Gitters man die Dinge betrachtet. In einer Demokratie ist Fremdbestimmung grundsätzlich zwar ausgeschlossen, doch auch in einer Demokratie gibt es Bereiche der Fremdbestimmung, denen eine demokratische Legitimierung zugesprochen wird, ähnlich dem Sonderrechtsverhältnis im Justizvollzug.

So haben wir selbstverständlich auch die Ermächtigung zur Verarbeitung biometrischer Daten und zur Einbeziehung erkennungsdienstlicher Unterlagen in den Begriff der personenbezogenen Daten und die diesbezüglichen Verarbeitungsbefugnisse aufgenommen. Wir brauchen, meine Damen und Herren, eine verlässliche und schnelle Möglichkeit der Identifizierung, und zwar nicht nur beim Verlassen der Anstalt, sondern auch bei der Kontrolle des Aufenthalts innerhalb der Anstalt.

Die Fraktion der FDP/DVP wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich würde mich freuen, wenn Sie das ebenfalls tun würden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen.

Punkt 6 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Kooperation Wirtschaft und Schule (ohne berufliche Schulen) – Drucksache 14/717 (geänderte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und in der Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Ich darf Frau Abg. Krueger von der CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen längst: Die Welt – insbesondere die Welt von Wirtschaft und Arbeit – ist ein globales Dorf. Dies führt aber auch dazu, dass für viele Menschen kaum mehr durchschaubar ist, was aus welchen Gründen um sie herum passiert: weshalb Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, warum Geringqualifizierte nur noch schwer Arbeit finden, was Lohnnebenkosten mit der Konkurrenzfähigkeit der Produkte zu tun haben, die die Menschen jeden Tag herstellen,

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Gut!)

oder auch welche Wirkungen direkte und indirekte Steuern haben. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Gerade für eine Demokratie ist es aber überlebenswichtig, dass die Menschen verstehen und einordnen können, was geschieht und warum es geschieht.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Bei- fall der Abg. Ernst Behringer und Helmut Walter Rü- eck CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Erschreckt doch eure Rednerin nicht so!)

Deshalb ist die Vermittlung von volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen sowie wirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Zusammenhängen für das Verständnis von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft wichtiger denn je.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Sehr gut!)

Diese Kenntnisse können durch die Familie oft nicht mehr in ausreichendem Maße und nicht in der erforderlichen Breite vermittelt werden. In vielen Familien ist die Arbeitswelt der Erwachsenen von der Welt der Jugendlichen nicht nur geografisch, sondern oft auch inhaltlich meilenweit entfernt.

Noch größer ist die Entfremdung dort, wo eine Langzeitarbeitslosigkeit der Eltern den jungen Menschen gar keine Möglichkeit mehr bietet, in der Familie die Arbeitswelt als zukünftig erstrebenswertes Ziel zu erleben, geschweige denn näher kennenzulernen.

Der Ort, an dem Menschen diese Kenntnisse vermittelt werden können, ist die Schule. Der Ort, an dem Menschen diese Zusammenhänge erleben und leben, sind die Betriebe, sind die Unternehmen. Deshalb macht es Sinn und ist es dringend notwendig, diese beiden Orte zusammenzuführen. Denn Ko

operationen von Wirtschaft und Schule können das notwendige Verständnis für die oft komplizierten Zusammenhänge frühzeitig fördern. Intensivere Kontakte von Schülerinnen und Schülern zu Unternehmen und Betrieben sowie praktische Erfahrungen in der Arbeitswelt können zudem die Perspektiven hinsichtlich der Berufswahl erweitern.

Ausreichende Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge sind für jeden Einzelnen wichtig, damit sie oder er ihre oder seine Entscheidungen bewusst treffen kann: die Entscheidung, welche weitere Schullaufbahn eingeschlagen wird, welche beruflich-fachliche Orientierung vorgenommen wird, ob der Weg in eine abhängige Beschäftigung oder in die Selbstständigkeit führt. Wir haben hier erst gestern über das Thema Unternehmensnachfolge diskutiert. Die Entscheidung reicht selbst bis hin zu der Frage, wo der Wohnsitz genommen wird. Wenn man international unterwegs ist, macht ja vielleicht eine Wohnung in Flughafennähe durchaus Sinn. Es kann möglicherweise auch um die Entscheidung gehen, inwieweit ein Abstützen auf soziale Sicherungssysteme hinreichend erscheint und verantwortet werden kann oder welche private Eigenvorsorge zu treffen ist.

Jedenfalls: Das Bewusstsein, was Wirtschaft, was freie soziale Marktwirtschaft für jeden von uns bedeutet und an Konsequenzen für die persönliche Lebensführung hat, muss früh geschärft werden. Denn wir können schließlich nicht so tun, als seien Schule und Beruf abgeschlossene Welten, die mit dem wirklichen Leben, das möglicherweise erst abends vor dem Pantoffelkino beginnt, nichts zu tun hätten.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich danke der Landesregierung – es waren ja Kultusministerium und Wirtschaftsministerium beteiligt – sehr herzlich für die umfassende Stellungnahme zu unserem Antrag. Mit ihr wird deutlich, dass das Thema „Wirtschaft und Arbeitswelt“ in den Bildungsplänen und vor allem auch im Alltag unserer Schulen breit und tief verankert ist. Ich denke, dies zeugt einmal mehr davon, mit welch hoher Qualität und mit welch intensivem Bezug zur Lebenswirklichkeit der Unterricht an unseren Schulen in Baden-Württemberg ausgestaltet ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP sowie auf der Zuhörertribüne – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Beifall auf der Tribüne!)

Sehr gut.

Die Unterrichtsangebote sind vielfältig und an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Schularten ausgerichtet. Sie reichen aber auch weit über den eigentlichen Unterricht hinaus: von Betriebspraktika über Lernpatenschaften von Unternehmen bis hin zu Angeboten wie Internetlehrgängen oder Bewerbertraining im Rahmen des Jugendbegleiterprogramms.

Weil wir es heute schon mehrfach angesprochen haben, muss ich jetzt doch noch einmal auch auf das eingehen, was in diesem Zusammenhang an unserer Hauptschule, die leider viel gescholten wird – oft sehr zu Unrecht –, passiert. Denn auch im Bildungsplan der Hauptschule ist die Vermittlung ökonomischer Bildungsinhalte fest verankert. Mit der Bildungsplanreform wurde z. B. der Fächerverbund „Wirtschaft – Arbeit – Gesundheit“ geschaffen, der die Kompetenzbereiche Markt

geschehen, „Arbeit – Produktion – Technik“, Wege zur Berufsfindung und „Familie – Freizeit – Haushalt“ umfasst.

Der Themenbereich „Wege zur Berufsfindung“ zieht sich durch den gesamten Fächerverbund über alle Schuljahre hinweg – durch Arbeitsplatzerkundungen in den Klassenstufen 5 und 6 und ab der Klasse 7 durch Betriebspraktika begleitet.

Mit dem Ausbau des Praxiszugs Hauptschule, mit Übungsfirmen, Juniorfirmen, Planspielen, aber auch der Einbeziehung von Fachleuten aus den Betrieben, aus den Unternehmen in den Unterricht können Schülerinnen und Schüler der Hauptschule noch intensiver praktische Erfahrungen sammeln. Was der Hauptschule neuerdings OiB ist – Orientierung in Berufsfeldern –, ist der Realschule BORS und dem Gymnasium BOGY.

Ergänzend können die Schülerinnen und Schüler auf eine Reihe von nachhaltigen Kooperationen mit der Wirtschaft zugreifen. Genannt seien hier nur beispielhaft KURS 21, Theo-Prax oder auch die „Wissensfabrik – Unternehmen für Deutschland e. V.“, in der so renommierte Unternehmen wie Bosch, Trumpf und Festo engagiert sind.

Ich glaube, meine Damen und Herren, man darf zusammenfassend feststellen: Die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Schule, das Zusammenführen dieser beiden Welten sind in Baden-Württemberg nicht beginnende Realität, sondern sind in vollem Gang –