Protocol of the Session on November 24, 2010

Ich glaube, hierbei gibt es eine zweifache Antwort. Im Be reich der Lehre und der Ausbildung gibt es eine Initiative der Fachhochschulen Ulm und Neu-Ulm im Bereich nicht ärztli cher medizinischer Berufe. Ich habe auf der Reise nach Asi en mit Herrn Bubenzer darüber gesprochen, dass wir diesen Bereich in Ulm stärken wollen, um dort das Spektrum zu er weitern. Wir können Ulm nur weiterbringen, indem wir auch hier Netzwerke bilden. Das kann man aber nur mit den Part nern machen, die vor Ort vertreten sind. Die Vernetzung zwi schen der Universität und den Fachhochschulen ist sehr gut. Wir müssen diesen Bereich voranbringen.

In Ulm haben wir ebenfalls hervorragende Naturwissenschaf ten. Das heißt, wir werden auch dort versuchen, die Vernet zung zu verstärken. Wir werden uns außerdem um eine wei tere Vernetzung mit Bayern bemühen. Es gilt, die Kooperati on mit dem Klinikum Günzburg zu verstärken. Es gilt also, mit einer Netzwerkbildung über Baden-Württemberg hinaus den Standort Ulm zu stärken. Das muss kein Gesundheitszen trum im klassischen Sinn sein. Es ist aber eine Stabilisierung der Hochschulmedizin in Ulm erforderlich, und zwar im Kon text mit der Universität.

Im Vergleich zu anderen Universitäten ist die Medizinische Fakultät eine wesentliche Säule der Universität Ulm. Es liegt mir sehr daran, dass wir dieses Standbein nicht schwächen, sondern stärken. Ich habe dem Rektor der Universität, Herrn Ebeling, gesagt und sage das auch allen Abgeordneten aus Ulm: Lasst uns gemeinsam zusehen, dass wir durch Netzwerk bildung und die Einbindung anderer Partner – auch auf Vor schlag der dortigen Medizin und der Natur- und der Lebens wissenschaften – Stärken in Ulm stärken, um diesen Standort nicht abfallen zu lassen. Die Stadt Einsteins darf nicht zurück fallen, Herr Rivoir.

Gibt es zu diesem The ma weitere Fragen an die Regierung? – Das ist nicht der Fall. Vielen Dank, Herr Minister.

Wir kommen jetzt zur zweiten Fragerunde. Die SPD-Frakti on stellt die Frage.

Ich erteile Herrn Abg. Hofelich das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister! Unter den zahlreichen Gedenktagen, die unsere Republik zu bieten hat, ist der heutige Tag, der IHK-Tag, sicher nicht der bekannteste. Industrie und Handel sind aber trotzdem zwei ganz wesentliche Säulen, auf denen die Stärke Baden-Württembergs beruht. Deswegen bietet es sich an, am heutigen Tag über einen ganz wichtigen, vitalen Faktor für Industrie und Handel zu sprechen, nämlich über Existenzgründungen und deren Finanzierung.

Herr Minister, ich habe ein paar Fragen, die sich darauf be ziehen, wie Ihr Haus dazu derzeit aufgestellt ist. Es schmerzt uns als Sozialdemokraten, dass unser substanziell und poten ziell so starkes Land bei dem Dynamikfaktor der Existenz gründungen derzeit nur im Mittelmaß verharrt und offenbar aus dieser Position auch nicht herauskommt.

Ein Verweis auf das Innovationsland Baden-Württemberg, wie er am Wochenende vom Statistischen Landesamt gemacht worden ist, kann darüber nicht hinweghelfen, weil der Haupt faktor die Patente im Land sind. Die Patentstatistik hängt letzt lich ganz wesentlich von den großen Patentgebern ab, näm lich von Firmen wie SAP, Daimler, Bosch, ZF oder IBM. Das allein macht nicht das Innovationsland aus, auch wenn das ganz wichtig ist.

Das Gründungsgeschehen selbst rückt in den Mittelpunkt der politischen Debatte, weil wir in diesem Bereich Schwächen haben. Historisch gesehen ist es so, dass nach dem Internet hype der späten Neunzigerjahre das Thema Existenzgründun gen in den Vordergrund gerückt ist. Jetzt merken wir, dass wir nicht in der Lage sind, das Niveau der Existenzgründungen in Baden-Württemberg zu halten.

Der Verweis auf den Innovationsrat, der zwei Arbeitsgruppen hatte, die sich dieses Themas annahmen und dann eine Unter arbeitsgruppe gegründet haben, die sich vor allem um Risiko kapital gekümmert hat, ist hilfreich. Diese Unterarbeitsgrup pe hat kritische Ergebnisse zum Stand der Existenzgründun gen in Baden-Württemberg erbracht.

Zusätzlich hat „Stuttgart Financial“, ein Ableger der Börse, der vom Wirtschaftsministerium mit gefördert wird, eine Ana lyse bei einer Münchner Beratungsgesellschaft in Auftrag ge geben, die ebenfalls kritische Ergebnisse zum Thema „Exis tenzgründungen in Baden-Württemberg“ gezeitigt hat.

Das alles ist Grund genug, einige Nachfragen zu stellen.

Meine erste Frage bezieht sich auf die Gründungsintensität in Baden-Württemberg. Trifft es zu, Herr Minister, dass wir in Baden-Württemberg eine nachlassende Gründungsintensität, insbesondere bei Hightechfirmen, haben? Trifft es zu, dass da für vor allem ein unzureichendes Eigenkapitalangebot für jun ge Gründer verantwortlich ist?

Trifft es zu, dass wir, was die Gründungsverbünde von Hoch schulen angeht, eine nachlassende Bindungskraft insofern ha ben, als Hochschulen sich nicht mehr so gern zu regionalen Verbünden zusammenschließen?

Trifft es zu, dass die Existenzgründungsförderung in Ihrem Haus derzeit eher unübersichtlich ist und man nicht in der La ge ist, neue Mittel aus europäischen oder deutschen Quellen zu akquirieren?

Wenn es richtig ist, dass das Eigenkapitalangebot für junge Existenzgründer, insbesondere im Hightechbereich, einen Engpass darstellt, trifft es dann zu, dass dies vor allem für die Frühphasenfinanzierung gilt, also für die sogenannte Seedfi nanzierung? Wenn das so ist, warum steht am Ende dann ein solch schwaches Ergebnis?

Trifft es zu, dass wir im bundesdeutschen Vergleich bei der Seedfinanzierung bestenfalls im Mittelfeld liegen? Trifft es zu, dass wir nachlassende private Risikokapitalfinanzierun gen nicht durch öffentliche Fonds kompensieren können, und trifft es zu, dass wir nicht genügend Anteile für Baden-Würt temberg aus dem sogenannten Hightech-Gründerfonds des Bundes ziehen können? Derzeit sind dies gerade einmal 6,6 %.

Trifft es schließlich zu, dass Sie nicht zugeschlagen haben, als es darum ging, aus Mitteln des Europäischen Regionalfonds EFRE, wie es andere Länder getan haben, einen eigenen Fonds zu gründen, der dieser Schwäche hätte abhelfen kön nen?

Vielen Dank für Ihre Antworten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unter dem Strich trifft es zu, dass wir Mittelmaß sind! – Zuruf eines Zuhö rers auf der Zuhörertribüne: Aufhören, aufhören mit den Enteignungen und Diebstählen der CDU! – Der Zuhörer wirft bedruckte Blätter in den Plenarsaal.)

Ich bitte Sie, aufzuhö ren. Das geht nun wirklich nicht.

(Heiterkeit – Unruhe)

Ich darf den Ordnungsdienst bitten, den Herrn von der Empo re zu führen.

(Der Zuhörer fährt mit Zurufen fort.)

Ich darf Sie bitten, aufzuhören. Sonst muss ich Sie des Saa les verweisen. An Ihrer Stelle würde ich den Saal freiwillig verlassen.

(Abg. Peter Hofelich SPD, auf den mit einem grünen Anzug bekleideten Zuhörer auf der Zuhörertribüne deutend: Wieder ein Grüner! – Der Zuhörer wird vom Ordnungsdienst hinausgeführt. – Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Beantwortung der gestellten Fragen durch die Landesregierung darf ich jetzt Herrn Minister Pfister das Wort erteilen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Vielen Dank. – Herr Prä sident, meine Damen und Herren! Herr Hofelich, Sie haben eine Fülle von Fragen an mich gerichtet, und ich möchte, so weit möglich, versuchen, auf diese Fragen einzugehen.

Ich beginne mit der Feststellung, dass wir in der letzten Wo che im Zusammenhang mit der Innovationskraft des Landes Baden-Württemberg – was auch für Neugründungen von er heblicher Bedeutung ist – eine ganze Reihe von Schlagzeilen in den Tageszeitungen lesen konnten.

Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten will ich nur einige wenige dieser Schlagzeilen zitieren.

Erstens „Stuttgarter Zeitung“: „In keiner anderen Region Eu ropas gibt es mehr Innovationen als zwischen Main und Bo densee, Rhein und Nördlinger Ries“.

Zweitens „Schwäbische Zeitung“: „Innovationskraft in Euro pa: Südwesten liegt ganz weit vorne“.

Drittens „Reutlinger Generalanzeiger“: „Bei Innovationen die Nummer 1“.

Viertens „Badisches Tagblatt“, ebenfalls vom 22. November: „Europaweit spitze – innovative Tüftler im Südwesten“.

Mit solchen Schlagzeilen könnte ich jetzt noch lange weiter machen. Sie zeigen ganz eindeutig: Baden-Württemberg ist

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Unter Gründern Mittel maß! – Abg. Claus Schmiedel SPD hält einen Zei tungsartikel in die Höhe.)

das Innovationsland, das Technologieland Nummer 1 in Eu ropa. Das ist eindeutig. Dafür gibt es auch gute Begründun gen. Sie alle wissen, was dazu geführt hat, dass Baden-Würt temberg in der Vergangenheit diese starke Position als Inno vationsland und als Technologieland Nummer 1 errungen hat. Das hängt z. B. damit zusammen – man muss es immer wie der betonen –: In der Europäischen Union werden im Augen blick für die Bereiche Forschung und Entwicklung durch schnittlich 1,8 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts aus gegeben. In der Bundesrepublik Deutschland sind es 2,5 %, in den USA 3 %, in Japan 3 % und in Baden-Württemberg in der Zwischenzeit 4,6 %.

Oder nehmen Sie die Tatsache, dass es längst nicht mehr nur um Innovationskraft geht, sondern hauptsächlich um Innova tionsschnelligkeit. Ich will darauf hinweisen, dass 6 % der bundesdeutschen Unternehmen es zurzeit schaffen, innerhalb von 24 Monaten ein völlig neues Produkt oder eine völlig neue Dienstleistung auf die Märkte zu bringen – 6 % bundesweit, aber 15 % der baden-württembergischen Unternehmen.

Oder nehmen Sie den wichtigen Mittelstandspreis für Inno vation.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Kommen Sie doch zur Existenzgründung! Das ist doch die Frage!)

Ich komme gleich darauf, Herr Schmiedel. Eines nach dem anderen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben gar nicht so viel Zeit!)

Nehmen Sie den Top-100-Mittelstandspreis. In der Vergan genheit war es so, dass von den 100 besten innovativen Mit telständlern, die da ins Schaufenster gestellt wurden, im Durchschnitt 45 aus Baden-Württemberg kamen. Dies und vieles andere mehr beweist, dass wir ein starkes Innovations land sind.

Jetzt ist die Frage: Wie können wir es schaffen, dass sich die ses starke Innovationsland dadurch auszeichnet, dass aus die sen Innovationen neue selbstständige Existenzen entstehen?

Das ist in der Tat – da gebe ich Ihnen recht – ein wichtiges Anliegen. Solche neuen Existenzen sind die beste Frischzel lenkur für jede Volkswirtschaft.

Wie ist die Situation? Zum ersten Mal seit 2004 hatten wir im Jahr 2009 eine steigende Zahl von Existenzneugründungen, nämlich 94 156; das war gegenüber 2008 immerhin ein Plus von 4,3 %. Man kann es auch noch in anderen Zahlen darstel len. Wenn Sie die sogenannte Gründungsquote als Maßstab nehmen – das ist die Anzahl der Gründungen in Relation zur Bevölkerung –, stellen Sie fest, dass der Index der Flächen länder in NRW bei 1,87 lag, in Schleswig-Holstein bei 1,91, in Bayern bei 1,97 und in Baden-Württemberg bei 1,91. Sie sehen also, wenn Sie die wichtigen Flächenländer nehmen – bei den Stadtstaaten ist es etwas anders –, dass Baden-Würt temberg absolut nicht ins Hintertreffen geraten ist, sondern sich durchaus halten kann.

Einen dritten Punkt will ich vorweg noch nennen. Mir geht es nicht nur darum, dass Neuexistenzen gegründet werden, son dern auch darum, dass diese neuen Existenzen eine möglichst lange Zeit am Markt sind. Eine Existenzgründung, die nur kur ze Zeit am Markt ist, nützt niemandem. In Baden-Württem berg sind immerhin 80 % aller Existenzgründungen, die vom Land Baden-Württemberg in irgendeiner Form gefördert wor den sind, auch nach fünf Jahren noch am Markt. Das bedeu tet, wir brauchen uns nicht zu verstecken, was Existenzgrün dungen angeht.

Es gibt aber einen Punkt, auf den ich noch kommen möchte, Herr Präsident, nämlich die Frage: Was können wir noch zu sätzlich tun, damit insbesondere im Hightechbereich die An zahl der Existenzgründungen weiter zunimmt? Wir können hier zwar auf ganz ordentliche Zahlen verweisen, aber sie sind noch verbesserungsfähig; das gebe ich gern zu.

Deshalb hat der Innovationsrat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Baden-Württemberg mehr Venture-Capital, also mehr Wagniskapital, brauchen, und zwar insbesondere in der Anfangsphase, in der sogenannten Seedphase. Das ist absolut richtig. Das ist der Grund, weshalb z. B. auch McKinsey auf diesen Punkt hingewiesen hat. Dies wiederum ist der Grund, weshalb die Landesregierung in wenigen Tagen entscheiden wird, in welcher Millionengröße ein neuer Venture-CapitalFonds in Baden-Württemberg eingerichtet wird, um auf die se Art und Weise zusätzlich auch privates Venture-Capital an zulocken und dadurch genügend Wagniskapital zur Verfügung zu haben, um insbesondere in dieser Seedphase dazu zu kom men, dass mehr junge Unternehmen, als es bisher der Fall war, tatsächlich gefördert werden können.