Protocol of the Session on February 2, 2011

Nein, die gestatte ich nicht.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Weil er merkt, dass er die Unwahrheit gesagt hat! Wo steht das in dem Be richt? – Lebhafte Unruhe)

Zweite Erkenntnis, meine Damen und Herren.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Ihre Erkenntnis! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wo steht das? – Zuruf: Ich würde es gern nachlesen!)

Der Polizeieinsatz – –

(Zurufe von der CDU: Wo steht das? – Anhaltende lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kol legen, jetzt arbeiten wir ganz angestrengt diese Sache auf. Da zu gehört auch, dass man die anderen trotz Zwischenrufen ausreden lässt.

(Zurufe – Unruhe)

Trotz Zwischenrufen!

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wo steht das denn?)

Vielen Dank, Herr Prä sident. Man muss sich daran gewöhnen, gegen eine Wand des Schreiens anzureden, weil das natürlich nicht gern gehört wird. Das ist mir klar.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sagen Sie, wo es steht! Wo steht es? – Zuruf: Sagen Sie einfach, wo das steht!)

Der Polizeieinsatz, meine Damen und Herren, wurde einer seits monatelang vorbereitet, andererseits kam die Polizei – durch die Politik – auf der Schlussgeraden in eine Situation, in der sie unter Druck geriet, und deswegen ist dieser Einsatz dann doch schlecht vorbereitet gewesen, mit heißer Nadel ge strickt gewesen, und er ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Da für müssen Sie Verantwortung übernehmen. Hören Sie doch auf, sich ständig hinter dem Rücken der Polizei zu verstecken! Sie loben verbal die Polizei, aber hier machen Sie die Polizei endgültig zum Sündenbock.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es gibt doch überhaupt keinen Zweifel daran, dass dieser Ein satz aus dem Ruder gelaufen ist und wahrscheinlich auch aus dem Ruder laufen musste.

Schauen Sie sich doch die Aussagen insbesondere der erfah renen Polizeiführer aus anderen Bundesländern an. Welches Fazit ist denn daraus zu ziehen? Das sind doch keine Leute, die ihren Kollegen in Baden-Württemberg in den Rücken fal len, sondern die haben klare Ergebnisse bilanziert und haben gesagt: Solch einen Einsatz mit einem fast nicht vorhandenen Organisationskonzept haben sie in ihrer langen beruflichen Laufbahn noch nie erlebt.

Die Polizei war an diesem Tag personell auf Kante genäht, wie man so schön sagt. Das wissen Sie. Denn bis in die späten Abend stunden des 29. September mussten auswärtige Einsatzkräfte re krutiert werden. Das hätte auch schiefgehen können. Die Ret tungsdienste waren nicht rechtzeitig informiert. Sie hätten zum Zeitpunkt der Freigabe von Wasserwerfer und Pfefferspray in formiert werden müssen. Es hat aber Stunden gedauert. Deshalb kann beim Einsatz von Wasserwerfer und Pfefferspray von fest stehender Rechtmäßigkeit überhaupt keine Rede sein.

Im Gegensatz zu Ihnen haben wir uns auch – sowohl aus Für sorge für die Bürgerschaft als auch aus Fürsorge für die Poli zei – in der Bewertung ein Stück weit zurückhaltender ver halten. Für Sie stand das Urteil ab der ersten Stunde fest. Wir aber schauen uns erst Beweise an, wir hören uns fast 70 Zeu gen an. Wir sind auch in der Lage, Gerichtsentscheidungen, die noch kommen werden, abzuwarten und dann irgendwann im Verlauf dieses Jahres ein endgültiges Urteil zu fällen.

Aber dass Sie sich hier hinstellen und sagen, der Einsatz von Wasserwerfern, auch gegen Schülerinnen und Schüler – 15, 16 Jahre alt –, gegen Seniorinnen und Senioren – 70 bis 80 Jahre alt –

(Unruhe)

sei per se rechtmäßig, ist der eigentliche Skandal, meine Da men und Herren. Ihnen fehlt jede Spur von Selbstkritik – je de Spur!

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Klaus Herr mann CDU)

Der Gutachter Professor Poscher hatte recht, als er sagte: Letztendlich wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Da mit kommen wir zum zentralen Problem dieser Auseinander setzungen: Ihren Umgang mit einer kritischen Bürgerschaft.

(Lachen bei der CDU)

Ab dem 1. Oktober hat es dem Ministerpräsidenten gedäm mert. Da kamen plötzlich Ideen wie Schlichtung und alles Mögliche; da kam ein Dialog zustande. Aber bis zum 30. Sep tember ging es um Durchsetzung, um die Demonstration von Macht, um das Bild des starken Ministerpräsidenten, um die Regierungserklärung. Am 6. Oktober sollte hier ursprünglich kein Ministerpräsident stehen, der von Dialog und Aufge schlossenheit gegenüber der Kritik der Bürgerschaft spricht, sondern einer, der eine erfolgreiche Bilanz präsentiert und sagt: „Ich habe im Mittleren Schlossgarten für klare Verhält nisse und für die Durchsetzung von Recht und Ordnung ge sorgt.“ Das war doch das eigentliche Ziel gewesen, meine Da men und Herren.

(Widerspruch bei der CDU)

Deshalb ist der Umgang mit kritischer Bürgerschaft das zen trale Problem Ihrer Politik.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Na, na!)

Sie können nicht akzeptieren, dass plötzlich eine Bürgerschaft, ganz breit aufgestellt aus allen Teilen der Gesellschaft, auch aus Wählerinnen und Wählern der CDU, mit einem hohen An teil von Seniorinnen und Senioren, kritische Fragen an ein wichtiges Projekt Ihrer Politik stellt

(Zuruf von der CDU: Es geht nicht um kritische Fra gen, sondern um Blockade und Behinderung! – Zu ruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

und auf die Straße geht. Damit haben Sie ein Problem. Bis zum heutigen Tag kommt Ihnen das vor wie die Invasion von Marsmenschen, aber nicht wie Proteste von normalen Bürge rinnen und Bürgern dieser Gesellschaft.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der CDU)

Solange Sie Ihre Selbstgerechtigkeit und diesen Stil, den Sie predigen, nicht aufgeben, werden Sie diese Probleme weiter hin haben.

Sie sprechen den Bürgerinnen und Bürgern pauschal das Grundrecht auf Demonstration ab,

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Belegen Sie das mal! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Kein Mensch tut das!)

indem Sie sagen: Alles, was am 30. September im Schloss garten stattgefunden hat, war rechtswidrig.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Nicht alles!)

Das steht in Ihrer Bewertung: „Der Protest war rechtswidrig, die Demonstrationen waren unfriedlich, es waren ausschließ lich Verhinderungsblockaden.“ Das ist doch Ihre Feststellung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, das müssen wir feststellen! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Teilweise war das so!)

Diese Feststellung hat mit der Wahrheit leider wenig zu tun. Sie sind offensichtlich gewillt, als Märchenerzähler

(Lachen bei der CDU)

mit einer neuen Geschichte des 30. September im Wahlkampf unterwegs zu sein. Das ist im Interesse einer echten, objekti ven und auch selbstkritischen Aufklärung schwer verdauliche Kost, die Sie heute anbieten, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

So sind dann auch Ihre Empfehlungen, und die gipfeln dann in der Forderung an die jungen Leute, an die Schülerinnen und Schüler: Denen muss wieder mehr Recht und Ordnung beige bogen werden, die müssen lernen, was staatsbürgerliche Rech te und Pflichten sind.

Wir werden diese Botschaft draußen im Land gern erzählen. Das dürfen Sie mir glauben.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie wollen ja einen an deren Staat! Das haben Sie hier ja gesagt!)

Im 21. Jahrhundert jungen Leuten, die wir zu kritischen, mün digen Staatsbürgern erziehen wollen, so eine Botschaft – „Zu rück in die Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts“ – zu prä sentieren, das muss man sich einmal vor Augen führen. Das ist die einzige Konsequenz, die Sie aus dem 30. September ziehen wollen. Wir meinen, das wird der Aufgabenstellung ei ner Regierung, einer regierungsfähigen Partei im 21. Jahrhun dert im Umgang mit kritischen, modernen Bürgern,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was ist daran mo dern?)

die auf Augenhöhe mit der Politik reden wollen, die kritische Fragen haben, nicht gerecht. Deswegen ist der 30. September in seiner Konsequenz auch ein Ereignis, das Sie unbedingt auf die Oppositionsbank in diesem Landtag verbannen muss, mei ne Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Sehr schwacher Bei fall! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und Sie wer den Innenminister! Das wäre ein Segen für dieses Land! Er wird Innenminister! Dann wird mit dem „restlos verbrauchten“ Staat aufgeräumt!)