Protocol of the Session on March 15, 2011

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Sie haben eine atomare Brücke ins Zeitalter der regenerativen Energien gebaut, genau wie wir. Das Einzige, was uns unter scheidet, ist die Länge dieser Brücke.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Aber tun Sie doch nicht immer so, als ob es diese Brücke in Ihrer Politik nicht gäbe. Genau diese Politik haben Sie ge macht, meine Damen und Herren.

Wir haben den sich jetzt schon wieder im Wahlkampf befind lichen Kollegen Schmid und Sie, Herr Kollege Kretschmann, gehört. Da hatte man den Eindruck, Sie argumentierten, als ob diese Technologie von vornherein moralisch so verwerf lich sei, dass man sofort aussteigen müsse; Sie haben bei spielsweise den Kardinal Höffner zitiert. Wenn man sich die Rede des Kollegen Schmid, der sich schon wieder im Wahl kampf befindet,

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Schon wieder? Da war er doch eben erst! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Wo ist der Kollege Schmid? – Abg. Stephan Braun SPD: Jetzt reicht es aber!)

über einen langen Zeitraum angehört hat, kommt man zu dem Ergebnis: Da redet jemand, der der Meinung ist, sämtliche 17 Atomkraftwerke in Deutschland müssten sofort vom Netz. Im Grunde genommen haben Sie, Herr Kollege Kretschmann, ge nauso argumentiert.

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Ich habe Respekt vor die ser Position. Wenn jemand äußert, diese Technologie habe Restrisiken, so hat er recht. Wenn jemand äußert, diese Tech nologie habe Nachteile, so hat er recht.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Neun Sozialde mokraten sind im Raum!)

Deswegen wollen wir auch aus dieser Technologie aussteigen. Es stellt sich nur die Frage, über welchen Zeitraum das wirt schaftlich und technologisch machbar ist. Genau das ist die Frage.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Auch Sie, meine Herren von den Grünen und der SPD, haben diese Frage nicht beantwortet mit: „Wir steigen sofort aus.“ Denn wenn es nach Ihnen ginge, nach Ihrem rot-grünen Be schluss aus dem Jahr 2002, würden in den nächsten Monaten in Deutschland 15 Kernkraftwerke laufen. Nach dem, was jetzt in Berlin beschlossen wurde, werden nur zehn laufen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Dies ist eine Konsequenz aus den Ereignissen in Japan.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Sie selbst haben eine ähnliche Konsequenz gezogen, denn an ders als früher fordern Sie jetzt eine schnellere Stilllegung von Philippsburg 1. Sie können doch gar nicht bestreiten, dass auch Sie Ihre Position revidiert haben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Das ist verantwortungsvolle Politik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, für die FDP war die Kernenergie immer eine Brückentechnologie. Wir haben noch nie gefor dert, die Kernkraftwerke endlos laufen zu lassen.

(Lachen des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Wir haben auch nicht gefordert, neue Kernkraftwerke zu bau en. Vielmehr haben wir uns die Frage gestellt: Welche Kern kraftwerke sind vom obersten Prinzip Sicherheit her wie lan ge zu verantworten?

(Lachen des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das ist das oberste Prinzip. Wenn es neue Ereignisse gibt wie beispielsweise eine solche Katastrophe in Japan – egal, ob so etwas alle 1 000 Jahre oder alle 10 000 Jahre eintreten mag –, ist es verantwortungsvolle Politik, eine Neubewertung vorzu nehmen. Nichts anderes tun die Bundesregierung und auch die Landesregierung. Das, meine Damen und Herren, ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Es ist schäbig, diese Re gierungen dafür zu schelten.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es! Jawohl!)

Wir wollen verantwortbar aussteigen – unter dem obersten Prinzip Sicherheit, aber natürlich auch im Hinblick auf die Frage: Wie gelingt dies wirtschaftlich, und wie können wir die Energieversorgung und damit den Wohlstand für ein Land wie Baden-Württemberg sichern? Auch diese Frage ist zu be antworten. Diese Frage hatten auch Sie im Hinterkopf, als Sie den rot-grünen Beschluss zum Ausstieg gefasst haben. Ich darf Sie daran erinnern: 1998 gewannen Sie die Wahl; hinterher

haben Sie einen Ausstieg spätestens zum Jahr 2022 beschlos sen. Meine Damen und Herren, das sind Restlaufzeiten von 25 Jahren.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Auch Sie haben Brücken gebaut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Ich stelle bei all diesen aufgeregten Debatten also fest,

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sie haben das doch be kämpft!)

dass es in diesem Haus einen Grundkonsens gibt, nämlich den Grundkonsens, dass alle eine Brücke bauen wollen und dass es unterschiedliche Auffassungen nur hinsichtlich der Frage gibt,

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sie haben doch keine Brücken gebaut, Sie haben die Brücke bekämpft!)

wie lang diese Brücke sein soll.

Meine Damen und Herren, wenn wir feststellen, dass es auf grund einer Katastrophe in Japan neue Erkenntnisse gibt oder geben könnte, dann müssen wir auch zu einer Neubewertung kommen. Nichts anderes tun wir, meine Damen und Herren.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Und das jedes Mal!)

Auch Sie, Herr Kollege Winkler, tun das jedes Mal. Sie kom men heute zu einer anderen Bewertung als vor zehn Jahren.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Nein! Das ist nicht wahr!)

Ja, selbstverständlich! Warum wollten Sie dann Philipps burg 1 im Jahr 2002 noch zehn Jahre laufen lassen?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Warum? – Widerspruch bei der SPD – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE – Weitere Zurufe)

Nein, Sie wollten nicht aussteigen. Sie haben das beschlos sen. Sie haben im Jahr 2002 beschlossen, Philippsburg 1 noch zehn weitere Jahre laufen zu lassen. Das kann kein Mensch bestreiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass eine längere Lauf zeit eines Kernkraftwerks – egal, welches – aus Sicherheits gründen nicht zu verantworten ist, muss dieses Kernkraftwerk aber auch sofort abgeschaltet werden, und dann ist das keine Frage einer Laufzeitverkürzung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deshalb ist diese Diskussion um Laufzeitverlängerung oder Laufzeitverkürzung auch nicht die Antwort auf die Katastro phe in Japan, sondern es muss eine Analyse der Ereignisse und gegebenenfalls eine Neubewertung unserer Kernkraftwer ke erfolgen.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Deshalb ist es der richtige Schritt, ein Moratorium zu verhän gen und die Zeit dieses Moratoriums zu nutzen, um zu einer erneuten Sicherheitsüberprüfung zu gelangen – auch im Lich te der Erkenntnisse dessen, was in Japan tragischerweise pas siert ist.

Ich habe es mehrfach erwähnt: Die havarierten Reaktoren in Fukushima sind Siedewasserreaktoren, und einen solchen hat auch Philippsburg 1. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass in Philippsburg ein Erdbeben und ein Tsunami gleichzeitig auf treten.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber Stromausfälle sind möglich!)

Aber dennoch hat offensichtlich ein Siedewasserreaktor ver sagt. Deshalb müssen wir zu einer Neubewertung des Siede wasserreaktors in Philippsburg kommen. Das ist doch völlig klar und selbstverständlich.