Meine sehr geehrten Damen und Herren, weiter stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit auf baden-württembergische
Anlagen. Der Ereignisablauf in Japan war dadurch gekenn zeichnet, dass die betroffenen Anlagen folgenden drei Einwir kungen von außen ausgesetzt waren:
Erstens war es das bisher schwerste Erdbeben, das es in Ja pan jemals gegeben hat. Ich würde darum bitten, dass Herr Kollege Frankenberg als Physischer Geograf nachher einmal darstellt, mit welch unglaublicher Energie dieses Erdbeben gewirkt hat und welche Wirkungen das bisher stärkste bekann te Erdbeben am Oberrhein hatte.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Klaus Herrmann CDU: Fachleuten, nicht selbst ernannten! – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Arroganz ist fehl am Platz! – Zuruf des Abg. Rein hold Gall SPD)
Es geht nicht nur um das Ergebnis, sondern es geht um die Frage der Übertragbarkeit. Das ist das, was die Menschen in diesem Land interessiert, unabhängig von Wahlkampf. Die Menschen interessieren die Auswirkungen.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Dann müssen wir uns auch über den flächendeckenden Stromausfall als Auslö ser unterhalten!)
Erstens war es das schwerste Erdbeben, zweitens ein vollstän diger Stromausfall und drittens eine Tsunamiwelle verheeren den Ausmaßes.
Während die Anlagen auf das Erdbeben und den Stromausfall nach den bisherigen Erkenntnissen im Wesentlichen ausle gungsgemäß reagierten, also ansprangen, und die entsprechen den Maßnahmen abliefen, führte die Flutwelle zum Ausfall der Notstromversorgung und damit der Kernkühlung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun fragen die Men schen: Sind die Kernkraftwerke in Baden-Württemberg ge gen die Auswirkungen von Erdbeben ausgelegt und ausrei chend geschützt und, wenn ja, wie sind sie ausgelegt? Sie sind so ausgelegt, dass das jeweils stärkste am jeweiligen Stand ort historisch bekannte Erdbeben zugrunde gelegt wird,
dass zusätzliche Sicherheitsaufschläge berücksichtigt, diese laufend an neue Erkenntnisse angepasst und im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen kontrolliert werden.
Der Umstand, dass die Stromversorgung der Umgebung der Kernkraftwerke unterbrochen werden kann, wurde ebenfalls bei der Auslegung der Kernkraftwerke berücksichtigt, und es wurden entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Ich bitte darum, in einer solchen Debatte zu betrachten, dass diese Regeln, von denen ich gerade sprach, auch ihre Gültig keit in dieser Form hatten, als grüne und rote Umweltminis ter Verantwortung in der Bundesrepublik Deutschland getra gen haben. Insofern bitte ich, dies entsprechend zu berück sichtigen. Man hielt es für richtig, diese Auslegung zu neh men. Ich sage nicht, dass wir deswegen nichts lernen würden. Ich stelle heute nur dar: Wie sind die Kernkraftwerke ausge legt? Dafür, dies darzustellen, ist jetzt Zeit.
Wir haben hinsichtlich der Frage des Ausfalls der Stromver sorgung auch darauf geachtet, dass diese mehrfach zur Verfü gung steht. Fünf, sechs bzw. acht Notstromaggregate sind vor handen – obwohl jeweils zwei ausreichend wären –, weil wir wollen, dass auch darauf geachtet wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht um die Fra gen: Was tun wir nun? Wie können wir weiter voranschrei ten? Was haben wir gelernt? Und es geht um die Frage: Wie sieht es eigentlich mit der Sicherheit bei Überschwemmun gen aus? Die baden-württembergischen Kernkraftwerke sind gegen Überschwemmungen ausgelegt. Sie sind gegen Hoch wasser, wie es statistisch nur alle 10 000 Jahre vorkommen kann – bei sonstigen Industriebauten wird das 100-jährliche Hochwasser betrachtet –, ausgelegt. Wir haben allerdings Tsu namiwellen nicht unterstellt.
Insgesamt ist eine direkte Übertragbarkeit der Geschehnisse nicht gegeben. Trotzdem führen wir seit Längerem eine Dis kussion über die Frage, wie wir Sicherheitsreserven voran bringen können.
aber trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass er zwei Punkte angesprochen hat, die ich nicht unwidersprochen ste hen lassen möchte und auch nicht stehen lassen kann. Zum ei nen wirft er ebenso wie sein Bundesvorsitzender uns vor, dass Regelungen zur Sicherheit, die Herr Gabriel in Kraft gesetzt hat, angeblich zurückgenommen worden wären. Genau dies ist nicht der Fall.
Im Jahr 2009 wurde zwischen den Atomaufsichten der Län der und des Bundes vereinbart, für die Fortentwicklung des kerntechnischen Regelwerks, dessen Überarbeitung alle für
richtig und notwendig gehalten haben, ein Grünbuchverfah ren einzurichten. Das bedeutete, dass die Verfahren nach dem neuen und nach dem alten Verfahren geprüft werden. Dies war als Ablauf bis zum Herbst des vergangenen Jahres vorgese hen. Dies wurde auch durchgeführt. Die Auswertungen und die Einarbeitung erfolgen derzeit durch das Bundesumwelt ministerium und durch die Gesellschaft für Anlagen- und Re aktorsicherheit.
Mitnichten wurde irgendetwas zurückgenommen, sondern ganz im Gegenteil: Mit der Änderung des Atomgesetzes hat die Aufsicht zum ersten Mal die Möglichkeit, Sicherheitsauf lagen anzuordnen. Genau dies war im rot-grünen Atomaus stiegsgesetz so nicht vorgesehen.
Ich glaube, man muss an einem solchen Tag darauf hinwei sen, dass viele der Dinge, die wir nun angehen wollen, auch erst durch eine Änderung des Atomgesetzes möglich gewor den sind.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, weil Herr Schmid die Ereignisse im KKP 2 im Jahr 2001 als Beispiel genom men hat. Genau das ist der Punkt, den Sie uns heute auch ab sprechen. Ich komme nachher noch einmal darauf zurück. Die Ereignisse im KKP 2 führten dazu, dass die Atomaufsicht in Baden-Württemberg vollumfänglich neu aufgestellt wurde. Zum ersten Mal in der Welt wurde der Mensch-Technik-Or ganisations-Ansatz gewählt. Dieser Ansatz wurde im Übrigen von den internationalen Prüfern der internationalen Energie agenturen als weltweit bester ausgezeichnet. Dieser Ansatz wurde nirgendwo sonst gewählt.
Die Atomaufsicht in Baden-Württemberg hat sich einer sol chen Überprüfung gestellt. Darum bitte ich, bei aller Heftig keit der Debatte zu berücksichtigen: Die Menschen wünschen, dass die Aufsicht funktioniert, und in Baden-Württemberg funktioniert sie. Wir haben das auch durch entsprechende Überprüfungen bestätigt bekommen.
Jetzt geht es um die Frage: Was lernen wir, und was haben wir umgesetzt? Der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen: Wir haben ein Bürgertelefon eingeführt. Wir verzeichnen viele An rufe mit einer durchweg positiven Resonanz darauf, dass wir dies anbieten. Die Bürger sind auch dankbar für die dort er haltenen Antworten. Man ist froh, dass man so bedient wird. Das ist, glaube ich, wichtig. Denn die Frage lautet: Was inte ressiert den Bürger?
Das Zweite ist: Seit dem vergangenen Freitag haben wir im Umwelt- und Verkehrsministerium einen Arbeitsstab, der sämtliche zugänglichen Informationen – die Informationsbe schaffung ist nicht ganz einfach – zusammenträgt, auswertet und damit Einschätzungen gibt, um auch den Menschen am Telefon die richtige Auskunft geben zu können.
Drittens haben wir gestern Inspektoren in unsere Anlagen ge schickt, um speziell die Notstromeinrichtungen ein weiteres Mal zu überprüfen, wobei ich auch sage: Natürlich finden re
gelmäßige Inspektionen statt, natürlich wird regelmäßig die Sicherheit überwacht, weil dies notwendig ist.
Wir haben auch eine Kommission aus renommierten Fachex perten gegründet, weil es uns wichtig ist, dies sauber aufzu arbeiten. Die Aufgabe dieser Experten ist, in einer ersten Stu fe eine genaue Analyse und Bewertung der Ereignisse in Ja pan vorzunehmen. Auch das ist wichtig und notwendig. In ei ner zweiten Stufe soll die Übertragbarkeit der dortigen Abläu fe auf die Anlagen in Baden-Württemberg untersucht werden. In einer dritten Stufe sollen über die betrachteten Ergebnisse hinaus weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt wer den. Das werden wir auch durchsetzen.
Nun komme ich zu den Punkten, die Sie angesprochen haben. Ich finde schon, dass es zur Redlichkeit gehört, die Frage zu stellen: Was wäre, wenn wir keine Laufzeitverlängerung ge macht hätten? Stand heute wäre Neckarwestheim I vom Netz. Der Ministerpräsident hat heute erklärt: Neckarwestheim I wird vom Netz gehen. Ansonsten wäre nichts anders. Nichts!
(Zurufe von der SPD: Doch! – Abg. Thomas Knapp SPD: Neckarwestheim I wäre aber vom Netz! – Zu ruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)
Der Stand heute wäre, dass alle anderen Reaktoren in diesem Land noch laufen würden. Daran wird schon sehr deutlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das, was Sie hier machen, viel mit Wahlkampf zu tun hat.