Protocol of the Session on March 2, 2011

Fragen Sie aber auch die vielen Menschen, die in anderen Ländern leben und die froh über den Einsatz der Gentechnik sind. Das hat mittlerweile auch unser Papst erkannt.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Die Bauern wer den enteignet!)

Der Antrag der Fraktion der SPD verfolgt das Ziel, den An bau gentechnisch veränderter Organismen in Baden-Württem berg endlich zu verbieten.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Die Bauern wer den enteignet! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ihr wollt doch enteignen! Wir nicht!)

Hören Sie mir doch zu! Vielleicht lernen Sie dann noch et was.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Die Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums ist kurz, aber zutreffend. Erstens: In Baden-Württemberg erfolgt ein solcher Anbau nicht. Zweitens: Auf Bundesseite wird momen tan entschieden, welchen Spielraum die Länder künftig haben werden. Der Antrag der SPD-Fraktion kommt insoweit etwas zu früh.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Splett?

Nein, im Moment nicht.

Meine Damen und Herren, trotzdem möchte ich die Positio nen der FDP/DVP-Fraktion nochmals darstellen und dabei insbesondere auf den Begriff „gentechnikfreies Baden-Würt temberg“ eingehen. In der Tat gab es bis vor Kurzem Freiland versuche der Universität Hohenheim und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen mit gentech nisch veränderten Pflanzen. Diese Versuche wurden von Gen technikgegnern zerstört. Wenn man die Höhe der wissen schaftlichen und materiellen Schäden addiert, stellt man fest, dass ein Schaden in mehrstelliger Millionenhöhe entstand. Jahrelange wissenschaftliche Arbeiten der beiden auf dem Ge biet der Pflanzenzucht über Deutschland hinaus führenden wissenschaftlichen Einrichtungen wurden sinnlos zugrunde gerichtet.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sauerei! Und alles im Auftrag von Monsanto, damit sie das Monopol be kommen! – Heiterkeit)

Die Diskussionen um das Für und Wider der Gentechnik wer den nur noch emotional geführt, was das Hohe Haus auch heu te wieder zeigt.

Die Meinung der Wissenschaft wird ignoriert. Fachlicher Sachverstand ist nicht mehr gefragt. Wenn die Argumente der Gegner wirklich mit Fakten widerlegt werden, lautet das Er gebnis meist: Diese Technik brauchen wir in Baden-Württem berg nicht.

Meine Damen und Herren, wenn es neue Technologien gibt, dann muss man deren Chancen und Risiken erforschen und diese gegeneinander abwägen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Wenn man nicht forscht, dann ist die Ablehnung einer solchen Technologie keineswegs sachgerecht.

Hessen hat vor Jahren unter grüner Regierungsbeteiligung die Herstellung von Insulin durch medizinische Gentechnik ver boten.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der Kreisbauern verbandschef von Ludwigsburg hat seinen Hof als „gentechnikfrei“ ausgewiesen! – Weitere Zurufe)

Wieder war es die „Dagegen-Partei“. Inzwischen wird es im Ausland hergestellt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abg. Chef.

Danke, Frau Präsidentin.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Die FDP/DVP selbst hört ihr nicht zu!)

In der Medizin ist die Gentechnik mehr als anerkannt. Deutsch land spielt auf diesem Gebiet aber keine Rolle mehr.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Weil die in Hessen es verhindert haben!)

SPD und Grüne sprechen sich für null Toleranz, also für ein striktes Reinheitsgebot bei Saatgut aus. Weltweit werden – das hat Kollege Fischer vorhin schon gesagt – auf 134 Millionen ha GV-Pflanzen angebaut. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Das ist die vierfache Fläche Deutschlands! Deutschland und Europa beziehen einen großen Teil der Futtermittelrohstoffe aus diesen Anbauländern. „Null Toleranz“ ist deshalb über haupt nicht möglich.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das ist aber versprochen worden!)

Die Festlegung eines EU-weit einheitlichen Saatgutschwel lenwerts für geringste Verunreinigungen ist deshalb dringen der denn je.

Grenzwerte haben wir in vielen Bereichen auch heute schon: Grenzwerte für Fremdbesatz im Saatgut, Grenzwerte für My kotoxingehalte im Getreide, Grenzwerte für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln und vor allem – auch wenn Sie dies stets verschweigen – Grenzwerte für genverän derte Bestandteile in Biolebensmitteln.

Meine Damen und Herren, wir haben genveränderte Produk te in fast jedem Käse, in Obstsäften, die mit Vitaminen ver setzt sind, in Süßigkeiten, die Sojalezithin enthalten, und – nach Ihrer Definition – in tierischen Produkten, wenn die Schlachttiere mit gentechnisch veränderten Produkten gefüt tert wurden. Gentechnisch hergestellte Tierarzneimittel sind ohnehin erlaubt. Experten schätzen, dass 80 % aller Lebens mittel Spuren von Gentechnik enthalten. Das in der letzten Legislaturperiode im Bundestag beschlossene Kennzeichen „Ohne Gentechnik“ ist eine dreiste Verbrauchertäuschung. Es müsste vielmehr heißen: „Mit ein bisschen Gentechnik“.

Wenn Sie gentechnikfreie Zonen einführen wollen, bedeutet dies konsequenterweise: Wir brauchen eine positive Kenn

zeichnung aller Lebensmittel, die im Herstellungsverfahren mit Gentechnik in Berührung gekommen sind.

Es ist richtig, dass viele Menschen der Gentechnik skeptisch gegenüberstehen. Das begründet jedoch kein Verbot. Die be stehende Skepsis der Verbraucher ist vielmehr eine Aufforde rung an Politik, Verbände und Unternehmen, sachgerecht über die Züchtungsmethoden zu informieren. Dazu gehört auch, den Menschen bewusst zu machen, dass auf Gentechnik be ruhende Züchtungsmethoden längst bei uns Einzug gehalten haben und vielfältig angewandt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Murschel.

(Zurufe: „Dr. Murschel“! – Gegenruf des Abg. Alb recht Fischer CDU: Der ist noch nicht überprüft wor den! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Gentechnikfreie Dissertationen gibt es noch nicht!)

Entschuldigung, Herrn Abg. Dr. Murschel.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Lassen Sie mich noch ein paar Begriff lichkeiten klarstellen und dabei auf meine Vorrednerinnen und Vorredner eingehen.

Frau Chef, Sie hatten gesagt,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Darauf brauchst du wirklich nicht einzugehen!)

dass in Nürtingen die Versuche eingestellt worden seien, weil gewalttätige Demonstranten die Pflanzen niedergetrampelt hätten.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Die Hochschule hat die Versuche abgeblasen! – Weitere Zurufe von den Grünen – Gegenrufe von der CDU)

Das Institut für Angewandte Forschung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen hat jahrelang Gelder von Drittmittelgebern angenommen, um in diesem Be reich zu forschen. Die Beträge lagen dabei im niedrigen fünf stelligen Bereich,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Na und?)

was für die Hochschule absolut keine Rolle spielt und margi nal ist. Dafür hat die Hochschule aber in Kauf genommen, dass wegen der Forschung eines einzelnen Professors auf Jah re hinaus ein Imageschaden für sie entstanden ist,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Das ist doch überhaupt nicht wahr! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist eine Unterstellung!)

der den Rektor der Hochschule dazu gebracht hat

(Unruhe)

jetzt seien Sie doch einmal ruhig! –, zu sagen: Wir stellen diese Versuche ein. Diese Entscheidung, die die Hochschule getroffen hat, war die einzig richtige.