Wir in Baden-Württemberg sind sehr stolz auf den Entwick lungsstand unserer ländlichen Räume, die durchaus, was z. B. Arbeitsplätze, Arbeitsplatzsicherheit, Stand der Arbeitslosig keit – dieser ist niedrig – betrifft, Augenhöhe mit dem städti schen Bereich erreicht haben.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung in den länd lichen Räumen ist natürlich die Infrastruktur, Voraussetzun gen sind aber auch strukturelle Verbesserungen. Wer sich ein bisschen mit der Landesgeschichte beschäftigt, weiß, dass un ser Land von den Besitzverhältnissen her sehr unterschiedlich strukturiert ist. Wir haben Realteilgebiete, wir haben großräu miger strukturierte Gebiete im Bereich der Land- und Forst wirtschaft. Auf jeden Fall haben wir nach wie vor Bereiche in unserem Land, die dem Strukturwandel nicht mehr standhal ten, sei es in der Landwirtschaft, in der Forstwirtschaft oder im Bereich des Weinbaus.
Flurbereinigung betrifft häufig nicht nur Wiesen, Acker und Wald, sondern auch Innerortslagen, wo es manchmal sehr ver winkelte, verzwickte, blockierende Besitzverhältnisse gibt, die die Entscheidung über eine Innerortserschließung er schweren.
Wenn wir zurückschauen und uns fragen, was die Flurberei nigung bisher eigentlich erreicht hat, dann stellen wir fest, dass wir uns jedes einzelne Verfahren anschauen können. Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, die wir verfolgen. Es gibt kleine, relativ schnelle Verfahren bis hin zu sehr komple xen, manchmal ganze Gemeinden betreffenden Verfahren, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg in der Bearbeitung sind.
Sie haben nach Zahlen gefragt. Gestern habe ich in der Kabi nettssitzung den Arbeitsbericht vorgelegt. Zu der Vorlage ei nes Arbeitsberichts sind wir seit dem Inkrafttreten der Verwal tungsreform aufgefordert. Wir legen ihn aus Überzeugung vor, weil wir damit immer wieder bilanzieren können, wie weit wir gekommen sind, und vor allem, weil wir feststellen kön nen, welche Aufgaben noch vor uns liegen.
Ich möchte ein paar Zahlen nennen: Insgesamt laufen momen tan etwa 420 Flurneuordnungsverfahren. Sie umfassen über 300 000 ha. Von diesen Verfahren sind mehr als 200 000 Ei gentümer betroffen. Im Jahr 2010 – es ist noch nicht ganz zu Ende – können wir 13 Verfahren erledigen und haben wir 21 neue Verfahren begonnen. Im Jahr 2011 werden wir über 100 Verfahren beenden können und 25 neue Verfahren beginnen. Das ist das Arbeitsprogramm.
Anhand dieser Gewichtung können Sie ablesen, dass wir un ser Personal und unsere Arbeitskraft darauf konzentrieren, Verfahren schneller abzuwickeln und Altverfahren schnell zum Abschluss zu bringen. Erst wenn die Verfahren abge schlossen sind, sind die Besitzer in ihre neuen Besitzverhält nisse eingewiesen. Erst dann kann das Ganze richtig funktio
nieren und sich entfalten. Die Konzentration liegt also mo mentan bei der Abwicklung laufender Verfahren. Trotzdem gibt es immer wieder neue Verfahren, die zwingend notwen dig sind.
Der Schwerpunkt der neuen Verfahren liegt bei Unterneh mensverfahren. Dies bedeutet: Wenn infrastrukturell – ange fangen bei der Erschließung ländlicher Wege bis hin zum Au tobahnbau oder zur Realisierung großer Schieneninfrastruk turmaßnahmen – in Besitzverhältnisse eingegriffen werden muss – das muss eigentlich immer gemacht werden –, steht zwangsläufig eine Flurneuordnung an, die dann mit Hoch druck betrieben werden muss.
Vielen Dank. – Ich er teile Herrn Abg. Winkler für die Fraktion der SPD für eine Zusatzfrage das Wort.
Herr Minister, nach meiner Kenntnis besteht bei der Flurneuordnung nach dem bisheri gen Verfahrensablauf ein Antragsstau, für dessen Abarbeitung man ungefähr zehn Jahre brauchen würde. Zweitens besteht bei den Flurbereinigungsverfahren im Weinbau ein Antrags stau. In Baden und in Württemberg gibt es dabei ganz unter schiedliche Quoten der Flurbereinigung. Drittens besteht nach meiner Kenntnis im kleinteiligen Weinbau die Gefahr einer Aufgabe kleinteiliger Flächen, wenn sie nicht rechtzeitig neu geordnet werden.
Meine Frage: Haben Sie überhaupt noch Zeit dazu, die Flur bereinigung z. B. im Weinbau rechtzeitig durchzuführen, um den „Abbruch“ der mittleren und kleinen Betriebe wegen der Kleinteiligkeit der Struktur noch verhindern zu können?
Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Lieber Kollege Winkler, es gibt ganz klare Schwerpunkte. Aber ich glaube, es ist richtig, dass wir nicht zu viele Verfahren parallel laufen lassen – mit we nig Arbeitskraft –, sondern uns darauf konzentrieren, laufen de Verfahren ganz schnell zum Abschluss zu bringen. Denn umso mehr neue Verfahren können wir auf den Weg bringen.
Ich habe die Zahlen vorhin dargestellt. Ich glaube, es ist schon beeindruckend, wenn wir die Zahl der abgeschlossenen Ver fahren von einem Jahr auf das nächste verzehnfachen.
Wir haben natürlich immer einen Überblick, weil wir in en gem Kontakt mit den Landkreisen stehen. Die Flurneuord nung läuft über die Landkreise oder über die Pools beim Lan desamt für Geoinformation und Landentwicklung BadenWürttemberg. Deshalb wissen wir immer, was in der Luft liegt, was beantragt wird, worauf sich das Interesse richtet.
Bei uns liegen momentan Anfragen für 20 Rebflurverfahren vor. Das ist nach wie vor eine überschaubare Zahl. Aber von der Sache her sind diese Verfahren dringend notwendig. Wer bei uns einmal in ein Rebgelände geht, Steilhanglagen sieht, die nur ganz schwer zu bewirtschaften und dazu noch klein- und kleinststrukturiert sind, erkennt, dass es manchmal über haupt kein Interesse mehr daran gibt, weil keine Wirtschaft lichkeit mehr vorhanden ist. Deshalb liegt einer der Schwer punkte ganz eindeutig bei Rebflurverfahren.
Ein zweiter Schwerpunkt – er betrifft nicht Ihre Frage, ist aber genauso wichtig – betrifft das Thema Wald. Wir diskutieren immer wieder darüber, dass wir Holzbedarf haben und dass wir Potenziale, die gerade im Klein- und Kleinstprivatwald liegen, nicht richtig erschließen können. Deshalb ist das der zweite Schwerpunkt.
Ein dritter Schwerpunkt, vor allem in Realteilgebieten, ist das Thema Landwirtschaft. Wenn wir Grundflächen haben, auf denen ein Traktor heutiger Bauart nicht einmal mehr wenden kann, ist es höchste Zeit, Flächen zusammenzuführen, damit sie wieder bewirtschaftet werden können.
Das sind drei Schwerpunkte, die wir im Auge haben und bei denen wir einen genauen Überblick haben. Deshalb stellen wir nicht nur ein Programm für das nächste Jahr auf, sondern geben bereits Signale, wer 2012 und 2013 an die Reihe kommt? Die Möglichkeit, neu einzusteigen, wird wieder grö ßer, je schneller wir Altverfahren zu Ende führen können.
Es gibt noch eine Fra ge des Herrn Abg. Dr. Wetzel von der FDP/DVP-Fraktion. Sie kann in der verbleibenden Zeit hoffentlich noch beantwortet werden.
Herr Minister, durch die Verwaltungsreform erfolgte eine Neuordnung bei den Flur bereinigungsämtern. Welche Erfahrungen liegen dem Minis terium hierzu vor? War die Entscheidung richtig, oder gibt es Nachbesserungsbedarf?
Zweitens: Die Flurneuordnung fängt an, wenn eine neue Stra ße, z. B. die B 30, die B 31 im Bereich des Bodensees, gebaut werden soll. Gibt es schon erste Maßnahmen zur Flurneuord nung in diesem Bereich?
Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Selbstverständlich. Wir haben, was die B 31 betrifft, im Landkreis und, was die B 30 betrifft, kreisüberschreitend bereits planfestgestellte Abschnitte. Es wäre überhaupt nicht denkbar, mit einem Bau zu beginnen – wir könnten mit dem Bau beginnen –, solange Grundstücks fragen nicht geklärt sind. Ein Flurneuordnungsverfahren läuft also solchen großen Baumaßnahmen eigentlich eher voraus als nach.
Wie gesagt: Die Verfahren sind komplex. Sie können auch be gleitend zu Arbeiten erfolgen, die zur Planfeststellung führen. Aber gerade in diesen Bereichen sind wir so weit, dass es im Zusammenhang mit der Flurneuordnung keinerlei Probleme oder Hindernisse für einen Baubeginn an der B 30 oder an der B 31 gibt.
Zu Ihrer Frage nach den Erfahrungen mit der Verwaltungsre form: Die Erfahrungen sind gut, und zwar deshalb, weil die Flurneuordnung auch mit ihrem großen Sachverstand immer wieder in Bereichen gefragt ist, die jetzt alle unter einem Dach, dem des Landratsamts, anzutreffen sind, z. B. die Land wirtschaft, die Forstwirtschaft, der Naturschutz. Da entstehen ganz neue Formen des Zusammenwirkens und der Zusam menarbeit. Da sind die Bereiche beieinander – nicht mehr in Behörden getrennt –, die dringend und zwingend zusammen arbeiten müssen, damit ein Flurneuordnungsverfahren schnell und erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Wenn wir von der Arbeitsbelastung her jonglieren müssen, dann haben wir die Poolteams, die von Landesseite aus ver waltet und gesteuert werden, sodass uns die Verwaltungsre form auch die nötige Flexibilität in der Schwerpunktsetzung ermöglicht.
Innenministeriums – Unabhängig, bürgernah, effizient: Eckpunkte für eine Neuordnung des Datenschutzes und der Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg – Drucksache 14/6422
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung zu den Buchstaben a und b fünf Minuten, für die Begründung zu Buchstabe c fünf Minuten und für die Aus sprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezei ten gelten.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ei gentlich stehen wir hier vorn, um Marksteine zu setzen, über die wir uns dann ganz heftig streiten. Ich bin daher sehr er freut, dass wir uns heute eher auf das Einigende als auf das Trennende verlegen können.
Ich darf einführend kurz etwas zu den beiden von uns gestell ten Anträgen sagen, um anschließend auf das in den letzten Tagen zutage getretene Einigende zu kommen.
Wir haben schon vor eineinhalb Jahren den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich bei uns in Baden-Württemberg hin terfragt. Wir alle wissen, dass wir eine Trennung in den nicht öffentlichen Datenschutz und den sogenannten öffentlichen Datenschutz haben, was die Datenschutzaufsicht angeht.
Der Datenschutz, so wie wir ihn kennen, ist beim Landesda tenschutzbeauftragten angesiedelt. Er übt aber eben nur für den öffentlichen Datenschutz die Aufsicht aus. Demgegen über spielt sich der nicht öffentliche Datenschutz in einer Ab teilung des Innenministeriums ab.
In den letzten Jahren haben wir eine sehr starke Dynamik und auch eine Verschiebung der Gewichte erlebt, eine Dynamik, die eindeutig in Richtung des nicht öffentlichen Datenschut
zes geht, ohne dass hinsichtlich des öffentlichen Datenschut zes dadurch weniger zu tun wäre. Wir haben einfach das Phä nomen – auch dazu trifft das Innenministerium eine Aussage –, dass die Mittelausstattung, aber insbesondere auch die Perso nalausstattung in Baden-Württemberg, was den nicht öffent lichen Datenschutz angeht, aus unserer Sicht deutlich zu schwach ist. Das war für uns auch immer dann Anlass zu Kri tik, wenn es zu neuen Vorkommnissen kam, aufgrund derer jeder gesagt hat, da müsse vonseiten des Datenschutzes etwas passieren.
Wir erinnern uns an Vorkommnisse in den vergangenen ein einhalb Jahren. U. a. wurde nach dem Einbruch in eine Bä ckereifiliale festgestellt, dass ein Großbäcker seine Mitarbei ter aushorchen und ausleuchten ließ. Es gibt Fälle wie bei Daimler, was Bluttests angeht. Dabei besteht immer wieder auch eine rechtliche Unsicherheit im Bereich des Arbeitneh merdatenschutzes. Auch das ist für uns, was den nicht öffent lichen Datenschutz angeht, ein wichtiger Punkt, der in nächs ter Zeit angegangen werden muss, und zwar im materiellen Recht, um mehr Rechtssicherheit für die Arbeitnehmer, aber auch für die Arbeitgeber zu schaffen.
Darüber hinaus müssen wir konstatieren, dass es in unserem neuen Zeitalter eine große Problematik beim Datenschutz, bei der es auch um die neuen Medien geht, gibt. Als Beispiel un ter vielen haben wir das Thema Google in verschiedenen Aus formungen. Wir haben das Google-Street-View-Programm, bei dem wir in der öffentlichen Debatte auch Probleme haben, zuzuordnen, ob das noch vom öffentlichen Interesse gedeckt ist oder ob es das öffentliche Interesse überschreitet und ob wir bereits dabei sind, in die Privatsphäre des Einzelnen ein zudringen. Wir haben ein Programm wie Google Analytics, ein Programm, in dem quasi in Form einer Spionagesoftware Internetnutzer beobachtet werden, durch das Bewegungsbil der von Menschen erstellt werden, die über technische Daten auch dem Individuum zugeordnet werden können.
Das alles sind Punkte, die uns in dem Wollen bestärken, den nicht öffentlichen Datenschutz deutlich zu stärken. Daher ha ben wir im Mai 2010 ein Eckpunktepapier vorgelegt, das im Kern vorsieht, den nicht öffentlichen und den öffentlichen Da tenschutz endlich in einer Behörde zusammenzufassen. An lass dafür war neben dem, was ich geschildert habe, auch, dass der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass die Daten schutzstruktur, wie sie in Deutschland wohl in fast allen Bun desländern besteht, nicht den Anforderungen des Europarechts genügt. Im Europarecht ist zwingend vorgesehen, dass die Da tenschutzbehörden in völliger Unabhängigkeit von Regierun gen, insbesondere auch von Ministerien, agieren.
Ich habe es einleitend gesagt: Nachdem der nicht öffentliche Datenschutz beim Innenministerium angesiedelt war und noch immer ist, ist ganz klar, dass diese Praxis nicht geeignet ist, um europarechtlichen Anforderungen zu genügen und Stan dards zu erfüllen. Diesem Zweck diente unser Eckpunktepa pier, in dem wir auch auf der Basis unserer deutschen Verfas sungstradition Vorschläge unterbreitet haben. Das sind Vor schläge, die zum einen eine Zusammenlegung, zum anderen aber auch eine deutlich bessere Ausstattung der neuen Behör de vorsehen. Denn, wie ich schon sagte, der Datenschutzbe auftragte wird, was den öffentlichen Bereich angeht, nicht we niger zu tun haben. Wir haben das Thema „Neue Personalaus weise“ und das Thema Gesundheitskarte. Auch in diesen Be
reichen gibt es vieles, was in nächster Zeit unter datenschutz rechtlichen Gesichtspunkten sehr kritisch betrachtet und ge würdigt werden muss. Aber hinzu kommt eben eine Fülle von Aufgaben im Bereich des nicht öffentlichen Datenschutzes.