Erstens: Die Ganztagsschule ist faktisch ein Paradigmenwech sel in der Bildungspolitik. Sie ist eine Veränderung des deut schen Sonderwegs der klassischen, traditionellen deutschen Halbtagsschule mit einem verdichteten Unterricht am Vormit tag. Die Hausaufgaben, für deren Betreuung die Eltern zustän dig sind, werden am Nachmittag gemacht. Dieser Paradig menwechsel weg von der klassischen Halbtagsschule zu ei ner ganztägig geöffneten Schule, die ein Lern- und Lebensort für die Kinder darstellt, wird völlig am Landesgesetzgeber vorbei vollzogen. Das ist eine zentrale bildungspolitische Wei chenstellung, für die auch der Landesgesetzgeber verantwort lich ist.
Zweitens: Für die kommunalen Schulträger gibt es keine Pla nungssicherheit und keine Verlässlichkeit, solange die Ganz tagsschule nicht im Schulgesetz verankert ist. So kann z. B., solange die Ganztagsschule den Status eines Schulversuchs hat, ein Schulgremium sagen, dass es keine Ganztagsschule will. Dann hat der Schulträger keine Möglichkeit, eine Ganz tagsschule einzurichten. Es gibt weder eine Verlässlichkeit bei der Qualitätssicherung noch vor allem bei der Zuweisung von pädagogischem Personal.
Drittens: Schon seit vielen Jahren werden die Kosten für die Ganztagsschule weitgehend den Kommunen aufgebürdet, ob wohl sie dafür originär gar nicht verantwortlich sind. Sie sind
dafür auch nicht zuständig. So gibt es z. B. für das Gymnasi um nur eine einzige zusätzliche Lehrerstunde und für die Re al- und Hauptschulen nur zwei zusätzliche Lehrerstunden. Nur die Schulen mit besonderen sozialen und pädagogischen Auf gabenstellungen erhalten ein paar Stunden mehr, aber der Rest ist Ehrenamt. Aber auf dem Ehrenamt kann keine pädagogisch vernünftig ausgestaltete Ganztagsschule aufgebaut sein.
Schließlich komme ich auf den vierten Grund zu sprechen. Es gibt auch keine echte Qualitätssicherung. Bezeichnend ist, dass es über 1 000 Ganztagsschulen gibt, aber keine wissen schaftliche Begleitung und keinerlei Evaluation über die Wirk samkeit erfolgt. Es wird also nicht untersucht, ob die Erwar tungen, die mit der Ganztagsschule geweckt werden, tatsäch lich erfüllt werden. Auch deshalb sagen wir Grünen: Wir brau chen endlich die gesetzliche Verankerung der Ganztagsschu le im Schulgesetz.
Erstens: Die Ganztagsschule wird in zwei Formen definiert: als offene und als gebundene Ganztagsschule. Weiterhin wol len wir den Schulen eine verbindliche Rhythmisierung des Schultags vorgeben. Das heißt, dass der Unterricht besser über den Tag verteilt werden muss. Er muss entsprechend den Lern- und Entwicklungsbedürfnissen sowie den Phasen von Freizeit und Entspannung über den Tag verteilt werden.
Zweitens: Wir wollen erreichen, dass in der Fläche und im ge samten Land das Angebot einer Ganztagsschule in erreichba rer Nähe für jedes Kind besteht.
Drittens: Das Land wird gesetzlich zur Qualitätssicherung ver pflichtet und muss das pädagogische Personal für die Ganz tagsschule stellen – einschließlich der Betreuung während der Zeit des Mittagessens. Das ist auch eine zentrale Forderung beispielsweise der kommunalen Landesverbände und der Kommunen, die zu Recht sagen: Wo Ganztagsschule drauf steht, muss auch Ganztagsschule drin sein.
Ein weiterer Punkt: Ihr Ziel ist, dass 40 % der Schulen bis zum Jahr 2015 Ganztagsschulen werden sollen. Bislang liegen wir bei dieser Entwicklung stark zurück. So sind erst 8,8 % der Grundschulen nach dem Landeskonzept als Ganztagsschulen eingerichtet. Ähnlich desolat sieht es bei den Realschulen aus, bei denen die Quote der Schulen, die nach dem Landeskon zept als Ganztagsschulen genehmigt wurden, nur 9,8 % be trägt. Bei den Hauptschulen sind es 26,9 %. Bei den Gymna sien beträgt dieser Anteil 25,5 %.
Mittlerweile gibt es eine bundesweite Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen, die StEG-Studie. Sie hat ganz klar auf gezeigt, dass an die Ganztagsschulen hohe Erwartungen ge stellt werden, z. B. bezüglich des sozialen Lernens der Kin der, der Verlässlichkeit für die Eltern hinsichtlich des Ange bots und vor allem eines höheren Lernerfolgs. Auch diese Er wartung wird an die Ganztagsschule gestellt.
Soziales Lernen wird allein dadurch erreicht, dass den Kin dern den ganzen Tag lang in der Schule mehr Zeit dafür zur Verfügung steht. Aber Schulerfolg und bessere Chancenge rechtigkeit werden nur erreicht, wenn die Ganztagsschule
mehr als Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nach mittag ist. Die Ganztagsschule braucht die hohe Qualität ei nes hervorragenden und rhythmisierten pädagogischen Ange bots. Nur dann wird ein besserer Lernerfolg erzielt. Wenn wir uns die Schulen in Baden-Württemberg ansehen, stellen wir fest, dass ein erheblicher Anteil der Ganztagsschulen nach ge nau diesem Muster gestrickt worden ist: vormittags Unter richt, nachmittags Betreuung.
Damit stellt sich die Frage, ob eine bessere Chancengerech tigkeit und mehr Lernerfolg für die Kinder tatsächlich erreicht werden. Deshalb müssen wir von dieser „Ganztagsschule light“ zugunsten einer Ganztagsschule abrücken, in der die Kinder bestmöglich gefördert werden und die ein gutes päd agogisches Konzept beinhaltet.
Schließlich zu den Eltern: Sehr oft wird die Befürchtung oder auch das Vorurteil geäußert, bei einer Ganztagsschule bleibe zu wenig Zeit für das familiäre Zusammenleben. Nun hat die se Studie genau das Gegenteil bewiesen. So begrüßen die Fa milien, deren Kinder Ganztagsschulen besuchen, vor allem die Entlastung. Über 50 % der Familien sagen: „Die Hausauf gabenbetreuung und das Üben unserer Kinder in der Schule entlasten das Familienleben enorm.“
Die Familien sagen: „Die verbleibende Zeit wird viel intensi ver für gemeinsame Aktivitäten in der Familie genutzt.“ In sofern trifft genau der Vorhalt, der seitens der CDU oft ge macht wird, wonach die Ganztagsschule den Familien die Kinder vorenthalte,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gesetzliche Verankerung der Ganztagsschule ist dringend notwendig. Nur mit einer ge setzlichen Verankerung sichern wir die Qualität, nur dann kön nen wir einen qualitätsvollen Ausbau erreichen.
Wir brauchen den Ausbau in den nächsten Jahren, vor allem im Grundschulbereich. Anhand der StEG-Studie steht fest, dass 80 % der Mütter, deren Kinder eine Ganztagsgrundschu le besuchen, in Vollzeit berufstätig sind. Wir wissen, dass in den nächsten Jahren vor allem der Umfang der Berufstätig keit qualifizierter Frauen zunimmt. Insofern brauchen wir ge rade im Grundschulbereich mehr Ganztagsschulen.
Wir wollen die Ganztagsschule im Schulgesetz verankern. Sie können heute gegenüber den kommunalen Landesverbänden signalisieren, dass Sie einer solchen gesetzlichen Verankerung zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wünscht die Fraktion GRÜ NE wieder einmal, das Schulgesetz im Hinblick auf die Ganz tagsschule zu ändern. Festzustellen ist, dass sich das Land und die Schulträger, also die Kommunen, die Kosten teilen. Das Land trägt die Kosten für den Unterricht, während der Schul träger die Sachkosten und die Personalkosten für die Betreu ung übernimmt. Für Letzteres können die Schulträger ein Ent gelt verlangen.
Vieles, was Sie, liebe Frau Rastätter, vorhin betont haben, stimmt ganz einfach nicht. Wie immer reden Sie auch hier fast alles schlecht.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das können die am besten! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Immer dagegen!)
Das Land ist für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungs auftrags und damit nur für den Unterricht finanziell verant wortlich.
mit Blick auf unsere kinderfreundliche Familienpolitik zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und nicht zur Erfüllung des im Schulgesetz geregelten Bildungs- und Erzie hungsauftrags. Das Land leistet freiwillig für zusätzliche Leh rerzuweisungen an Ganztagsschulen insgesamt 1 840 Depu tate, die wir im Endausbau zum Schuljahr 2014/2015 errei chen werden.
Ich weise darauf hin, dass das Land mit den Kommunen und den freien Trägern der Jugendhilfe die Betreuungsangebote, die den Eltern zur Verfügung stehen, bedarfsorientiert weiter entwickelt. Ich erinnere an die verlässliche Grundschule, die flexible Nachmittagsbetreuung und die Horte, um nur drei der vielen Möglichkeiten zu nennen.
Im Haushalt 2010 sind einschließlich der Betreuung an Ganz tagsschulen insgesamt rund 51 Millionen € bereitgestellt. Das Konzept orientiert sich am Bedarf der Eltern
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das stimmt aber nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Doch, das stimmt!)