Energie gehört wie die Wasserversorgung und die innere Si cherheit zu den elementaren Aspekten der Daseinsvorsorge. Die Stabilität der Energieversorgung ist eine Frage, die jeden von uns im täglichen Leben ganz konkret betrifft. Sie berührt in der Tat die Grundbedürfnisse der Menschen in unserer hoch industrialisierten Gesellschaft. Deshalb sind wir hier auch als Land mit unserer Verantwortung ganz besonders gefragt, wenn Entscheidungen heranstehen und Veränderungen zu gestalten sind.
Nach allen Erfahrungen und Beobachtungen, die wir in den vergangenen Jahren mit Geschäften wie Cross-Border-Lea sing und anderen Privatisierungsformen gemacht haben, steht für mich fest: Für das Land Baden-Württemberg wäre es nicht akzeptabel gewesen, wenn die Mehrheit an diesem strategisch wichtigen Versorgungsunternehmen an einen ausländischen Investor hätte fallen können, meine Damen und Herren. Das
Es war und ist für mich nicht vorstellbar, wenn in ausländi schen Konzernzentralen oder von Fondsmanagern nach Tak tik- und Profitgesichtspunkten über unsere Versorgungsnetze und über die Preise für unsere Strom- und Gaskunden in Ba den-Württemberg entschieden würde. Aber dieses Risiko stand real im Raum. Auch deshalb haben wir gehandelt.
Maßstab sind dabei allein der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes, die Sicherheit unserer Infrastruktur und vor allem die Verlässlichkeit der Energieversorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Unternehmen. Wir sind über zeugt: Diesem Maßstab werden wir am besten gerecht, indem die EnBW als wichtiges baden-württembergisches Unterneh men mehrheitlich in baden-württembergischer Hand bleibt und indem wir uns zum Herrn des Verfahrens machen.
Meine Damen und Herren, warum haben wir so gehandelt? Mit entscheidend für den Verkauf der EnBW-Anteile an die EdF war seinerzeit die Tatsache, dass die EdF mit einer Min derheitsbeteiligung zufrieden war. Ich zitiere aus der Regie rungserklärung von Ministerpräsident Erwin Teufel vom 25. November 1999:
Meine Damen und Herren, ich halte das Angebot der EdF auch deswegen für eine sehr gute Verhandlungsgrundla ge, weil sich die EdF auf den Kauf einer Minderheitsbe teiligung beschränkt. Andere Interessenten haben sehr of fen gesagt..., dass sie eine Mehrheitsbeteiligung an der EnBW anstreben.
Meine Damen und Herren, mit besonderen Konsortialverträ gen sicherten wir damals diese Minderheitsbeteiligung ab. Al lerdings laufen diese Verträge aus, und dann wäre der Weg hin zu einer Mehrheitsbeteiligung der EdF offen gewesen.
Die EdF hat uns deutlich gemacht, dass sie für die Zukunft tatsächlich ein großes Interesses an einer Mehrheit bei der EnBW hatte. Die EdF wollte die Kontrolle über die EnBW bekommen. Wir wollten aber, dass die EnBW im Kern ein ba den-württembergisches Unternehmen bleibt und bleiben muss, meine Damen und Herren – um dies noch einmal nachdrück lich zu sagen.
Deshalb hatte sich die Geschäftsgrundlage für die Partner schaft mit der EdF entscheidend verändert. Wir haben gegen über der französischen Seite klargestellt, dass es keine Mehr heitsbeteiligung für die EdF geben wird. Daraufhin setzte Pa ris die Zeichen auf den Verkauf seiner Anteile. Damit waren wir unmittelbar gefordert. Wir mussten im Interesse BadenWürttembergs und von Millionen Strom- und Gaskunden im Land handeln, und zwar schnell, bevor Finanzinvestoren un seren Energieversorger belauert hätten.
Meine Damen und Herren, Geschäfte in dieser Größenord nung und in dieser Konstellation können nur dann Erfolg ha ben, wenn auf allen Seiten strengste Vertraulichkeit gewahrt wird. Man stelle sich vor, wir hätten unsere Strategie öffent lich gemacht und wir hätten öffentlich hierüber diskutiert. Was wäre dann passiert? Jeder Kaufmann weiß, dass der Preis für eine EnBW-Aktie auf der Stelle in die Höhe gesprungen wä re. Die Übernahmefantasien hätten bunt geblüht. Ab diesem Moment wäre die EnBW zum Spekulationsobjekt geworden.
In den Finanzzentren sitzen Investmentbanker, die es nur auf solche Diskussionen und Gerüchte abgesehen haben. Sie hät ten den Preis für die EnBW-Aktie nach oben getrieben, um anschließend Kasse zu machen. Wir hätten diesen Heuschre cken die Gewinne auf dem Silbertablett serviert. In jedem Fall wäre der Kaufpreis publik geworden.
Dies hätte mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu geführt, dass die EdF ihre Preisvorstellungen ebenfalls angepasst hätte. Vor allem aber wäre der Angebotspreis, den wir den anderen Ak tionären im gesetzlich vorgeschriebenen Übernahmeverfah ren hätten bieten müssen, nach oben gegangen. Der Erwerb wäre somit erheblich teurer, wenn nicht gar unbezahlbar ge worden.
Meine Damen und Herren, wir haben vor unserer Kaufent scheidung die Zahlen und Fakten gründlich geprüft. Wir sind auf der Grundlage professioneller Bewertungen in die Ver handlungen mit der EdF gegangen. Diese Bewertungen ka men zu dem Ergebnis, dass der vereinbarte Kaufpreis fair und angemessen ist. Als börsennotiertes Unternehmen muss die EnBW die Daten, die den Unternehmenswert bilden, ohnehin öffentlich machen. Auf dieser Basis und durch den Vergleich mit Vergangenheitszahlen sowie mit Wettbewerbern konnten wir ein klares Bild von der Werthaltigkeit der EnBW erhal ten.
Wir belasten durch den Kauf nicht den Haushalt. Das Land wird die Aktien über seine 100-prozentige Tochtergesellschaft Neckarpri GmbH erwerben. Durch den Abschluss des Kauf vertrags hat sich das Land verpflichtet, für die Kaufpreiszah lung für die Neckarpri GmbH einzustehen. Das Land haftet also neben der Neckarpri GmbH für die Kaufpreiszahlung.
Der Abschluss des Kaufvertrags konnte vom Finanzminister nach Artikel 81 der Landesverfassung genehmigt werden. Die ser Bestimmung zufolge dürfen außerplanmäßige Ausgaben vom Finanzminister genehmigt werden, wenn ein unvorher gesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht.
Wir wurden gefragt, ob wir nicht vorher den Landtag hätten fragen können; man hätte doch nach der Zustimmung des Landtags in Ruhe über den Kauf verhandeln können. Doch neben dem schon genannten Kostenargument gab es auch noch weitere zwingende Gründe, die Vertraulichkeit und Ge heimhaltung verlangt haben.
Erstens: Die EdF hat einen Parlamentsvorbehalt ausdrücklich abgelehnt. In diesem Punkt blieb sie trotz mehrfacher Vor stöße von unserer Seite unnachgiebig.
das Übernahmeangebot anzukündigen. Wir haben die BaFin gefragt, ob diese Ankündigung unter Parlamentsvorbehalt ge stellt werden darf. Die BaFin hat dies eindeutig abgelehnt.
Zu dieser Frage wurde vorab ein verfassungsrechtliches Gut achten der beratenden Anwaltskanzlei eingeholt, welches das Vorgehen des Finanzministers bestätigt. Das Finanzministe rium hat diese Frage des Geschäfts ebenfalls geprüft und ist zu demselben Ergebnis gelangt.
Die nach Artikel 81 Satz 3 der Landesverfassung notwendige Genehmigung haben wir vom Landtag mit dem Entwurf des Zweiten Nachtrags erbeten. Dieser Nachtrag – insoweit ist dann Artikel 84 der Landesverfassung einschlägig – enthält aber auch die Schaffung notwendiger Rechtsgrundlagen für noch auszusprechende Garantien, namentlich für die Ausstat tungs- und Werterhaltungsgarantie für die Neckarpri GmbH, um diese gegen Kursschwankungen bilanziell abzusichern. Der Finanzausschuss hat diesem Nachtragsentwurf, der somit einerseits eine Genehmigung enthält, andererseits die Grund lage für erst auszusprechende Garantien schafft, mehrheitlich zugestimmt.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch zu einem weite ren Aspekt etwas klarstellen. Um den Kauf der EnBW-Antei le rechtlich und technisch zu realisieren, haben wir die Unter stützung der Kanzlei Gleiss Lutz sowie des Bankhauses Mor gan Stanley in Anspruch genommen. Beide Unternehmen ste hen in einem hervorragenden Ruf und verfügen über große Erfahrungen im Bereich genau dieser Geschäfte.
Gerade Morgan Stanley war ein besonders geeigneter Partner, da das Haus die Privatisierung wie auch den Börsengang der EdF in Paris betreut hatte und so auch das besondere Vertrau en der Verkäuferseite genießt. Auf der anderen Seite hat Mor gan Stanley erst im vergangenen Jahr die EnBW bei der Plat zierung von zwei Anleihen begleitet. Die besondere Experti se von Morgan Stanley für die konkrete Sachlage und für das konkrete Marktumfeld ist objektiv unbestreitbar.
Im Übrigen hat das Bankhaus Morgan Stanley – um nur ein Beispiel zu nennen – als Konsortialführer auch in der Vergan genheit in Deutschland entsprechend gehandelt. So hat es z. B. als Konsortialführer zusammen mit der Deutschen Bank im Jahr 2004 erfolgreich die Postbank an die Börse gebracht und damit auch schon im Auftrag der damaligen rot-grünen Bun desregierung gearbeitet.
Ich will ausdrücklich sagen: Die fachliche Beratung durch ei ne Bank und durch spezialisierte Anwälte ist bei solchen Transaktionen bekanntermaßen absolut üblich und Vorausset zung für eine seriöse Vertragsgestaltung.
Die Vergabe des Dienstleistungsauftrags an Morgan Stanley steht im Einklang mit den europäischen und den nationalen Rechtsvorschriften. Zwar müssen solche Aufträge grundsätz lich ausgeschrieben werden, allerdings sehen die EU-Verga bekoordinierungsrichtlinie und die entsprechenden nationa
len Rechtsvorschriften hier klar definierte Ausnahmen vor. Nach diesen Bestimmungen fordert das europäische Vergabe recht keine Ausschreibung, wenn es sich um – ich zitiere –
finanzielle Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aus gabe, Verkauf, Ankauf oder Übertragung von Wertpapie ren...
handelt. Im deutschen Recht wurde diese Ausnahme des eu ropäischen Gesetzgebers in § 100 Abs. 2 Buchst. m des Ge setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wortgleich über nommen.
In der einzigen bisher in der deutschen Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegenden Entscheidung hat die Vergabekam mer Baden-Württemberg ausgeführt: Der Ausnahmetatbestand erfasst jedes Geschäft – ich zitiere die Entscheidung –,
dem aufgrund der Besonderheiten des Finanzmarktes ein besonderes... Vertrauensverhältnis zugrunde liegt, das eine Anwendung des Vergaberechts unmöglich erschei nen lässt. Die Ausnahme umfasst über die Transaktions geschäfte mit anderen Finanzinstrumenten hinaus alle vorbereitenden und begleitenden Dienstleistungen, die mit dem Finanzierungsgeschäft in einem solchen Zusam menhang stehen, dass sie die Durchführung des Geschäfts selbst beeinflussen können.
Legt man diese rechtlichen Maßstäbe zugrunde, dann kann kein Zweifel bestehen, dass die Vergabe der Beratungsleistun gen an Morgan Stanley zur Vorbereitung dieser sensiblen Ka pitalmarkttransaktion von der Reichweite und vom Zweck des Ausnahmetatbestands im Vergaberecht erfasst ist.
Ich will aber Folgendes hinzufügen: Ich habe bereits in der letzten Woche und auch gestern im Finanzausschuss klar und deutlich gesagt, dass ich auch bei diesem Projekt Wert auf größte Transparenz lege.
(Lachen bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Walter Heiler: Fragen Sie einmal Ihre Kollegen in der CDU-Fraktion! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Lügen, ohne rot zu werden!)
Ich will deshalb auch ankündigen, dass mit den Angebotsun terlagen ohnehin der Maximalbetrag für die Aufwendungen im Rahmen des Übernahmeangebots auf der Webseite der Ne ckarpri GmbH veröffentlicht wird. Dies betrifft sowohl die Bank, die uns begleitet hat, als auch die Rechtsanwaltskanz lei. Sprich: Dies betrifft sowohl die Kosten für die Bank als auch die Anwaltskosten sowie die Nebenkosten des Angebots. Auch hier wird vollständige Transparenz herrschen.
Ich erkenne durchaus an, meine Damen und Herren – nicht zuletzt aus meiner Arbeit als Fraktionsvorsitzender –, dass die ses Verfahren auch aus dem Selbstverständnis engagierter Landtagsabgeordneter heraus die unbedingte Ausnahme blei ben muss. Diese Vorgehensweise war aber notwendig. Sie diente einzig und allein dazu, einen fairen Preis vereinbaren zu können und die Interessen des Landes nicht zu gefährden.
Allerdings war es mir sehr wichtig, zum frühestmöglichen Zeitpunkt das höchstmögliche Maß an Transparenz zu ermög lichen. Deshalb haben wir seit dem vorvergangenen Montag alles getan, um den Landtag umfassend über die Transaktion zu informieren:
Wir haben sämtliche Verträge vorgelegt. Wir haben sie, um eventuellen Vorwürfen zu begegnen, übersetzen lassen. Ich selbst habe im Finanzausschuss über anderthalb Stunden Re de und Antwort gestanden. Ich will nochmals ankündigen, dass wir auch die Maximalbeträge für die Aufwendungen im Rahmen des Übernahmeangebots veröffentlichen werden – genau so, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.