Protocol of the Session on February 8, 2007

bei den Gerichten, den Staatsanwaltschaften, den Justizvollzugsanstalten und den Notariaten. Wir haben die niedrigste Kriminalitätsbelastung und kurze Verfahrensdauern. Diese hervorragenden Leistungen sind für unsere Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Lebenserfahrung, um sich in unserem Land sicher zu fühlen und auch wohlzufühlen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Trotz einer knapp bemessenen Personaldecke ist die Dauer von Prozessen in Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich, insbesondere in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verfahren, sehr kurz. Auch die Staatsanwaltschaften ermitteln äußerst schnell. Im Jahr 2005 – auf das Jahr 2006 komme ich gleich zu sprechen – konnte die Verfahrensdauer auf einen his torisch niedrigen durchschnittlichen Wert von 46,5 Tagen verkürzt werden. Deshalb sage ich an dieser Stelle zunächst einmal allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz Dank für diese hervorragende Arbeit, und unseren Justizminister, Herrn Professor Goll, schließe ich ausdrücklich mit ein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Aber, meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr ist die durchschnittliche Verfahrensdauer im Bereich der Staatsanwaltschaften – sicherlich mit bedingt durch den zweithöchs ten Stand an Ermittlungsvorgängen – auf 50 Tage gestiegen. Dies stellt zwar immer noch einen exzellenten Wert dar, es

zeigt aber auch, dass die Justiz an einem Punkt angelangt ist, bei dem der Spagat zwischen Haushaltskonsolidierung auf der einen Seite – dazu hat die Justiz einen großen Beitrag geleis tet – und personellen Anforderungen auf der anderen Seite klar in die Richtung gehen muss, keine weiteren Personaleinsparungen vorzunehmen.

Genau an dieser Situation hat die Koalitionsvereinbarung angesetzt. Trotz der Spitzenstellung im bundesweiten Vergleich hat sich die Koalition im Hinblick auf die Personalausstattung der Justiz darauf verständigt, keine weiteren Stellenkürzungen ohne qualitative strukturelle Änderungen vorzunehmen. Deshalb hat die Koalition davon abgesehen, die Streichung der 334 Stellen aus dem Programm des Jahres 1998 weiter umzusetzen. Lediglich das sogenannte Einprozentprogramm aus der letzten Legislaturperiode soll im Einzelfall im Lichte der Möglichkeiten nach Jahresraten weiter umgesetzt werden. Was wichtig ist: Darüber hinaus gibt es die klare Vorgabe, dass das Justizministerium in den kommenden Jahren von Personaleinsparmaßnahmen ausgenommen wird. Hierdurch gewinnt die Justiz eine Planungssicherheit, die die herausgehobene Stellung, die der Justiz von der Landespolitik zu Recht beigemessen wird, unterstreicht.

Wir haben aber – das muss man offen ansprechen – ein Sonderproblem bei den Sozialgerichten, das gelöst werden muss. Tatsache ist: Die Sozialgerichte sind nach und vor allem durch die Umstellung auf das Arbeitslosengeld II – es geht also um die Langzeitarbeitslosen – überlastet. 1995 hatten die Sozialgerichte 23 600 Fälle, im Jahr 2005 waren es 31 000 Fälle, und allein von 2005 auf 2006 gab es in diesem Bereich eine Steigerung um 90 %.

Auf der anderen Seite haben wir die Verwaltungsgerichte. Bei den Verwaltungsgerichten hatten wir im Jahr 1995 20 000 und im Jahr 2005 nur noch 4 800 Asylverfahren. Nun versucht der Justizminister, bei den Sozialgerichten mit wenigen Stellen die größten Defizite einigermaßen auszugleichen. Notwendig wären eigentlich 28 Stellen, aber das können wir nicht leis ten. Das Vernünftigste wäre doch, dass man aus dem Bereich der Gerichtsbarkeit, in dem im Augenblick Arbeitskapazität genutzt werden kann – von Richtern –, Personalstellen in die Sozialgerichtsbarkeit verlagert.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Genau! Das haben wir beantragt!)

Diese sinnvolle Maßnahme – Zusammenführung von Fachgerichtsbarkeiten – scheitert im Augenblick insbesondere an der SPD auf Bundesebene. Deswegen sollten wir gemeinsam versuchen, das Ziel zu verfestigen und zu unterstreichen, Fachgerichtsbarkeiten zusammenzulegen – im Interesse der Angehörigen der Justiz in den Sozialgerichten, vor allem aber im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die inzwischen mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 11,9 Monaten bei der Sozialgerichtsbarkeit benachteiligt werden.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sagen Sie das den Kollegen im Bund!)

Es geht um das Existenzminimum vieler Menschen. Hier muss dringend gehandelt werden.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Ja, was macht ihr dann?)

Herr Müntefering hat sich klar dagegen ausgesprochen. Ich würde Ihnen vorschlagen: Versuchen wir, ihn gemeinsam in die richtige Richtung umzustimmen.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Jetzt kommen Sie nicht mit Müntefering! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Und die CDU, was macht die? Gibt es die auch noch?)

Sie können das nachher aus Ihrer Sicht darstellen, lieber Herr Stickelberger.

Meine Damen und Herren, das nächste Thema nach der Personalausstattung sind organisatorische Verbesserungen im Jus tizbereich. Auch hierbei sind wir in den vergangenen Jahren vorangekommen. Wir haben bis Ende 2006 die IuK-Ausstattungen vervollständigt, und wir haben Sorge dafür getragen, dass es bei dieser Ausstattung – wenn auch in etwas reduziertem Maß – in den nächsten Jahren weiter vorangehen kann. Mit vielen Programmen – Stichworte sind die Software JUSTUS für die Verwaltungs- und die Sozialgerichtsbarkeit, FOKUS für die Arbeitsgerichtsbarkeit – versucht das Justizministerium erfolgreich, die Justiz auf Modernisierungskurs zu halten.

Hinzu kommen konzeptionelle und strukturelle Neuorientierungen. Das elektronische Handelsregister wurde eingeführt und auf vier Stellen konzentriert. Die Bewährungs- und Gerichtshilfe wurde nach erfolgreicher Beendigung der Modellversuchsphase flächendeckend einem freien Träger übertragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf feststellen, dass wir – insbesondere auch im Hinblick auf die zusätzlichen Kompetenzen, die wir durch den ersten Teil der Föderalismusreform erhalten haben – auch bei den jetzt anstehenden Gesetzesvorhaben im Justizvollzugs- und Strafrecht mit unserem Justizminister übereinstimmen. Er hat bereits einen sehr guten Entwurf vorgelegt.

Ich darf abschließend aber einen Punkt ansprechen, bei dem wir – im Augenblick zumindest – möglicherweise unterschiedlicher Auffassung sind. Das ist das Thema „Onlinedurchsuchung von Computern“. Es steht aktuell auf der Tagesordnung, und der Kollege Kluck hat es gestern bei der Beratung des Einzelplans des Innenministeriums angesprochen. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass die Onlinedurchsuchung von Computern ein erheblicher Eingriff ist und dass hierfür eine gesetzliche Grundlage notwendig ist. Also müssen wir eine klare Entscheidung über die Frage treffen: Wollen wir das, oder wollen wir das nicht?

Die CDU-Fraktion spricht sich klar dafür aus, diese effektive Fahndungsmethode zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität unter strengen Voraussetzungen zuzulassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Zu Recht hat die Generalbundesanwältin, Frau Harms, betont, dass die Behörden im Kampf gegen Schwerstkriminelle, insbesondere bei der Terrorismusbekämpfung, auf der Höhe der Zeit bleiben müssen – so hat sie es formuliert. Wir unterstützen es, dass die Bundesregierung so rasch wie möglich einen

neuen Gesetzentwurf vorlegen wird, um die Grundlage für verdeckte Onlinedurchsuchungen zu schaffen – unter Wahrung der rechtsstaatlichen Anforderungen. Das heißt ganz konkret, dass für jede Maßnahme ein richterlicher Beschluss, wie etwa auch für die Telefonüberwachung, notwendig ist.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Zu Recht hat der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, eindringlich klargemacht, in welchem Ausmaß und mit welcher zunehmenden Tendenz das Internet das entscheidende Kommunikationsmittel des internationalen Terrorismus geworden ist. Die Szene arbeitet konspirativ, verdeckt, verschlüsselt, anonymisiert, und gleichzeitig – das ist das Problem – wird es immer schwieriger, in diese Szene verdeckte Ermittler einzuschleusen.

(Zuruf des Abg. Oswald Metzger GRÜNE)

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, hat zusätzlich darauf hingewiesen – und ich glaube, das wird uns nachdenklich machen –, dass zur Bekämpfung von Kinderpornografie verdeckte Onlinedurchsuchungen unerlässlich sind.

Vor diesem Hintergrund bitten wir die Kolleginnen und Kollegen der FDP/DVP – Sie haben das Thema ja gestern selbst angesprochen –, ihre Position noch einmal zu überdenken.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das machen die!)

Ich glaube auch nicht, dass man mit dem pauschalen Argument – es bestehen immerhin juristische Voraussetzungen, und es bedarf richterlicher Anordnungen –, wir würden damit den Polizeistaat, den Überwachungsstaat in Deutschland einführen, dieses notwendige Instrument ablehnen kann. Wir müssen zusätzlich etwas unternehmen, um für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu sorgen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es bei diesem Thema zumindest jetzt noch eine sachliche Differenz gibt, so ist doch der entscheidende Punkt: CDU und FDP/DVP arbeiten in der Justizpolitik gut zusammen.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Sie haben gerade das Gegenteil gesagt!)

Mit diesem Justizhaushalt schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass unsere Justiz auch in Zukunft an der Spitze in Deutschland bleiben wird.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Wir werben um Ihre Zustimmung zu diesem Justizhaushalt und empfehlen sie Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Guter Mann! Gute Rede!)

Das Wort erhält Herr Abg. Stickelberger für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem diese Debatte sicher den Höhepunkt des Tages darstellt,

(Heiterkeit – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Tragen Sie dazu bei?)

möchte ich die Schlagzahl, mit der Herr Kollege Dr. Schüle begonnen hat, beibehalten. Herr Dr. Schüle, Ihre markigen Bekenntnisse zur Einheit der Koalition in dieser Frage können die Schwächen dieses Justizhaushalts oder, besser gesagt, die Schwächen der Justizpolitik in diesem Land wirklich nur mühsam überdecken.

Eines möchte ich aber deutlich zum Ausdruck bringen. Ausdrücklich anschließen möchte ich mich dem Lob

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehen Sie!)

an die Bediensteten der Justiz

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wunderbar!)

im Ministerium,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wie der Herr, so’s Gescherr!)

bei den Gerichten, in den Strafvollzugsanstalten, auf allen Ebenen der Justiz, die bei knappen Haushaltsmitteln und zunehmender Belastung