Im Übrigen habe ich als Behindertenbeauftragter – das woll te ich jetzt gar nicht sagen – gleich zu Beginn meiner Tätig keit das Investitionsprogramm um mehrere Millionen Euro aufgestockt. Das ist wahrscheinlich der einzige Politikbereich im ganzen Land, in dem wir keinen Antragsstau haben. Das ist eine Leistung, die man uns andernorts erst einmal nachma chen muss, lieber Herr Kollege.
Ich darf auf die Arbeitsgruppen zurückkommen. Natürlich wollen wir auch im Hinblick auf die Barrierefreiheit weiter arbeiten. Ich habe schon viele Initiativen gestartet, beispiels weise bei den Ärztekammern und den Apothekerkammern. Wir haben noch immer Arztpraxen, die für behinderte Men schen schwer zugänglich sind. Wir haben Apotheken mit Trep pen. Wir haben Rathäuser mit Treppen.
All das habe ich aufgegriffen und an die Verantwortlichen he rangetragen. Ich kann es aber nicht von jetzt auf nachher um setzen. Aber wir arbeiten weiterhin daran.
Ich möchte noch einmal sagen: Zur Umsetzung dieses Akti onsplans haben wir inzwischen acht Handlungsfelder identi fiziert. Wir gehen in diesen Arbeitsgruppen die Themen Bil dung, Erziehung, Gesundheit, Arbeit, Wohnen, Barrierefrei heit, Kultur, Sport, Freizeit und Persönlichkeitsrechte an. Ziel dieser Arbeitsgruppen ist es, Visionen für einzelne Handlungs felder zu entwickeln und schließlich auch zu konkretisieren.
Aber das Ganze braucht Zeit. Wir wollen keine Schnellschüs se abgeben. Ich nenne wiederum das Konzept von RheinlandPfalz – es tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Wir wol len auch keine Dubletten liefern. Aber nachdem der Bund da bei ist, Themen für einen bundesweiten Aktionsplan zu sam meln und zu sichten, wollen wir uns da einklinken und unse re Themen subsidiär dort einbringen, wo die Regelungen bun desweit nicht so ausfallen, wie wir es uns für all die von mir genannten Bereiche vorstellen.
Lassen Sie mich noch auf das Thema Freifahrt und auf das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz eingehen. Es gäbe noch viel zu sagen, aber das würde den Rahmen dieser Sit zung sprengen. Aber nachdem das Thema Freifahrt auch in einem Antrag angesprochen war, möchte ich es doch ganz kurz streifen.
Wir hatten, wie ich mehrfach dargelegt habe, einen Auftrag der Haushaltsstrukturkommission zu erfüllen, deren gutes Recht es ist, alle Haushaltspositionen zu durchforsten und zu hinterfragen. Immerhin geht es um rund 35 Millionen € pro Jahr. Wir haben den Auftrag abgearbeitet, und das Thema ist damit schlicht und ergreifend erledigt.
Dabei habe ich von Anfang an klargemacht, dass es nicht um Einsparungen bei den Betroffenen selbst gehen kann, sondern dass es darum geht, Leistungen eventuell effizienter erbrin gen zu können.
Beim Landes-Behindertengleichstellungsgesetz sehen wir nach wie vor keinen Änderungsbedarf. Denn praktisch alles Wesentliche, was da immer wieder gefordert wurde, haben wir inzwischen auf freiwilliger Basis erreicht.
Wir haben – was von der linken Seite dieses Hauses gefordert wurde – inzwischen überall, in jedem Stadt- und Landkreis, kommunale Behindertenbeauftragte – ich betone: freiwillig – aufgrund der Einsicht, die sich ergeben hat, als ich an die Landräte und die Oberbürgermeister der Stadtkreise herange treten bin, dass solche Beauftragten richtig und notwendig sind. Beispielsweise haben wir sogar im Schwarzwald-BaarKreis, in dem ich in der letzten Woche war, in zwölf von 20 Kreisgemeinden zusätzlich Behindertenbeauftragte. Teilwei se haben wir Behindertenbeiräte. Ich denke, wir sind da ein gutes Stück vorangekommen.
Auch ich, lieber Herr Kollege Dr. Noll – ich bin ihm unge heuer dankbar, dass er dies angesprochen hat –, halte nach wie vor die Effizienz der Arbeit eines in die Regierungsverantwor tung eingebundenen Behindertenbeauftragten, wie ich es nun einmal bin, für weitaus höher als die von Beauftragten, die
Diese haben keinerlei Durchsetzungsmöglichkeiten. Wir hin gegen haben in den vergangenen Jahren sehr, sehr vieles um gesetzt. Ich denke z. B. an die Untertitelung von Nachrichten sendungen. Das war beim Südwestrundfunk nur erreichbar, indem man sich direkt an den Intendanten gewandt hat – na türlich mit der Unterstützung vieler, die dazu beigetragen ha ben, und mit der Unterstützung von Kollegen aus diesem Haus. Dadurch konnte diese wichtige Maßnahme für diesen Personenkreis – auch wenn es nur 7 500 Menschen in BadenWürttemberg betrifft – erreicht werden.
Ich darf last, but not least noch anführen, dass ich als Behin dertenbeauftragter, lieber Herr Kollege Dr. Noll, pro Jahr un gefähr 300 individuelle Eingaben bekomme – es können auch etwas mehr sein –, mit denen Probleme, Nöte an mich heran getragen werden. In vielen Einzelfällen konnte eine Lösung gefunden werden, die ohne diese Möglichkeit mit Sicherheit so nicht gefunden worden wäre.
Sie haben das mehrfach erwähnt. Ich will nur sagen, Herr Gall: Hier verfolgen Bund und Länder gemeinsam und unter breiter Beteiligung von Menschen mit Behinderungen meh rere Ziele: Wir wollen eine bessere Leistung für Menschen mit Behinderungen, und wir wollen die Kommunen ein Stück weit von den explosionsartig gestiegenen Kosten entlasten.
Dabei sind wir auf einem guten Weg. Die Arbeits- und Sozi alministerkonferenz der Länder hat entsprechende Beschlüs se gefasst. Die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs auf Bundesebene wird bis zum Herbst 2011 angestrebt. Sie dürfen versichert sein, dass wir vonseiten des Landes BadenWürttemberg die berechtigten Belange unserer Kommunen im Blick haben.
Jetzt bedanke ich mich mit Blick darauf, dass Sie in die Mit tagspause wollen, für Ihre Aufmerksamkeit,
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Es liegt mir wirklich sehr am Herzen, noch auf den Bei trag des Kollegen Raab, aber vor allem auf den Beitrag von Staatssekretär Hillebrand deutlich einzugehen.
Ich finde, Herr Raab, in Ihrem Beitrag ist sehr deutlich gewor den, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, was die UNKonvention bedeutet. Es geht überhaupt nicht darum, die Hil fen für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen, damit sie in die bestehenden Strukturen integriert werden,
(Abg. Werner Raab CDU: Da täuschen Sie sich, Frau Oberlehrerin! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Eine Frechheit!)
sondern es geht darum – das ist der Unterschied zwischen ei nem Defizitansatz und einem Menschenrechtsansatz –, die Strukturen so zu verändern, dass sie von Menschen mit Be hinderungen auch beansprucht werden können. Das heißt eben nicht, dass wir die Menschen mit Behinderungen in Werkstät ten für behinderte Menschen arbeiten lassen,
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ich glaube, Sie haben das nicht verstanden! – Abg. Werner Raab CDU: Das habe ich als Beispiel genannt!)
sondern das heißt, dass wir Integration betreiben, damit Men schen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt arbei ten können.
Punkt 2 ist: Es muss die Regel und darf nicht die Ausnahme sein, dass Kinder mit Behinderungen in Regelkindergärten be treut werden können.
Es muss die Regel und darf nicht die Ausnahme sein, dass Kinder mit Behinderungen an Regelschulen unterrichtet wer den. Es darf nicht sein, dass das von der Bewertung von Fach leuten abhängt. Nein, der Anspruch eines jeden Kindes ist, dass es in einer Regelschule unterrichtet wird.
Es ist eben nicht so, dass Fachleute entscheiden können, ob die Kinder besser in irgendwelchen Sondereinrichtungen un tergebracht werden können.
Aber dazu müssen die Strukturen verändert werden. Jedes Kind mit einem besonderen Förderbedarf muss diesen auch beanspruchen können – als eigenen Förderbedarf –,
damit es unterstützt wird, in einer Regelschule unterrichtet zu werden. Das ist der große Unterschied.
Das heißt, wir brauchen die Überwindung dieser selektiven Strukturen. Wir brauchen völlig andere Strukturen, damit Kin der mit Behinderungen auch diese unterschiedlichen Schul strukturen beanspruchen können.
Dabei geht es eben nicht darum, Herr Raab, dass man sagt: „Wir brauchen keine Änderung, nur weil sich der Zeitgeist ändert.“ Das ist kein Zeitgeist, der sich ändert.