Protocol of the Session on March 2, 2011

Fünf Jahre Agrogentechnikdebatte sind fünf Jahre Diskussi on über Clothianidin, über Neonicotinoide, zuletzt über Di

oxin, also über die ganze Palette an Giften, die es gibt. Sie wa ren in diesem Hohen Haus immer wieder Diskussionspunkte.

Fünf Jahre Agrogentechnikdebatte sind Debatten über Jahre löchriger Kontrollen auf GVO-Saatgut mit der Folge gesetz widriger Pannenaussaaten von GVO-Saatgut.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ein Käse!)

Im Jahr 2009 waren es 170 ha in Baden-Württemberg. Im Jahr 2010 wurde dieses Saatgut aus Versehen auf 700 ha ausge bracht, weil man schlechte Kontrollen hat.

Fünf Jahre Agrogentechnikdebatte im Landtag von BadenWürttemberg sind fünf Jahre CDU-Landwirtschaftsminister. Erst war es Herr Hauk. Nun ist es Herr Köberle.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Zwei ausgezeich nete Minister und Fachleute!)

Das einzige Grüne, was ich in diesen Debatten erlebt habe, war die häufig vorzufindende grüne Krawatte des Exministers Hauk. Herr Köberle, Sie haben eine angehaucht grüne Kra watte. Das war das einzige Grüne in dieser Agrogentechnik debatte. Sie war immer zum Nachteil der Landwirte und zum Nachteil der Verbraucher. Wir haben immer gesagt: Wir be kämpfen die Gentechnik nicht per se, sondern wir bekämpfen sie, weil sie eine Risikotechnologie darstellt. Diese ist, wenn sie einmal „freigesetzt“ ist, nicht mehr rückholbar. Wir wol len Baden-Württemberg zu einem gentechnikfreien Land ma chen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Hans- Peter Wetzel FDP/DVP)

Das ist übrigens etwas, was Sie, Herr Köberle, im letzten Jahr betont hatten – das war das Erstaunliche –: Unser Land, un sere Verbraucher, unsere Landwirte brauchen die Gentechnik gar nicht.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Warum machen Sie ein solches Theater hier?)

Das eine ist die Ankündigung. Das andere ist die Realität.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Es gibt keine Realität!)

Das muss man einfach so sehen. Wir haben eine durchaus er folgreiche Politik gemacht. Wir Grünen haben mit unserer Ar beit dafür gesorgt, dass es im Jahr 2011 keinen kommerziel len Anbau gibt, dass es im letzten Jahr keine Freilandversu che gab – ich hoffe, auch in diesem Jahr wird es sie nicht ge ben –, dass wir im Land Baden-Württemberg mehr und mehr gentechnikfreie Zonen haben, dass die Bevölkerung sensibi lisiert wurde und Druck für mehr Gentechnikfreiheit in Ba den-Württemberg, in Deutschland und in Europa ausübt.

Ich werde vielleicht in der zweiten Runde die Gelegenheit nut zen, noch etwas deutlicher auf den Antrag einzugehen.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Peter Hofelich SPD)

Ich erteile Herrn Abg. Winkler für die Fraktion der SPD das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Einstieg des Kollegen Dr. Murschel erinnert mich an ein gängiges Sprichwort, das ich in etwas geänderter Form zitieren darf: Vor fünf Jahren konnten wir sagen: „Die Gentechnik in ihrem Lauf hält weder Ochs’ noch Esel auf.“

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Vorsicht!)

Einige kleine gallische, germanische Dörfer – vielleicht noch welche in Österreich – versuchten, sich zu wehren –

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Bayerische!)

um das etwas plastisch darzustellen. Warum ist es heute viel leicht nicht mehr so? Es gab eine ganz wichtige Entscheidung oder einen ganz wichtigen Vorsatz, der ein Fragezeichen hin ter diesen Lauf setzt. Im Dezember 2010 hat die EU-Kommis sion nämlich den Vorschlag gemacht, den Mitgliedsstaaten Entscheidungsspielräume beim Anbau von GVO zuzugeste hen. Gegenüber der Freisetzungsrichtlinie des Jahres 2001 war das ein richtiger Quantensprung bezüglich der Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten, selbst zu entscheiden. Die Frage „Wie?“ ist noch offen. Sie ist noch nicht beantwortet, nicht in der EU und schon gar nicht bei uns. Sie ist auch im Bund noch offen. Sie ist ganz offensichtlich bei uns im Land offen.

Die Änderung der Freisetzungsrichtlinie aus dem Jahr 2001 stand unter dem wichtigen Motto, die Zulassung von GVOPflanzen nicht zu verhindern. Nun sind Möglichkeiten eröff net, Einschränkungen zu machen, den Einsatz von GVOPflanzen aus ethischen oder aus sozialökonomischen Grün den national durch die Mitgliedsstaaten untersagen zu lassen. Bei uns in Baden-Württemberg lägen alle Voraussetzungen dafür vor. Unser Land ist kleinräumig, wir haben einen hohen Anspruch an die Qualitätssicherheit unserer Lebensmittel. Un sere Landwirte sind darauf angewiesen, dass unsere Lebens mittel sicher und von hoher Qualität sind.

Aber wir in Baden-Württemberg haben das Zeichen der EU vom Dezember 2010 noch nicht aufgegriffen. Das ist eigent lich schade. Hier könnten wir bereits im Vorfeld aktiv wer den, weil auch die Bundesregierung hierzu eine Position und eine Stellungnahme erarbeiten müsste. Es wäre angebracht, dass die Landesregierung auf die Möglichkeit eines nationa len Verbots einginge.

Der Antrag der Grünen verfolgt einen anderen Ansatz. Da nach soll untersucht werden, wie verunreinigter Genmais – in diesem Fall MON 810 – bei uns ausgebracht wurde.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordne ter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Wet zel?

Ja, gern.

Bitte sehr, Herr Abg. Dr. Wetzel.

(Zuruf des Abg. Fritz Buschle SPD)

Zwei Fragen, Herr Kollege Winkler: Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich

der Bauernverband nicht für ein Gentechnikverbot ausspricht, und würden Sie weiter zur Kenntnis nehmen, dass sich der Vatikan inzwischen für die grüne Gentechnik ausgesprochen hat?

(Abg. Fritz Buschle SPD: Was? Welcher Bauernver band? – Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Dass sich der Bauernverband nicht für ein Verbot ausspricht, ist schon lange bekannt. Hin gegen hat er Empfehlungen ausgesprochen, Gentechnik nicht einzusetzen.

(Zuruf des Abg. Fritz Buschle SPD)

Das ist keine Zustimmung zur Gentechnik.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Wir haben erlebt, dass beim Einsatz der Gentechnik in den vergangenen Jahren riesengroße Fehler begangen wurden. Die Freisetzungsrichtlinie stand unter der Überschrift der Koexis tenz. Damit sollte den Verbrauchern, den Landwirten und der Gesellschaft insgesamt mitgeteilt werden: Es ist möglich, Nahrungsmittel sowohl mit als auch ohne Einsatz von Gen technik zu produzieren. Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten zehn Jahre, dass das nicht geht.

Wir haben nicht nur eine Vermischung von beidem erlebt. Im vergangenen Jahr war die Existenz vieler Landwirte gefähr det, die GVO-verseuchtes Saatgut erhalten haben. Ich benut ze das Wort „verseucht“. Wir haben auch erlebt, dass Futter mittel eingeführt wurden, deren GVO-Bestandteile noch nicht einmal zugelassen waren. Sie hätten gar nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die proklamierte Koexistenz hat in aller Breite, auf der ganzen Linie versagt.

Immerhin hat Frau Aigner reagiert. Sie hat am 17. April 2009 den Anbau von Genmais der Sorte MON 810 mit dem Hin weis auf deren Risiken und Gefahren verboten.

Europa ist insofern ein ganz schlechtes Pflaster für GVO. Gott sei Dank: Deutschland und Frankreich sind die großen Wächt erstaaten. Dort lassen sich GVO nicht einbringen und dringen nicht ein. Wir haben das Glück, dass unsere Gesellschaft skep tisch genug ist und über die Gefahren genügend aufgeklärt ist.

Es gab noch ein wichtiges Urteil. Das Bundesverfassungsge richt hat im November letzten Jahres das Gentechnikgesetz, gegen das das Land Sachsen-Anhalt geklagt hat, bestätigt.

Das Bundesverfassungsgericht hat erstens die Toleranzgren zen bestätigt. Es hat zweitens die verschuldensunabhängige Haftung bestätigt. Das ist der Hauptpunkt, nämlich dass sich Gentechnik bei uns nicht durchsetzt. Es hat drittens bestätigt, dass das Gentechnikgesetz verfassungsrechtlich in Ordnung ist. So schreibt das Bundesverfassungsgericht:

Die Gentechnik greift in die elementaren Strukturen des Lebens ein.

Es muss uns zu denken geben, wenn das Bundesverfassungs gericht dies bestätigt und das Gentechnikgesetz, das in den Jahren 2004 und 2009 geändert wurde, sozusagen nicht „ab gewürgt“ werden kann.

Weltweit ist mittlerweile nicht mehr nur die erste, sondern schon die zweite und die dritte Gentechnikgeneration im Ein satz. Das bedeutet, dass die erste und die zweite Generation eine „Schrottgeneration“ war, die nicht das eingehalten hat, was sie versprochen hat.

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. In Indien wurde der größte Teil der Baumwolle in den letzten acht Jahren gentech nisch erzeugt. Das erfolgte mit dem großen Versprechen ei nes höheren Ertrags und eines geringeren Einsatzes von Spritzmitteln, Unkrautvertilgungsmitteln, Pestiziden und In sektiziden.

Die aktuellste Untersuchung aus dem letzten Jahr zeigt, dass die damals zu bekämpfenden Schädlinge mittlerweile alle wie der da sind und sich an den GVO-Pflanzen vermehren. Das einzige Ziel beim Einsatz dieser Pflanzen, diese Schädlinge zu vermeiden, ist nicht erreicht worden. Denn die Schädlinge haben gegen diese Pflanzen Resistenzen gebildet. Es gibt gar keinen Grund mehr, gentechnisch veränderte Pflanzen einzu setzen, wenn durch sie das ursprüngliche Ziel nicht erreicht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE)

Minister Hauk hat in seiner Amtszeit nach der Kritik an der Maisausbringung und an der Vermischung von nicht gentech nisch und gentechnisch verändertem Mais übrigens eine gute Bemerkung gemacht. Er hat sinngemäß gesagt, dass BadenWürttemberg mit seiner Kleinflächigkeit nicht über die nöti gen Abstandsstrukturen verfügt und dass wir mit unseren auch biologisch angebauten Flächen diese Abstände gar nicht um setzen können.