Solche Sätze wie „Die Löhne dürfen sich nicht weiter nach unten entwickeln“ hören sich gut an, helfen aber nicht wirk lich weiter.
Wir haben es auch nicht nötig, ungeprüft und eilig die Ent würfe anderer Länder zu übernehmen. Was wir tun müssen – jetzt komme ich darauf –
ist, die Handlungsalternativen, die uns das Rüffert-Urteil gibt, sorgfältig zu analysieren und in das Landesvergaberecht so ziale und ökologische Komponenten einzuarbeiten.
Den vorliegenden Gesetzentwurf lehnen wir ab. Er ist unaus gegoren und technisch, handwerklich fehlerhaft.
Der Entwurf ist nichts anderes als der missglückte Versuch, vor der Wahl das Vergaberecht zu missbrauchen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die Dumping löhne sind doch schon da!)
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Tarifautonomie ver teidigen, Frau Kollegin! Den Gewerkschaften Beine machen!)
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Kollege Löffler hat gerade gesagt, er hätte gern einen fairen Leistungswettbewerb.
Das ist löblich. Wer dies aber will, muss auch sagen, wie ein solcher Wettbewerb erreicht werden kann.
Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal über das Thema Tariftreuegesetz. Wir haben hier im Haus bereits 2007 darü ber diskutiert. Auch 2007 haben wir Grünen gesagt: Wir hal ten ein Tariftreuegesetz für richtig. Wir halten es für richtig, weil wir nicht wollen, dass Unternehmen benachteiligt wer den, die ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen. Wir wollen auch, dass öffentliche Auftraggeber ihre Vorbildfunktion wahrnehmen.
Schließlich geht es auch darum, dass wir dem Handwerk ei ne solide Basis ermöglichen. Wir müssen berücksichtigen, dass wir 130 000 Handwerksbetriebe in Baden-Württemberg haben. Diese beschäftigen 730 000 Mitarbeiterinnen und Mit arbeiter, bilden 58 500 junge Menschen aus und erwirtschaf ten einen Umsatz von 64 Milliarden €. Im Interesse dieser Un ternehmen und der dort Beschäftigten können Sie, Herr Kol lege Löffler, sich nicht einfach hinstellen und sagen: „Wir wol len einen fairen Wettbewerb, aber wir machen nichts.“
Der Handwerkstag hat – entgegen der Behauptung des Kol legen Löffler – ausdrücklich gesagt, dass er ein Tariftreuege setz will. Ich denke, dass nichts dagegen spricht. Wir sind jetzt in der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der SPD. In den Ausschussberatungen können wir über Detailfragen diskutie ren.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie eine konstruktive und posi tive Grundhaltung zu diesem Gesetzentwurf einnehmen, weil sich die europarechtlichen Fragen seit 2007 geklärt haben. Es gibt das Rüffert-Urteil von 2008. Darin ist festgelegt, dass für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zur Anwendung kommen können.
Mittlerweile gibt es den Leitfaden „Sozialorientierte Beschaf fung“ der Europäischen Kommission, in dem es explizit auch darum geht – ich zitiere –:
Öffentliche Auftraggeber können mittels kluger Beschaf fungsstrategien Beschäftigungschancen, menschenwür dige Arbeit... und die umfassendere Einhaltung von So zialstandards fördern.
Das Thema „Gesetzlicher Mindestlohn“ – das haben Sie aus geführt – ist eine Frage, die europarechtlich tatsächlich noch nicht ganz geklärt ist. Aber immerhin gibt es Tariftreuerege lungen in Berlin, in Bremen, in Hamburg, in Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Brandenburg, in Thüringen
und demnächst auch in Nordrhein-Westfalen. In einigen der jeweiligen Tariftreuegesetze sind auch Mindestlöhne vorge sehen. Wie gesagt: Es gibt unterschiedliche rechtliche Bewer tungen, inwieweit das vom Rüffert-Urteil gedeckt ist. Aber ich denke, die Aussagen der Europäischen Kommission ge hen da in eine klare Richtung.
Von der Europäischen Kommission ist auch gedeckt, dass die für allgemein verbindlich erklärten Tariflöhne auf die soge nannten Subunternehmer angewendet werden dürfen. Hier gibt es ebenfalls keine Probleme.
Einerseits finden wir es gut und richtig – diesen Hinweis hat Herr Hausmann schon gebracht –, dass ab Mai 2011 die Dienstleistungsfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit für alle eintreten. Andererseits sollten wir dafür Sorge tragen, dass öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe auf eine or dentliche tarifliche Bezahlung achten. Wenn Sie einen fairen Wettbewerb wollen, dann können Sie sich dem nicht verwei gern.
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die sieben Länder, die Tariftreuegesetze haben, ausschließlich Verträge im Bereich des Arbeitnehmer-Entsen degesetzes regeln? Das ist völlig unproblematisch und ent spricht genau dem Tatbestand des Rüffert-Urteils. Der hier vorliegende Entwurf geht aber wesentlich weiter und umfasst alle Verträge. Deshalb entzündet sich meine Kritik an der um fassenden vergaberechtlichen Regelung.
Öffentliche Aufträge... dürfen nur an Unternehmen ver geben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung diejenigen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts zu gewähren, die in Modalitäten und Höhe mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages ent sprechen, an den das Unternehmen aufgrund des Arbeit nehmer-Entsendegesetzes gebunden ist.
Ich finde, alle anderen Punkte können wir gern nochmals in einer Ausschusssitzung beraten. Ich hoffe, dass wir dann zu einem Einvernehmen im Sinne der Unternehmen und der Be schäftigten kommen.