Protocol of the Session on March 2, 2011

Ebenso gilt landesweit die Mobilitätsgarantie, die Fahrgästen z. B. bei einer mehr als 30-minütigen Verspätung einen Ent schädigungsanspruch gewährt. Außerdem konnte die Kinderaltersgrenze auf 15 Jahre vereinheitlicht werden. Eine Aus nahme bilden zwei Verbünde. Kollege Wölfle, die Vereinheit lichung ist also so gut wie erledigt. Mit diesen beiden können Sie ja einmal reden.

(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Mache ich dann!)

Inzwischen bieten 16 von 22 Verbünden auch das E-Ticket an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies alles haben die Verbün de in freiwilliger Kooperation auf den Weg gebracht. Sie jetzt mit den im Beschlussteil des Antrags vorgesehenen Zwangs maßnahmen an die Kandare zu nehmen ist nicht nur überflüs sig. Damit würden auch die freiwilligen Anstrengungen mit Füßen getreten. Es wird Sie deshalb nicht verwundern, dass wir diesen Beschlussteil – falls er zur Abstimmung gestellt werden sollte; er ist schließlich fast zwei Jahre alt – ablehnen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die die Regierung tragen den Fraktionen in unseren Landesfarben Schwarz und Gelb setzen auf Freiwilligkeit und begleiten diese Freiwilligkeit durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

In den Verkehrsverbünden haben sich die Unternehmen freiwil lig zusammengeschlossen. Die Landesregierung stellt in ihrer Stellungnahme klar, dass dies kein Zwangszusammenschluss ist und aus rechtlichen Gründen wohl auch keiner sein kann. Die Kreise und kreisfreien Städte stehen mit ihren Unterneh men in der Verantwortung für den Nahverkehr. Nicht das Land trägt die finanzielle Hauptlast, sondern die Kreise und die kreis freien Städte tragen die finanzielle Hauptlast. Sie sind es, die die Verbünde und deren freiwillige Zusammenarbeit tragen.

Die Achtung vor diesen freiwilligen Zusammenschlüssen, ins besondere aber die Achtung vor der kommunalen Selbstbe stimmung gebietet es, auch in Zukunft auf freiwillige Lösun gen zu setzen. Wir können schwerlich nachvollziehen, wie ei ne Partei, in deren Reihen sich Städtetagspräsident Ivo Gön ner befindet, die stets die kommunale Selbstbestimmung hoch hält, hier und heute für die Verbundstrukturen Zwangsmaß nahmen androhen möchte.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landeszuschüsse waren bei vielen Verbesserungen die Grundlage für eine Bitte nach stärkerer Kooperation und nach Veränderungen. Kollege Wölfle, eine Schwelle gibt es nun nicht mehr. Inzwischen kann man landesweit das Fahrrad kostenlos mitnehmen. Die ande ren, die nicht Fahrrad fahren, sagen natürlich, dass das Geld koste. Das ist aber ein weites Feld.

Aber nicht nur das, sondern auch die Kooperation über die Verbundgrenzen hinweg kostet Geld. Knapp 4 % der Fahrgäs te fahren überhaupt über die Grenzen eines Verkehrsverbunds hinaus. Bringen sie aber auch die entsprechenden Einnahmen, oder führen sie zu einer Art Verbundfinanzausgleich – um wie der einmal einen zu machen – zulasten der größeren und stär keren Verbünde?

Ich habe dem Antrag der Opposition entnommen, dass man die kleinen Verbünde im Land auf den Prüfstand stellen will, weil die größeren Verbünde sonst die Lasten mittragen müss ten. Bei einem Landeszuschuss von etwa 20 Millionen € jähr lich z. B. an den VVS, aber 150 Millionen € kommunalen Mit teln soll man bei den Bitten, die man an die Verbünde richtet, den Bogen nicht überspannen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei uns mit einer Landesre gierung in unseren Landesfarben Schwarz und Gelb geht es den Menschen im bundesweiten Vergleich am besten. Weni ger Staat und mehr Freiheit haben dazu geführt, dass es bei uns mit der Wirtschaft bergauf und mit den Arbeitslosenzah len bergab geht. Weil die Menschen wissen, dass Freiheit die Grundlage für unseren Aufschwung, für unser Wirtschafts wachstum und für unseren Wohlstand ist, wird es bei einer Koalition in den Landesfarben bleiben.

Meine Abschiedsrede erspare ich Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Frau Ministerin Gönner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist seit vielen Jahren das Ziel der Landesregierung, den Nahverkehr zu stärken. Ich kann es nicht besser sagen, als es Winfried Scheuermann vorhin gesagt hat: Seitdem das Land für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig ist, ist er eine Erfolgsgeschichte.

Ich hoffe, Sie gestatten mir, dass ich die Gelegenheit nutze, mich dafür zu bedanken, dass ich zumindest sechs der 23 Jah re, seit denen Winfried Scheuermann diesem Parlament ange hört, eng mit ihm zusammenarbeiten durfte. Herzlichen Dank für diese ausgesprochen tolle, exzellente Zusammenarbeit, bei der ich auch viel lernen durfte. Herzlichen Dank für die ge meinsame Zeit!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fördern den öf fentlichen Nahverkehr mit jährlich insgesamt etwa 1,3 Milli arden €. Welche Erfolge wir erzielt haben und welche Maß nahmen wir noch planen, können Sie in kompakter Form dem neuen Generalverkehrsplan entnehmen, den wir im letzten Jahr beschlossen haben. Auch wenn gestern im Rahmen der Regierungsbefragung der eine oder andere Abgeordnete der Opposition in diesem Zusammenhang von „Prosa“ sprach,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Ja! Da steht ja auch gar nichts drin! Wohlwollend sprechen wir da von „Pro sa“! Sprechblasen!)

stehen genau dort die entscheidenden Informationen.

Es bleibt unser Ziel, den öffentlichen Nahverkehr als vollwer tige Alternative zum motorisierten Individualverkehr weiter auszubauen.

Als verlässliche Grundlage für die weiterhin notwendigen In frastrukturmaßnahmen haben wir ein eigenes Landesgemein deverkehrsfinanzierungsgesetz geschaffen, das als eines der ganz wenigen Ländergesetze die Zweckbindung der Finanz mittel an den öffentlichen Verkehr sicherstellt.

Den Erfolg bei der Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs ha ben wir uns allerdings nicht allein zuzuschreiben. Er beruht auch auf den Anstrengungen der Stadt- und Landkreise, die für den straßengebundenen ÖPNV zuständig sind. Auch dort werden erhebliche Mittel eingesetzt, um die Verkehre zu op timieren und damit beispielsweise die notwendige Feiner schließung des ländlichen Raums mit öffentlichen Verkehrs leistungen zu erreichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist mir schon wichtig, darauf hinzuweisen – wir reden gern über den schie nengebundenen ÖPNV –: Der Großteil des Personennahver kehrs in diesem Land wird über den straßengebundenen ÖPNV abgewickelt. Damit erschließen wir den ländlichen Raum.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Anders geht es nicht!)

Ich halte es für wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Von der Opposition wurde der Landesregierung der Vorwurf gemacht, im Land gebe es zu viele Verbünde. Die zentralisti schen Ansätze von Ihnen gehen aber an der Realität vorbei. Der Vorteil der Verbünde liegt gerade in ihrer dezentralen Struktur, in den kurzen Wegen und im direkten Kontakt zwi schen den Stadt- und Landkreisen als Aufgabenträgern für den straßengebundenen ÖPNV einerseits und unseren mittelstän disch geprägten Busunternehmen andererseits. Dabei entste hen dann Angebote, die den Bedürfnissen der Menschen vor Ort besser gerecht werden, als es bei einer zentralen Planung der Fall ist. Aus der Sicht des Fahrgasts ist ohnehin nicht die Zahl der Verbünde, sondern das Angebot entscheidend.

Herr Wölfle, nachdem Sie im Zusammenhang mit dem Schie nenverkehr ausgesprochen gern auf die Schweiz verweisen, lohnt es sich, einmal zu schauen, wie es mit der Anzahl der Verbünde in der Schweiz aussieht. Bei 7,7 Millionen Einwoh nern hat die Schweiz 20 Verbünde, während Baden-Württem berg bei 10,7 Millionen Einwohnern, also drei Millionen Ein wohnern mehr, 22 Verbünde aufweist. Insofern glaube ich, dass man daran sieht, dass nicht die Zahl der Verbünde, son dern das Angebot das Entscheidende ist.

Darüber hinaus sei es mir auch erlaubt, im Hinblick auf die Frage, wie es mit verbundübergreifenden Strukturen aussieht bzw. was für den Kunden hinsichtlich der Tageskarte entschei dend ist, darauf hinzuweisen: Baden-Württemberg bietet mit dem Baden-Württemberg-Ticket eine Tageskarte für eine Per son zu 21 € und für fünf Personen zu 29 € an. In der von Ih nen immer wieder angeführten Schweiz kostet eine Tageskar te für eine Person 40 €, und es gibt kein Angebot für mehre re Personen. Ich glaube, das zeigt, dass wir mit unserer Poli tik nicht falsch, sondern völlig richtig liegen, und zwar im In teresse des gesamten Landes – ich sage das in dieser Deut lichkeit –, des ländlichen Raums genauso wie der städtischen Regionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den letzten Jah ren haben wir sehr viel erreicht. Den gern und vielfach be klagten Tarifdschungel gibt es längst nicht mehr. Ich will ei nige Beispiele nennen.

Erst durch die Schaffung der Verbünde war es möglich, die Haustarife der über 600 Verkehrsunternehmen im Land durch die Gemeinschaftstarife abzulösen, die im Verbundgebiet für alle Busse und Bahnen – das ist das Entscheidende: für bei des – gelten. Die Verbünde sind so von unten gewachsen, ge nau nach den jeweiligen Erfordernissen und finanziellen Mög lichkeiten vor Ort, und eben nicht von oben, vom grünen Tisch aufoktroyiert.

Die Verbünde tragen auch den Fahrgastbedürfnissen Rech nung. Denn 80 bis 90 % der Fahrgäste bleiben innerhalb ih res Heimatverbunds. Das heißt, diejenigen, die jeweils den entsprechenden Verbund gründen und dafür zuständig sind, schauen, dass entsprechende Schwerpunkte gesetzt werden.

Für Fahrten über die Verbundgrenzen hinaus gibt es landes weit in allen Bussen und Bahnen das Baden-Württemberg-Ti cket; ich habe es vorhin ausgeführt. Alle Verkehrsverbünde sind zudem an das Internetportal Abo-Plus angeschlossen, bei dem die Berufspendler ihre Fahrkarte aus einer Hand bestel len können. Alle Verbünde haben zudem mit Nachbarverbün den tarifliche Kooperationen vereinbart, um den Verkehr über Verbundgrenzen hinweg zu erleichtern.

Darüber hinaus arbeiten wir intensiv daran, die Tarifregelun gen landesweit zu vereinheitlichen. Mittlerweile gilt z. B. in 20 von 22 Verkehrsverbünden die Kinderaltersgrenze von 15 Jahren.

Es ist erfreulich – Herr Bachmann hat darauf hingewiesen –, dass wir zum Jahresbeginn mit dem Start des Filsland Mobi litätsverbunds im Landkreis Göppingen den letzten weißen Fleck in der Verbundlandkarte des Landes schließen konnten.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr gut! – Abg. Peter Hofelich SPD: Verbündle!)

Im Übrigen ging das nur dadurch, dass der Verbund in dieser Form und nicht in einer anderen Form gemacht wurde.

Herr Wölfle und lieber Winfried Scheuermann, da kann ich nur sagen, an diesem Punkt gilt: Der richtige Ansprechpart ner für das zentrale Problem, das den Enzkreis betrifft, ist der Verband Region Stuttgart. Denn dort ist für andere der Preis für die „Eintrittskarte“ ein bisschen arg hoch. Das ist aller dings im Bereich des Filsland Mobilitätsverbunds gelöst wor den. Das ist, glaube ich, das Wichtige und Entscheidende.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Unsere Verkehrsverbün de haben Märklin als Vorbild!)

Ein Weiteres darf man nicht übersehen: Wir haben eine viel fältige Verbundlandschaft aus großen und kleinen Verbünden.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Märklin als Vorbild!)

Das ist im Übrigen nicht schlecht. Bei allen Schwierigkei ten ist Märklin immerhin ein Traditionsunternehmen, bei dem es jetzt auch weitergeht – um das einmal in aller Deutlichkeit zu sagen. Insofern muss man überlegen, ob das ein besonders negatives oder eher ein positives Beispiel ist. Ich glaube, es ist ein positives Beispiel.

Alle Verbünde waren erfolgreich bei der Gewinnung neuer Fahrgäste und im Übrigen auch bei der Steigerung des Kos tendeckungsgrads, was genauso wichtig und wesentlich ist.

Ich will noch ein Wort zur Finanzierung der Verbünde sagen: Die Hauptgeldgeber der Tarif- und Verkehrsverbünde im Land sind die Stadt- und Landkreise. Ich glaube, dazu wurde das Notwendige gesagt. Es wurde gesagt, dass deswegen auch sie ein Interesse daran haben, dass die Größenordnung stimmt und die Angebote in der jeweiligen Regionalität zusammen passen.

Das Land gibt beim Verbundstart eine Zuwendung, die höchs tens die Hälfte der verbundbedingten Lasten ausmacht. Mit den Zuwendungen werden ganz überwiegend Absenkungen und Angleichungen der Tarife ausgeglichen.

Eine Verkleinerung der Anzahl der Verbünde würde die Rech nung für das Land aber nicht billiger machen; denn ein Zu sammenschluss von mehreren Verbünden würde zwangsläu fig auch zu einem höheren Zuwendungsbedarf führen, weil mehr Verbundfahrausweise subventioniert werden müssten. Wenn wir heute einen höheren Kostendeckungsgrad bei ei nem derzeit guten Angebot haben, stellt sich die Frage, war um wir die Anzahl der Verbünde verringern sollten.

Wir werden auch weiterhin mit den Verbünden zusammen die Tarifregelungen vereinheitlichen. Dies ist zuletzt bei der lan desweit einheitlichen Mobilitätsgarantie gelungen, mit der wir die gesetzlichen Fahrgastrechte im Schienenverkehr sinnvoll ergänzen und ausweiten. Mit der Mobilitätsgarantie profitie ren Fahrgäste ab einer Verspätung von 30 Minuten, während die gesetzliche Regelung erst nach 60 Minuten Ansprüche ein räumt.