Protocol of the Session on February 3, 2011

Bei dem zweiten Fall, den ich anführen möchte, ging es um eine deutsche Frau, die zwischen 1943 und 1945 17 Monate im KZ verbracht hat, die Zwangsarbeit verrichten musste und an der medizinische Experimente ausgeführt worden sind. Diese Frau kam völlig krank und entkräftet aus dem KZ und hat dann nie mehr Anschluss gefunden. Diese Frau ist mit ih rer Tochter von Behörde zu Behörde gegangen, hat aber nie mals erreichen können, dass wenigstens ein Gericht einmal über ihren Haftentschädigungsantrag befand.

50 Jahre lang hat die Tochter um die Haftentschädigung die ser Frau gekämpft, nur um symbolisch etwas zu erreichen. 50 Jahre lang ist dies nicht gelungen. Erst im Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg, der hierzu einen ein stimmigen Beschluss gefasst hat – es war ein harter Kampf, den wir dort geführt haben, auch mit dem Finanzministerium –, ist es gelungen, dieser Frau eine symbolische Entschädi gung zu überreichen, um klarzumachen: Hier hat der Staat

versagt, weil diese Frau – also die Tochter dieses KZ-Opfers – nie die Gelegenheit hatte, diesen Fall einmal vor ein Gericht zu bringen. Ich bin allen Kollegen dankbar, dass das geklappt hat.

Der dritte Fall, der bei mir gelandet ist, den ich Ihnen schil dern möchte, ist folgender: Ein junger Familienvater, der sich einer Totaloperation wegen Prostatakrebs unterziehen muss te, sollte aus medizinischen Gründen zwölf Monate lang Via gra verschrieben bekommen, um die Erektionsfähigkeit wie derherzustellen.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Das war immer ein wichtiges Thema!)

Für diese Maßnahme bei diesem relativ jungen Mann von et was über 40 Jahren lag also ein medizinischer Grund vor. Ihm wurde dies aber hartnäckig verweigert. Da hat bei uns allen – zum Glück einstimmig –

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das glaube ich nicht!)

das Gefühl vorgeherrscht: Hier muss eine vernünftige Lösung her. Ich kann Ihnen sagen: Diesem Familienvater ist dies in zwischen erstattet worden.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Auch da muss ich sagen: Es war eine sehr wichtige Erfahrung, dass wir uns da zusammengefunden haben.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt.)

Zum Schluss – ich sehe schon, meine Sprechzeit ist zu Ende; das ist sehr schade – möchte ich noch an die Ausschussreise erinnern. Sie hat uns wirklich an neue Formen des Strafvoll zugs geführt. Sie hat uns an die Grenzen im Umgang mit Flüchtlingen, die ihr Land verlassen wollen, geführt.

Weil meine Sprechzeit zu Ende ist, muss ich mich leider kurz fassen.

Wir müssen in Zukunft – das als Ausblick – zwei Dinge än dern. Erstens: Wir müssen uns angewöhnen, in den Pressemit teilungen zu erwähnen, wenn eine Entscheidung im Petitions ausschuss strittig war. Dann muss aus der Pressemitteilung auch hervorgehen, dass die Entscheidung nicht einstimmig getroffen wurde, sondern strittig bzw. mehrheitlich entschie den wurde, damit es nicht einfach nur heißt: „Der Petitions ausschuss hat entschieden“,

(Abg. Jörg Döpper CDU: „Mehrheitlich“!)

ohne dass der Mitteilung zu entnehmen ist, dass der Fall strit tig war.

(Beifall der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Der zweite Punkt: Wir müssen eine Veränderung insofern er reichen, als man nicht nur eine Onlinepetition einreichen kann, sondern auch eine E-Petition wie auf Bundesebene. Das be deutet: Wenn mehr als 50 000 Leute elektronisch ein Anlie gen einreichen, dann sollen diese den Anspruch haben, mit ih rem Anliegen eine öffentliche Anhörung im Parlament durch

führen zu können. Das ist eine fortschrittliche Fortschreibung dieses Verfahrens.

Ganz zum Schluss – ich möchte nicht, dass man mir wegen des Endes meiner Redezeit die Möglichkeit dazu nimmt – möchte ich Jörg Döpper danken. Es ist mir als stellvertreten dem Vorsitzenden eine freudige Pflicht, ihm für seine Arbeit zu danken. Ich weiß, er ist bekannt für manche rustikalen Ein würfe und Zwischenrufe in den Plenardebatten.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Rustikal!)

Wenn man ihn im Petitionsausschuss kennengelernt hat, dann weiß man: Im Grunde ist er ein wirklich ausgleichender und freundlicher Mensch. Er kann mit der Gewissheit, dass er ein sehr guter Vorsitzender des Petitionsausschusses war, in den Ruhestand gehen. Man kann sagen: Bei ihm sind Person und Funktion zusammengewachsen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Er hat es vermocht – das muss ich wirklich sagen –, bei uns allen, die wir ganz unterschiedlichen Lagern angehören, eine Atmosphäre zu erzeugen, dass jeder stolz war, Mitglied in die sem Ausschuss zu sein, und dies als etwas Besonderes emp funden hat. Das, lieber Jörg, ist dein Verdienst. Herzlichen Dank, dass du uns das mitgegeben hast. Dir einen schönen Ruhestand.

Danke schön.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich erteile Herrn Abg. Wölfle für die Fraktion GRÜNE das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir nach zwei Ta gen Plenardiskussionen, bei denen man das Gefühl hatte, wir könnten uns in keiner Weise mehr miteinander verständigen, am Ende des zweiten Tages eine höchst niveauvolle Diskus sion erleben und dabei konstatieren können, dass wir als Land tagsabgeordnete gemeinsam streiten können und oft genug gute Ergebnisse hinbekommen haben, dafür können wir uns, meine ich, gemeinsam loben.

Sie, Herr Döpper, haben schon angefangen, uns als Ausschuss zu loben. Ich glaube, das ist auch gut so. Denn das haben wir auch verdient. Sie haben Beispiele erwähnt.

Zu dem Bild mit der Hyäne:

(Heiterkeit – Abg. Andrea Krueger CDU: Hyänen sind ganz liebevolle Eltern!)

Absolut.

(Zuruf: Wenigstens etwas!)

Aber sie sind – so wie auch Geier – Aasfresser. Ich hätte jetzt gesagt: Wir sind der Reparaturbetrieb unserer repräsentativen Demokratie. Das wird auch gebraucht, weil überall Fehler ge macht werden. Wir arbeiten bedauerlicherweise in der Regel hinterher.

Ich war in dieser Legislaturperiode im Landtag Neuling. Da wird man belächelt und bekommt gesagt: Du darfst als Erstes

einmal in den Petitionsausschuss. Für mich war es ein Ver gnügen. Am Anfang habe ich auch einmal ein bisschen gelä chelt: Da kannst du dich um Hasen, Igel – was hatten wir noch? –, Schafe, Hirsche usw. kümmern. Für die jeweiligen Betroffenen sind das alles ernst zu nehmende Themen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Wölfe auch noch!)

Auch wenn man hier oftmals große Reden über Abstraktes hält, im Konkreten wird es deutlich. – Herr Zimmermann, auch Sie habe ich im Petitionsausschuss von einer ausgespro chen anderen Seite kennengelernt, als ich Sie hier als Zwi schenrufer kennengelernt habe.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Jörg Döpper CDU – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Als Sie sich für Mustafa eingesetzt haben, war es für mich ein geradezu rührendes Erlebnis.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wow! – Zuruf der Abg. Sabine Fohler SPD)

Das alles gibt es. Es ist einerseits faszinierend – was wir in unserem Staat alles geregelt haben: Gesetze, Verordnungen bis ins tiefste Detail, was uns oft im Weg stand –, pragmati sche Lösungen zu finden oder dem gesunden Menschenver stand zum Durchbruch zu verhelfen. Ab und zu haben wir das geschafft. Herr Döpper hat zwei Beispiele erwähnt, für die ich auch verantwortlich war. Oft genug ist die Arbeit im Petiti onsausschuss andererseits aber auch erschütternd. Sie haben das Beispiel die Rente einer türkischen Putzkraft betreffend erwähnt. Dabei war die Reaktion mancher Mitbürger für mich wiederum erschütternd. Denn ich habe einige E-Mails und Zu schriften bekommen mit dem Tenor: Wieso die Türkin und nicht ich? Auch das gehört zur Realität in Deutschland.

Die Zahl der Ausländerpetitionen hat zwar abgenommen, aber die Beispiele und die Schicksale, die dahinterstehen, sind nach wie vor erschütternd. Immer wieder schüttelt man nicht nur den Kopf, sondern herrscht auch Ratlosigkeit, warum es uns nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass Kinder, die in unserer Ge sellschaft gut integriert sind, und selbst Menschen, die in Man gelberufen tätig sind, nicht abgeschoben werden.

Ich glaube, wir haben insgesamt einen engagierten Job ge macht; aber es besteht noch Luft nach oben. Ich verweise zu richtig wichtigen Punkten auf zwei Beispiele, die mir einge fallen sind: Im Zusammenhang mit dem Kraftwerk Rheinfel den hätten wir die EnBW durchaus ermahnen können, mit dem Abriss des Denkmals wenigstens abzuwarten, bis wir die Pe tition behandelt haben. Das hätte sich so gehört.

(Beifall des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE – Zu ruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Das andere Beispiel: Der Fall Zwingenberg – die Brücke – ist und bleibt eine Verschwendung.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Oh!)

Das ist meine Meinung.

(Zurufe der Abg. Beate Fauser FDP/DVP und Peter Hauk CDU)

Wir glauben am Ende dieser Legislaturperiode, viel über neue Planungs- und Regelungskultur gelernt zu haben. Wenn wir künftig mehr vorausdenken und mit den Menschen arbeiten, braucht der Petitionsausschuss im Nachhinein nicht so viel zu regeln.

Ich wünsche Ihnen, Herr Döpper, auch von meiner Seite aus noch einmal alles Gute. Sie waren ein guter Vorsitzender. Ich biete Ihnen gern eine Beteiligung an einem der neuen Wind krafträder an.