Neben der Rolle des Ministerpräsidenten war auch die Rolle des Innenministers bzw. dessen nicht vorhandene Rolle sehr auffällig. Wir haben immer danach gesucht, wo der Innenmi nister bei der Vorbereitung des Polizeieinsatzes eine Rolle spielte. Wir haben leider nichts gefunden. Da stellen wir uns schon die Frage: Handelt ein Innenminister aus Desinteresse nicht, oder handelt ein Innenminister deswegen nicht, weil ihm der Ministerpräsident dies nicht zutraut und die Angele genheit an sich zieht – was man spätestens bei der Bespre chung im Staatsministerium am 29. September gesehen hat?
Am 29. September fand eine Besprechung im Staatsministe rium mit der Polizeiführung in Anwesenheit des Ministerprä sidenten und mehrerer Minister statt, wobei alle Risikofakto ren auf dem Tisch lagen und all das bekannt war, was am nächsten Tag traurige Realität wurde. In dieser Situation zu sagen: „Wir machen das so“, führt zu einer Mitverantwortung. Ich habe den Ministerpräsidenten gefragt. Wenn er gesagt hät te: „Wir können das nicht machen, das Risiko ist zu groß“, dann hätte dieser Einsatz an diesem Tag in dieser Form und mit diesem verheerenden Ergebnis nicht stattgefunden.
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Dann hätte er aber Einfluss genommen! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das wäre Einflussnahme gewesen!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Ministerpräsi dent, der dem Volk misstraut, ein Ministerpräsident, der sei nem eigenen Minister misstraut, der kann den Bürgern dieses Landes kein Vertrauen in eine gute Zukunft geben. Deswegen hat dieser Ministerpräsident die politische Verantwortung für
diesen missglückten Einsatz zu tragen, und deswegen hat die ser Ministerpräsident spätestens am Wahltag mit Konsequen zen für dieses missglückte Verhalten zu rechnen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Scheuermann, das waren ja Krokodilstränen, die Sie hier über den vermeintli chen Stilbruch vergossen haben. Es waren Krokodilstränen, weil dieser „Stilbruch“ doch Ihr Verhältnis zu diesem Unter suchungsausschuss vom Anfang bis zum Ende gekennzeich net hat: die Arbeitsbedingungen und Spielregeln, die die Mehrheit der Minderheit aufgezwungen hat, ohne die Rechte der Minderheit auf angemessene Beteiligung zu achten und zu wahren,
(Widerspruch bei der CDU – Abg. Ulrich Müller CDU: Wo denn? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Erklären Sie mal, wo!)
und zwar durch Terminierung, Terminhetze, fehlende Proto kolle, viel zu späte Aktenvorlage, fehlende Möglichkeiten zur ausführlichen Beweiswürdigung. Wer so etwas zugelassen und zum Teil auch gefördert hat, der sollte sich hier nicht hinstel len und die Verletzung von Spielregeln reklamieren, meine Damen und Herren.
Dass der Untersuchungsausschuss für Sie nichts bedeutet hat, für Sie lästig war, haben Sie doch auch selbst in mehreren Pha sen unter Beweis gestellt.
und haben gesagt, Sie wüssten, was dabei herauskommt; es sei eigentlich eine völlig überflüssige Veranstaltung. Das ist mehrfach passiert. Das hat die ganze Arbeit begleitet. Ihr Ver hältnis zu dieser Aufgabe ist dabei völlig deutlich geworden; daran kann es doch überhaupt keinen Zweifel geben. Für Sie war der 30. September offensichtlich nicht mehr als ein be dauerlicher Betriebsunfall, den man am liebsten spätestens Mitte Oktober gern beerdigt und über den man dann nicht mehr geredet hätte.
Aber das entspricht nicht der Wirklichkeit in dieser Stadt und in diesem Land. Denn für sehr viele Menschen war das ein ganz einschneidendes Ereignis, das sie zum Teil bis zum heu tigen Tag bewegt. Zu Recht wird Aufklärung gefordert, und es werden natürlich auch Konsequenzen in allen Bereichen, in denen es solche geben kann und geben muss, gefordert und
erwartet. Das ist, denke ich, der berechtigte Anspruch der Bür gerinnen und Bürger draußen im Land. Diesen Anspruch müsste der Untersuchungsausschuss heute erfüllen. Aber mit dem, was Sie hier vortragen, und mit dieser unglaublichen Selbstgerechtigkeit, die Sie hier inszenieren, ist der Weg zu einer offenen und ehrlichen Aufklärung versperrt, meine Da men und Herren.
Die Ergebnisse, die wir heute vorlegen und die unter schwie rigen Arbeitsbedingungen entstanden sind, haben es in sich. Sie gefallen Ihnen natürlich nicht. Es kann keine Rede davon sein, dass alle Vorwürfe und Behauptungen in sich zusammen gebrochen wären, dass nichts Substanzielles herausgekom men wäre.
Nennen wir doch einmal Erkenntnisse, die wir gemeinsam festgestellt haben und die es ohne diesen Untersuchungsaus schuss nicht gegeben hätte.
Die Entscheidung über diesen Polizeieinsatz vom 30. Septem ber, meine Damen und Herren, fiel am Nachmittag des 29. September im Staatsministerium
Zu Beginn dieser Besprechung stand nicht fest, wann dieser Einsatz sein wird, ob er am 30. September um 10:00 Uhr oder um 15:00 Uhr stattfinden wird oder ob er später standfinden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Polizeiführungen des Landes und der Stadt Stuttgart noch einen Disput miteinan der geführt. Entschieden wurde es bei dieser Besprechung.
Ein Polizeiführer wie Herr Stumpf, der seit vielen Jahren im Amt ist, hat es im Untersuchungsausschuss sinngemäß als ei ne einmalige Erfahrung in all den vielen Jahren bezeichnet, dass die Politik derart direkt und unmittelbar an der Entschei dung über einen solchen Einsatz beteiligt ist.
Das ist ein Ergebnis des Untersuchungsausschusses, und die sem Ergebnis müssen Sie sich selbstverständlich stellen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Klaus Herrmann CDU: Bitte belegen! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Belegen! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wo steht das?)
Das ist ein klares Ergebnis des Untersuchungsausschusses. Sie werden doch nicht ernsthaft bestreiten wollen,
(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bleiben Sie bei der Wahrheit, Herr Kollege! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das bestreiten wir! – Unruhe – Glocke des Prä sidenten)
Es gibt eine Grenze von Vorhaltungen, über die hinwegzugehen ich nicht bereit bin. Das ist ein klares gemeinsames Ergebnis.
(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie lügen, Herr Kolle ge! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Un parlamentarisch!)
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Wo hat Herr Stumpf das gesagt? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)