Protocol of the Session on March 1, 2011

Damit ist Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 14/6247

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport – Drucksache 14/6525

Berichterstatterin: Abg. Andrea Krueger

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.

In der Zweiten Beratung erhält für die CDU-Fraktion Frau Abg. Krueger das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben es gerade schon mehr fach angesprochen und gehört: Die Opposition zieht mit der Forderung nach der Einheitsschule – sie wird zwar Gemein schaftsschule genannt, ist aber doch nichts anderes als eine Einheitsschule – in den Wahlkampf, und zwar aus rein ideo logischen Gründen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Durch Wiederholen wird Blödsinn auch nicht besser!)

Sie tut dies, obwohl Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz genau wissen, dass wir in Baden-Württemberg über ein vor bildliches differenziertes Schulsystem verfügen,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

das jungen Menschen im Land individuelle Bildungswege er möglicht, Bildungswege zum Erfolg.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Getretener Quark wird breit, nicht stark!)

Dass Sie das wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, kann man nachlesen, nämlich in der Begründung zu Ih rem Gesetzentwurf, in der Sie selbst bestätigen, dass beispiels weise die beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg zu Recht als vorbildliche Einrichtungen gelten dürfen. Sie kön nen es gern nachlesen. Es steht in Ihrer eigenen Begründung.

Gerade weil unsere beruflichen Schulen bundesweit unbestrit ten die Nummer 1 sind – das behauptet nicht die CDU hier in Baden-Württemberg, sondern das hat das Institut der deut

schen Wirtschaft in seinem Bildungsmonitor wissenschaftlich belegt –, bauen wir die beruflichen Gymnasien weiterhin kon sequent und bedarfsgerecht aus.

Wir tun das im Übrigen auch im Einklang mit den Beschlüs sen der Enquetekommission „Fit fürs Leben in der Wissens gesellschaft – berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“. Das sind Beschlüsse, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und auch von den Grünen, bekanntlich mitge tragen haben.

Über die mangelnde Sinnhaftigkeit des von Ihnen geforder ten Rechtsanspruchs haben wir schon mehrfach diskutiert: in der Enquetekommission, in der Ersten Beratung hier im Par lament und im Schulausschuss. Wir müssen es jetzt zum wie derholten Mal tun. Trotzdem ist es Ihnen bis heute nicht ge lungen, irgendjemand anderen außer sich selbst davon zu überzeugen, dass Ihre Forderung zu Recht besteht.

(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Das ist allerdings leicht nachvollziehbar; denn schon aus Sachgründen können Sie das gar nicht.

Die kommunalen Landesverbände – immerhin haben die Landkreise und Städte als Schulträger bei dieser Frage ein ge wichtiges Wort mitzureden – können sich für Ihre Forderung und Ihren Gesetzentwurf ebenfalls nicht erwärmen. Das ha ben die Anhörungsergebnisse im Rahmen des Gesetzgebungs verfahrens gezeigt.

Wenn Sie meiner Argumentation schon nicht folgen wollen, dann sollten Sie doch wenigstens auf Ihre eigenen Parteimit glieder in der Kommunalpolitik hören. Aber das Hören – das haben wir hier schon mehrfach erlebt – ist offenbar etwas schwierig.

(Zuruf von der SPD)

Gerade Sie vertreten doch sonst immer den Ansatz der Schul entwicklung von unten. Wir sehen in den Schulträgern Ge sprächspartner, und zwar Partner auf Augenhöhe, und wir se hen in ihnen nicht jemanden, den wir nicht zur Kenntnis neh men.

Der von Ihnen eingeforderte Rechtsanspruch auf einen Platz in einem beruflichen Gymnasium geht u. a. auch deshalb in die falsche Richtung – das wissen Sie, Herr Kaufmann; Sie wissen dies vermutlich sogar besser als die meisten anderen in Ihrer Fraktion –, weil es naturgemäß gar nicht möglich ist, alle bestehenden Profile an allen Standorten anzubieten. Bei einer sich verändernden Nachfrage, bei einer Veränderung der Bedarfe müsste dann jeweils kurzfristig mit Standortverlegun gen reagiert werden, und es müsste der veränderte Bedarf ab gebildet werden. Sie wissen jedoch ganz genau, dass das na türlich nicht möglich ist. Denn wer so etwas wollte, würde in unverantwortlicher Weise Ressourcen verschwenden – abge sehen davon, dass allein die Bereitstellung der notwendigen Lehrkräfte in der Praxis schon gar nicht realisierbar wäre.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Dafür sind Sie ja ver antwortlich!)

Sie haben bis heute auch nicht plausibel darlegen können, wel chen Vorteil ein solcher Rechtsanspruch etwa für einen jun

gen Menschen haben soll, der in ein Technisches Gymnasium gehen will und vor Ort ein Wirtschaftsgymnasium vorfindet.

Vor diesem Hintergrund wird es Sie sicherlich nicht verwun dern, dass wir Ihren Gesetzentwurf nach wie vor ablehnen.

Weil wir aber wollen, dass junge Menschen in diesem Land gefördert werden und ihren individuellen Weg zum Bildungs erfolg gehen können, bauen wir die beruflichen Gymnasien weiter aus. Das Kultusministerium hat den Trägern zum nächsten Schuljahr bereits weitere 100 Klassen, u. a. mit dem Profil Umwelttechnik, avisiert.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Dort, wo vor Ort, etwa hier in Stuttgart, die räumliche Unter bringung gewisse Fragen aufwirft, werden solche Fragen im vertrauensvollen Zusammenwirken von staatlicher und kom munaler Schulverwaltung zu klären sein. Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit den Schulträgern – ganz im Sinn der Enquetekommission. Vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben uns in dieser Enquete für die dynamische, regionale Standort entwicklung ausgesprochen. Ich bin ganz sicher, dass in die sem gemeinsamen Interesse von Land und Schulträgern, jun gen Menschen diese Bildungswege zu eröffnen, gute Ergeb nisse erzielt werden.

Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf nach wie vor ab. Sie haben diesen Gesetzentwurf – das will ich hier noch einmal deutlich sagen – allein aus populistischen Erwägungen her aus formuliert, und aus denselben populistischen Erwägun gen haben Sie diesen Gesetzentwurf in der heutigen, vorletz ten Sitzung der laufenden Legislaturperiode noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Kaufmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Erfahrungen mit unse rem Gesetzentwurf sind ganz andere als die, die Frau Krue ger dargestellt hat.

(Abg. Andrea Krueger CDU: Ich habe die schriftli che Stellungnahme der kommunalen Landesverbän de angeführt!)

Wir sind auf breite Zustimmung gestoßen. Es gab Unterschrif tenaktionen; Eltern- und Lehrerverbände haben sich positiv zu diesem Gesetzentwurf geäußert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Andrea Krueger CDU: Aber nicht diejenigen, die als Schulträger Verantwortung haben!)

Frau Krueger, die kommunalen Landesverbände unterstützen durchaus die Zielsetzung unseres Gesetzentwurfs, sagen aber, dass ihnen im Moment die finanziellen Ressourcen fehlten,

(Abg. Andrea Krueger CDU: Nein, nein!)

weil das Land nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stellt. Dieses Argument können Sie hier nicht anführen, denn Sie als Regierungsfraktionen wären ja in der Lage, diese Mittel zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

Schauen Sie sich einmal an, wie viele Schüler wir in den der zeitigen Eingangsklassen der beruflichen Gymnasien haben. Ich darf darauf hinweisen, dass sich für diese Klassen rund 27 000 zugangsberechtigte Schülerinnen und Schüler bewor ben haben, insbesondere natürlich von den Realschulen; das wissen Sie. Aber für 9 000 Zugangsberechtigte aus den Real schulen fehlten im vergangenen Schuljahr Plätze in den Ein gangsklassen. Jeder dritte zugangsberechtigte Realschüler musste auf eine Alternative ausweichen. Das ist eine Situati on, die unbefriedigend ist und die Sie hier nicht beschönigen können.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, dass Artikel 11 der Lan desverfassung – entsprechend auch § 1 des Schulgesetzes – deutlich sagt:

Jeder junge Mensch hat... das Recht auf eine seiner Be gabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.

Dem Geist dieser gesetzlichen Bestimmung werden Sie mit Ihrer Haltung nicht gerecht. Das Auseinanderklaffen von An spruch und Wirklichkeit ist eine unerträgliche Situation für die Lehrer, für die Eltern und für die betroffenen Schüler, denn Ihr ewiges Mantra „Kein Abschluss ohne Anschluss“ muss von den Betroffenen als Hohn empfunden werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Herr Röhm, beruhigen Sie sich.