Protocol of the Session on December 16, 2010

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Reform der Universitätsmedizin und zur Än derung des Landeshochschulgesetzes und weiterer Geset ze (Universitätsmedizingesetz – UniMedG) – Drucksache 14/7299

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung durch die Regierung fünf Minuten und für die Aus sprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezei ten gelten.

Für die Landesregierung darf ich Herrn Minister Professor Dr. Frankenberg das Wort erteilen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja, okay! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Kleinmann gibt okay! – Ge genruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das habe ich auch gerade gedacht! Dann kann es ja losgehen! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Reform der Universitätsmedizin hat zwei Ziele. Das ers te Ziel ist die Vereinigung der universitätsmedizinischen Kli niken mit den Fakultäten. Der zweite Punkt betrifft die Fra ge: Welche Rolle spielt das Land bei letztlich landeseigenen Einrichtungen? Oder, auf der anderen Seite: Wie unabhängig vom eigentlichen Eigentümer können Landesunternehmen wirtschaften, und inwieweit muss das Land hier letztlich mit Entscheidungen treffen, die auch das Land selbst unmittelbar betreffen?

Zu dem ersten Punkt, der Vereinigung oder Fusion von Klini kum und Fakultät. Ich glaube, gerade die Helmholtz-Initiati ve Gesundheitszentren hat gezeigt, wie gut die Universitäts medizin in Baden-Württemberg aufgestellt ist.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Noch!)

Das Gleiche betrifft die Aussage, die letztlich aus der Exzel lenzinitiative abzulesen ist. Das ist die Stärke von Universi tätsmedizin – ich betone: Universitätsmedizin. Hier geht es nicht nur um Krankenversorgung, hier geht es auch nicht nur um Maximalversorgung, sondern es geht auch um die Frage: Was macht eigentlich Universitätsmedizin aus? Letztlich heißt Universitätsmedizin, dass man Forschung – medizinische For schung, klinische Forschung – an die Patienten und Patientin nen bringt, nämlich für die Patienten den neuesten Stand der Wissenschaft zur Verfügung stellt, und auf der anderen Seite auf einem hohen Niveau klinische Forschung betreibt, die die Voraussetzung dafür ist, und entsprechende Lehre für den me dizinischen Nachwuchs.

Das heißt aber, dass Forschung, Lehre und Krankenversor gung eine Einheit sind. Sie sind auch eine Einheit in den Per sonen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Abteilungsleiter, die Chefärzte sind nur künstlich getrennt zwischen Klinikum und Fakultät. Eigentlich besteht die Kunst, die ein normaler Universitätsprofessor vollbringen muss, da rin, Forschung und Lehre zu vereinen, sozusagen auf zwei Beinen zu stehen. Die Kunst der Medizinprofessoren erfor

dert es aber sogar, auf drei Beinen zu stehen, nämlich auf den Beinen Forschung, Lehre und Krankenversorgung.

Eigentlich muss man begründen, warum man Universitätskli nikum und Fakultät trennt, denn sie sind eigentlich eine Ein heit. Man steht weniger in Begründungszwang, wenn man sagt: Sie gehören zusammen. Was inhaltlich zusammengehört, gehört auch organisatorisch zusammen.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja! – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Richtig! Sehr gut!)

Es ist auch interessant, dass einer der Ärztlichen Direktoren am Universitätsklinikum Tübingen, Herr Professor Bamberg, gesagt hat: „Wir leben die Integration.“ Da kann man nur sa gen: Wenn sie diese Integration leben, warum sollen wir die se dann nicht in Gesetzesform gießen, damit sie auch Bestand hat?

Es gäbe verschiedene Optionen für die Universitätsmedizin. Wir wollen nicht, dass die Universitätsmedizin aus der Uni versität herauswächst. Denn die Stärke der Universitätsmedi zin, die Stärke der medizinischen Forschung ist nicht nur, dass wir die medizinische Forschung und Lehre mit der Kranken versorgung verbinden, sondern ist auch die Verbindung der medizinischen Forschung mit dem gesamten Umfeld der üb rigen Fakultäten, die für die medizinische Forschung von Re levanz sind. Das sind die Lebenswissenschaften, das sind die Naturwissenschaften, das ist aber gerade auch der gesamte Bereich der Informationswissenschaften. Heute spielen etwa bildgebende Verfahren und Informatik, wenn wir beispiels weise an genetische Sequenzierungen denken, für die Medi zin eine entscheidende Rolle. Also muss die Medizin in der Universität im Kontext der Fächer, die für sie relevant sind, in Forschung und Lehre bleiben.

Viele favorisieren ein Fusionsmodell, da sie sagen: Wir fusi onieren Fakultät und Klinikum, lassen das aber im Sinne ei ner Medical School aus der Universität herauswandern. Das koppelt die Medizin von den übrigen Fakultäten und von der übrigen, für sie notwendigen Grundlagenforschung an der Universität ab.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Die gesamte Vorklinik wäre dann im Grunde genommen aus dem eigenen Bezug der Medizin, der medizinischen For schung, aus dem akademischen Umfeld ausgegliedert.

Das heißt, die Fusion ist eigentlich natürlicherweise sachlich gegeben. Dann muss man eine Konstruktion finden, die die se Fusion nicht dazu führen lässt, dass die Entscheidungswe ge in dem eher auch auf wirtschaftlichen Ausgleich ausgerich teten klinischen Teil unnötig erschwert werden.

Das haben wir mit dem Gesetz gemacht. Es gibt einen gemein samen Vorstand, es gibt einen Aufsichtsrat, es gibt einen Fa kultätsrat, aber der Wirtschaftsplan und auch der Jahresab schluss werden nur in einem Akt vom Aufsichtsrat bewilligt. Es gibt nicht diese Bürokratisierung, von der manche reden. Das ist die eine Seite.

Aber wenn ich einen Vorstand habe, muss ich auch wissen, dass der Gesamtvorstandsvorsitzende für beides zuständig ist.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Dann kann ich nicht beklagen, dass ich mich vom Fakultäts rat als Vorstandsvorsitzender bestätigen lassen muss. Denn auch Studierende, Mitarbeiter und Pflegekräfte sind Teil der Universitätsmedizin. Dass sie jetzt im Fakultätsrat mitwirken und damit auch Vorstandsvorsitzende mit bestätigen müssen, ist eigentlich sachgerecht. Wenn wir immer Mitwirkung von Verantwortlichen fordern, dann sollten wir nicht dagegen sein, wenn wir diese Mitwirkung in einem Gesetz vorsehen.

(Beifall des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr schön!)

Ich glaube auch, dass gute Vorstandsmitglieder und Vorstands vorsitzende keine Sorge haben müssen, dass sie von einem Aufsichtsrat nicht gewählt werden und von einem Fakultäts rat nicht bestätigt werden.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Denn zu einem guten Vorstandsvorsitzenden gehören auch ei ne entsprechende Mitarbeiterführung und eine entsprechende Kommunikation mit den Mitarbeitern, die eben nicht dazu führt, dass man entsprechende Sorgen haben müsste.

Das gesamte Vorstandsmodell ist auch so flexibel angelegt, dass sowohl der Dekan als auch der Leitende Ärztliche Direk tor Vorstandsvorsitzender werden können und der jeweils an dere nebenamtlich tätig sein kann. Es sind also genügend standortbezogene Spezifizierungen möglich, und es ist eine größere Flexibilität gegeben, als dies vorher der Fall war.

Wenn man Universitätsmedizin sein will und den Namen „Universität“ im Titel führen will, dann muss man auch ak zeptieren, dass man ein Teil der Universität ist. Wenn man ein Teil der Universität ist, dann kann man in einer solchen Ein richtung nicht ohne den Einfluss der Universität sein.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Sonst muss man sich dafür entscheiden, dass man eben nicht Universitätsmedizin ist, wenn man nicht Universität sein will.

Aber ich kann nicht in der besten aller Welten leben wollen: Ich kann nicht freier Unternehmer sein, aber eine Gewährleis tung durch den Staat für Verluste haben. Ich kann nicht freier Kreditnehmer sein mit einer Gewährleistung durch das Land für Verluste. Ich kann nicht den Titel „Universität“ führen, aber keinen Einfluss der Universität haben wollen, und ich kann im Wortsinn keine Landesklinik ohne Einfluss des Lan des sein. Das geht nicht.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Jörg Döpper CDU: Schlaraffenland!)

Wenn wir freie Unternehmer sind, dann haben wir auch zu haften und dafür zu stehen. Sind wir eine Landeseinrichtung, dann haben wir den Einfluss des Landes mit hinzunehmen. Sind wir eine Universitätseinrichtung, dann haben wir auch den Einfluss einer Universität zu akzeptieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Vielleicht waren wir mit dem alten Gesetz in der unternehme rischen Freiheit einer Landeseinrichtung ein wenig zu weit gegangen, ohne dass das Land noch Möglichkeiten hatte, die se unternehmerischen Freiheiten dort, wo sie auch zulasten

des Landes gehen, einzuschränken oder bei Berufungen von Vorstandsmitgliedern eine Stimme zu haben. Das sind Punk te, die wir korrigiert haben. Wenn man so will, besteht der zu sätzliche Einfluss der Universität in der Hauptsache darin, dass es der Zustimmung des Rektors bedarf, wenn jemand zum Vorstand gewählt wird. Ein anderer Punkt ist, dass dies auch der Zustimmung des Ministers bedarf. Ansonsten ist der Einfluss der Universität nicht weiter ausgeweitet worden.

Wir haben bei der Fusion aber auch darauf geachtet, dass die Finanzströme getrennt bleiben. Es gibt getrennte Haushalts beauftragungen, nämlich auf der einen Seite des Dekans für Forschung und Lehre und auf der anderen Seite des Kaufmän nischen Direktors oder der Kaufmännischen Direktorin. Man braucht also keine Sorgen zu haben, dass die einen sozusagen zulasten der anderen agieren. Damit ist im Grunde genommen die bessere Synergie von Forschung, Lehre und Krankenver sorgung gegeben, die Trennungsrechnung aber beibehalten worden.

Auch die klaren Zuständigkeiten sind beibehalten worden. Die Entscheidungswege sind keineswegs komplizierter, als sie vorher waren. Wer das Gegenteil behauptet – manche tun dies gegenüber der Presse –, der möge bitte in die jetzt vorgeleg te Fassung des Gesetzentwurfs schauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Nun zum zweiten Teil: Warum richten wir eine Gewährträger versammlung ein? Zum Ersten: Es gibt keine Überschneidun gen der Zuständigkeiten zwischen den Aufsichtsräten und der Gewährträgerversammlung.

Die Gewährträgerversammlung hat zwei Aufgaben. Die ers te Aufgabe: Meiner Ansicht nach ist es notwendig, dass das Land eine langfristige strategische Planung für die Universi tätsmedizin vorlegt. Wir betrachten diese Universitätsmedi zin als Landesaufgabe. Wenn wir sie als Landesaufgabe se hen, dann haben wir eine Aufgabe, die Universitätsmedizin auch als Ganzes zu sehen.

Der Aufsichtsrat ist für den Standort da. Die einzelne Univer sitätsmedizin, das einzelne Klinikum, die einzelne Fakultät ist für den Standort da. Aber es muss eine standortübergreifende Strategie geben. Denn die Landesregierung hat im Grunde ge nommen ein Gesamtinteresse an qualitativ hochwertiger und exzellenter Universitätsmedizin. Dies bedeutet eben nicht ein Gesamtinteresse, nach dem die Standorte gegeneinander stehen, sondern ein Interesse, nach dem wir die Standorte ge meinsam entwickeln.

Da ein Landeshaushalt immer beschränkt ist und da nicht al le in allen Bereichen gleich stark sein können – dies haben wir schon durch Medizinstrukturkommissionen überprüfen lassen –, werden wir gerade angesichts der Kosten im Gesundheitswe sen eine Entwicklungsplanung machen müssen. Dies bedeu tet Schwerpunktbildung, dies bedeutet ein sehr gut abge stimmtes Investitions- und Reinvestitionsverhalten. Das muss man langfristig planen.

Ich kann bei dem Neubau von Chirurgien oder bei Großinves titionen in Geräte nicht das Windhundprinzip gelten lassen, sondern ich muss eine Gesamtkonzeption haben. Diese stra tegische Gesamtkonzeption muss das Land erstellen. Sie ist

Gegenstand des Beschlusses der Gewährträgerversammlung. Die Gewährträgerversammlung besagt im Grunde genommen: Es gibt ein Gesamtinteresse des Landes an seiner Universi tätsmedizin, und der Aufsichtsrat ist ein Aufsichtsrat für den Standort,

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Das ist der Un terschied!)

für die dortigen Struktur- und Entwicklungsplanungen und für die dortigen Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse.

Das ist der eine Teil der Gewährträgerversammlung. Sie macht die Dinge nicht komplizierter. Denn die Vorgänge innerhalb der jeweiligen Medizin kommen nicht in die Gewährträger versammlung – kein Wirtschaftsplan, kein Jahresabschluss.

Der zweite Teil sind Fragen von Krediten und Bürgschaften. Kredite von Landeseinrichtungen sind Landeskredite, und Bürgschaften sind Landesbürgschaften, für die wir geradeste hen müssen. Wenn Kredite oberhalb einer bestimmten Gren ze aufgenommen werden, muss es eine Zustimmung des Lan des bzw. einen Zustimmungsvorbehalt geben können. Der liegt bei der Gewährträgerversammlung. Das ist eigentlich völlig vernünftig. Dass es eine Verordnung geben muss, die diese Wertgrenzen festlegt, und dass diese Verordnung der Zu stimmung des Landtags bedarf, ist auch eine parlamentarische Selbstverständlichkeit. Damit ist endlich einmal fixiert, inwie weit Landesunternehmen über ihren Haushalt hinaus, der mit dem Landeshaushalt verabschiedet worden ist, Kredite auf nehmen können, Bürgschaften eingehen können, Verkäufe vornehmen können, die letztlich immer Landesvermögen be treffen. Dazu wird die Gewährträgerversammlung eingerich tet. Das hat nichts mit Hineinregieren in einen Standort, son dern mit der Gesamtverantwortung des Landes zu tun.