Protocol of the Session on December 15, 2010

Meine Damen und Herren, bereits mit der Vereinbarung von 1995 – das ist der derzeit geltende Status – war Baden-Würt temberg bundesweit führend. Andere Länder haben im Zuge der Umsetzung des Vertrags von Lissabon jetzt auf den Stand nachgezogen, den wir schon seit 1995 haben. Jetzt warten fast alle diese Länder auf das, was wir hier beschließen, und auf den Weg, den Baden-Württemberg geht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und der damit zusam menhängenden Verfassungsänderung ist uns ein Beteiligungs gesetz gelungen, das bundesweit einmalig ist und sicherlich erneut als Grundlage für die Regelung auch in anderen Land tagen gilt. Baden-Württemberg ist Vorreiter und Trendsetter für eine Stärkung des parlamentarischen Föderalismus in Deutschland.

Ich möchte mich bei den anderen Fraktionen, insbesondere bei den Sprecherkollegen der anderen Fraktionen, ganz herz lich bedanken. Wir haben es geschafft, einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorzulegen. Mein Dank gilt auch dem Land tagspräsidenten, der sich im Laufe des Verfahrens sehr inten siv eingebracht hat. Nicht zuletzt darf ich dem Staatsministe rium danken. Herr Minister Reinhart hat sich ebenfalls sehr konstruktiv eingebracht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wenn er da ist!)

Er musste schon gehen.

So viel für heute in der ersten Lesung. Detailfragen werden wir noch im Europaausschuss klären und dann das weitere Gesetzgebungsverfahren beschreiten.

Ich darf darauf hinweisen, dass ich ebenfalls vier Minuten und 16 Sekunden Redezeit eingespart habe. Damit habe auch ich einen kleinen Beitrag geleistet.

(Abg. Ilka Neuenhaus GRÜNE: Wahnsinn!)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hofelich das Wort.

Danke schön, Herr Präsident Drex ler.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in der Situation, dass der Europaausschuss in der ersten Wahl periode seit seiner Einsetzung bisher viereinhalb Jahre lang Arbeit leisten konnte. Wir konnten dabei sehen, was an Euro papolitik im Landtag gemacht werden kann.

Von Anfang an war klar, dass das sogenannte Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch für das, was den Land tag und die Politik insgesamt angeht, eine Rolle spielt. Des wegen haben wir auch immer einen Blick darauf gehabt, was man aus dem Lissabon-Urteil machen kann.

Die Gefahr war relativ konkret, dass sich im Zuge einer ver stärkten europäischen Rechtsetzung Aufgabenverlagerungen zwischen den Parlamenten in Richtung Europa ergeben, dass der Bund und auch die Länder erlittene Verluste in der Recht setzung dadurch kompensiert bekommen, dass sie stärkere Beteiligungsrechte haben. Was die Länder angeht, gehen die se Beteiligungsrechte aber vor allem über den Bundesrat und damit über die Landesregierung und nicht über den Landtag.

Das wäre die Situation gewesen, wenn alles so gelaufen wä re. Es hat sich auch nie jemand wirklich darum gekümmert, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eigentlich auch Auswirkungen auf Landtage hat, bis wir selbst initiativ ge worden sind und bis – auch das muss man sagen – der ehema lige Verfassungsgerichtspräsident Papier eine Meinung ver treten hat. Diese Meinung – die zunächst eine Minderheits meinung war – lautete: Wir können bei den ausschließlichen Gesetzgebungsaufgaben der Länder nicht einfach sagen, dass dies Aufgaben sind, bei denen wir uns als Landesparlament nicht beteiligen, wenn sie in die bundespolitische, europapo litische Auseinandersetzung hineingehen.

Deswegen die heutige Verfassungsänderung, die heutige Ge setzesänderung. Wir haben ein Signal des Selbstbewusstseins gesetzt. Wir sagen: Der Landtag wird bei den ausschließlichen Gesetzgebungsaufgaben beteiligt. Er wird nicht nur beteiligt, sondern das, was er sagt, ist auch bindend für die Landesre gierung. Das ist ein Fortschritt für dieses Landesparlament.

(Beifall der Abg. Reinhold Gall SPD und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich würde gern einmal in aller Kürze beleuchten, dass es nicht allein darum geht – und auch nicht vorrangig darum geht –, dass sich der Landtag gegenüber Europa abgrenzt,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sehr gut!)

dass man sozusagen im Sinne von Subsidiarität sagt: Bei dem, was die hier an ausschließlichen Gesetzgebungsaufgaben ha ben, dürft ihr nicht mitmachen. Das wird sich auch nicht durchhalten lassen. Das, was vor allem heute das Signal ist, das, was wir gesetzlich einleiten, ist, dass wir eine stärkere Teilhabe an europäischer Politik haben, dass wir uns mehr ein mischen und dass wir dort, wo es unsere ureigenen Aufgaben

sind, dies auch mit einer klaren politischen Stimme versehen. Das ist heute die Hauptaussage: nicht Abschottung, sondern europäische Teilhabe, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

In diesem Sinn nehmen wir heute eine wichtige Positionsbe stimmung vor, und wir leiten den Prozess ein. Ich halte das auch für richtig.

Ich will ebenfalls im Sinne eines straffen Sitzungsablaufs nur einen Ausblick geben: Wir werden in der nächsten Wahlperi ode des Landtags sicherlich sehen, dass es für die Arbeit die ses Gremiums, dieses Landtags und seiner Ausschüsse – in der Mehrzahl – auch Folgen haben wird. Denn das frühere Einbeziehen in europäische Politik, das Antizipieren dessen, was sich auf Bundesebene, auf Europaebene an politischen Alternativen anbietet und anbahnt, wird uns, was die Bearbei tung der Vorgänge angeht, mehr Zeit kosten und wird von uns mehr politische Aufmerksamkeit verlangen.

Das heißt: Wir werden auch eine Europäisierung der Land tagsarbeit erleben. Ich will dies nicht zu hoch hängen. Aber es ist auf jeden Fall so, dass wir uns auch mehr mit diesen Themen befassen müssen, wenn wir stärker beteiligt sein wol len und mehr Teilhabe haben. Wir werden dann, Herr Präsi dent, auch darüber sprechen müssen, wie das Prozedere künf tig aussieht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir hier auch zu einer ver nünftigen Arbeitsteilung zwischen den Fachausschüssen und dem Europaausschuss kommen werden. Man wird darüber in der nächsten Wahlperiode sprechen müssen.

Insgesamt: Wir werden die Details mit dem Minister weiter beraten. Dies ist eine gemeinsame Grundlage des Parlaments, die wir heute vorlegen. Wir sind froh, dass wir einen Schritt vorangekommen sind, dass wir nicht passiv, sondern aktiv sind. Wir wollen aktive Europapolitik machen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erhält Herr Abg. Walter das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben schon darauf hin gewiesen, dass wir eine gute Lösung gefunden haben, wie man zukünftig besser über das informiert wird, was in Brüssel pas siert. Besonders gut ist, dass wir das im Konsens gemacht ha ben und, worauf der Minister ebenfalls schon hingewiesen hat, in Zusammenarbeit mit der Regierung. Wir mussten zwar manchmal, Kollege Blenke, die Regierung gemeinsam an schieben, damit wir genau in die Richtung kommen, in der wir jetzt sind.

(Abg. Thomas Blenke CDU: So würde ich das nicht sagen!)

Aber wir haben hier eine Stärkung der Beteiligungsrechte ge genüber den bisherigen, zwar schriftlich fixierten, aber nicht in ein Gesetz gegossenen Vereinbarungen.

Baden-Württemberg nimmt damit in der Tat eine Vorreiterrol le ein. Wir können sicher sein, dass andere Bundesländer die sem Beispiel folgen werden. Bayern ist jetzt ungefähr auf dem Stand, den wir schon in den Neunzigerjahren hatten. Das wä re uns zu wenig gewesen.

Insbesondere geht es uns darum, dass wir bei Themen infor miert werden, die unsere Länderkompetenz direkt betreffen. Da geht es um die Frage: Welchen Auftrag können wir der Re gierung geben? Wichtig ist uns allerdings – das war ein Teil der Beratungen, die wir in den letzten Wochen und Monaten geführt haben –, dass wir so rechtzeitig informiert werden, dass wir auch tatsächlich noch eine Stellungnahme abgeben können und nicht nur, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war, irgendwann erfahren, dass der Bundesrat bereits darüber entschieden hat, wie es denn jetzt in einer Sache weitergehen soll.

Eines ist uns noch wichtig – dazu gab es schon Vorgespräche mit den anderen Fraktionen –: Wir werden einen interfraktio nellen Antrag einbringen, damit es einen schriftlichen Ent schließungsantrag des Landtags gibt, dass wir auch zukünftig einen Europabericht, wenn auch in einer – in der Arbeitsgrup pe abgesprochenen – modifizierten Version, haben wollen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: So haben wir das nicht besprochen!)

Natürlich, Kollege Blenke, haben Sie noch das Recht, an diesem Antrag mitzuwirken, denn sonst würde es ja – –

(Lachen des Abg. Albrecht Fischer CDU)

Sie müssen nicht lachen, Herr Fischer. Wir haben das alles geregelt. Da brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Das alles lief im Konsens.

(Abg. Albrecht Fischer CDU: Mich hat bloß die For mulierung etwas gewundert!)

Über manche Formulierung kann man sich streiten.

Wichtig, Herr Kollege Blenke, ist natürlich: Wir – der Land tag – wollen tatsächlich immer informiert sein. Wir – der Landtag – wollen ein Mitspracherecht. Wir hätten uns natür lich gewünscht, dass die klaren Aussagen, die Sie hier vor we nigen Minuten getroffen haben, auch bei der Debatte heute Morgen unter Tagesordnungspunkt 1 schon gegolten hätten. Dann hätte man sich manchen Ärger ersparen können.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sie wissen, dass da ge rade Äpfel und Birnen im Spiel sind!)

Nein, jetzt ist nicht die Zeit, in der man Äpfel und Birnen erntet. Wir sind jetzt mitten im Winter.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Manche werden jetzt erst reif!)

Ja, manche werden jetzt erst reif, wahrscheinlich in Leon berg.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nein, im Gan zen! Ich dachte, die Grünen müssten das wissen!)

Ein wichtiges Thema, das der Kollege Hofelich angesprochen hat, möchte ich ebenfalls noch erwähnen. Es geht um die Geis