Protocol of the Session on October 28, 2010

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr gut!)

Aber es reicht nicht aus, Einzelkaufleute mit einem Jahresum satz von bis zu 500 000 € von der Pflicht zur Buchführung zu befreien. Das muss auch bei Personengesellschaften möglich sein.

Wer den Aufschwung will, muss sich auch an das heiße Eisen Steuerpolitik wagen. Eine Substanzbesteuerung wie im Ge werberecht geht gar nicht. Auch über eine Änderung der Ver lustabzugsbeschränkung und der Zinsschranke muss die Po litik konstruktiver nachdenken.

Mittelstandspolitik ist ein Markenzeichen der Landesregie rung. Dies soll und wird so bleiben. Die Krise hat gezeigt: Wir können uns auf unsere Unternehmen verlassen. Sie verdienen unsere vollste Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Hofelich für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn man aus Sicht derer, die uns von außen und natürlich auch von innen sehen, ein Imagebild des Landes Baden-Würt temberg zeichnen würde, dann würde der Begriff „Mittel standsland“ mit hoher Wahrscheinlichkeit eine vordere Posi tion einnehmen. Baden-Württemberg wird mit gewerblichem Mittelstand assoziiert. Das ist gut so.

Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass fast 99 % aller Betriebseinheiten mittelständische Betriebe sind – das ist ei gentlich klar – und dass, glaube ich, 63 % oder 62 % der Be schäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen und Hand werksbetrieben tätig sind, sondern das hängt auch damit zu sammen, dass sich die baden-württembergischen Unterneh men auch als Mittelstand fühlen. Selbst Firmen wie Kärcher oder wie Trumpf, deren Geschäftsfeld weit in die Welt hin ausreicht, fühlen sich noch irgendwie mittelständisch. Das ist ein besonderes Signum.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist richtig!)

Das ist auch etwas, was ich persönlich für bewahrenswert hal te, weil es die enge Bindung zwischen der Firmenleitung – hoffentlich sind es noch viele Eigentümerunternehmen – und den Beschäftigten sowie den Kunden aufzeigt. Dies ist ein we sentliches Kriterium einer mittelständischen Wirtschaft. Inso fern freut man sich, dass dies gegeben ist.

Der Mittelstandsbericht gibt unabhängig von dem, was die Landesregierung spezifisch leisten kann oder leisten will, ein Bild vom Mittelstandsland Baden-Württemberg wieder, das aber – darauf lege ich Wert – im Grunde genommen über die Zulieferindustrien – dies gehört zur strukturellen Bemerkung – immer eine verbundene Stärke zwischen Großen und Klei

nen, zwischen Zulieferern und Endmontierern und zwischen unterschiedlichen Branchen aufweist.

Ich will noch eine zweite Bemerkung voranstellen. Das ist die Frage, ob sich das Bild wandelt. Wenn ich mit dem Bevoll mächtigten der IG Metall bei mir im Landkreis Göppingen re de, dann sagt er mir: „Lieber Freund, es ist nicht mehr so, dass der schwäbische Tüftler, dessen Bild wir alle gern hochhal ten, das Bild insgesamt bestimmt.“ Es hat Firmenübernahmen gegeben. Manche früher eigenständigen Firmen sind Teile ei nes größeren Konzerns geworden und haben heute vielleicht 200 oder 100 Beschäftigte. Da tun sich die Firmenleitungen von Handwerksbetrieben schwer, eigenständig zu bleiben.

Das Bild des schwäbischen Eigentümerunternehmers, des Tüftlers, das wir gern über die gesamte Breite ausführen möchten, trifft nicht mehr allein die Wirklichkeit. Auch dies gehört zur Beschreibung des Mittelstands. Es gibt heute in den Leitungen von Handwerksbetrieben und vor allem von klei nen und mittleren Unternehmen Personen, die dieses Bild nicht mehr so leben und im Grunde genommen leitende An gestellte sind – auch in kleineren Einheiten –, die einfach ih ren Job machen und bei denen man sich am Ende fragen muss, wie dieses Unternehmen eigentlich geführt wird.

Ich finde, dies sollte im Landtag von Baden-Württemberg auch zu einer Bildbeschreibung gehören; denn ich glaube – das will ich in Richtung der Regierungsseite sagen –, gerade in dieser fragilen Situation, die wir zwei, drei oder vier Jahre lang erlebt haben, sollten wir die Welt der Hochglanzprospek te nicht für die Realität nehmen. Der Landtag ist dafür zustän dig, dass er eine gute Diagnose macht.

Deswegen sage ich: Wir müssen uns einmal darüber unterhal ten, wie sich Mittelstand und Selbstständigkeit heute verhal ten. Das gehört zu einer realistischen Bestandsaufnahme. Dass Zulieferer nicht unbedingt immer selbstständig sind, sondern kleine Industrien und Handwerksbetriebe, das ist ohnehin klar. Die Frage ist aber schon, ob diese Selbstständigkeit in Ver hältnisse übergeht, die wir nicht wollen.

Ich war kürzlich bei der Firma SÜDRAD in Ebersbach an der Fils, einer Firma mit 280 Beschäftigten, die, wie der Name schon sagt, Räder und Felgen produziert. Dort wird an sechs Tagen in der Woche im 21-Schicht-Betrieb gearbeitet. Jetzt ist der Abnehmer gekommen und hat gesagt: „Ich brauche, weil der Aufschwung da ist, folgende Größenordnungen an Felgen. Ihr müsst deswegen sieben Tage in der Woche arbei ten. Wenn ihr das nicht tut, dann muss ich leider von meiner Einherstellerpolitik abweichen und zu einer Zweihersteller politik übergehen.“ Das erzeugt Druck, der auf die Kleineren durchschlägt. Das ist das Leben, wie es sich darstellt. Dieser Druck ist manchmal grenzüberschreitend. Das sollte auch zur Wahrheit dazugehören.

Nach diesen paar Vorbemerkungen möchte ich auf folgenden Punkt zu sprechen kommen: Der Mittelstand, also die kleinen und mittleren Unternehmen, die Handwerksbetriebe, hat eine eigene Einstellung zu dem, was wir machen. Er will eigent lich eine gemischte Wirtschaftsordnung haben. Er will nicht, dass alles allein in der Hand der Privatwirtschaft liegt. Er will, dass der Staat hierbei auch eine Rolle spielt. Das hat vor vie len Hundert Jahren bei den Zunftordnungen begonnen. Dabei

war klar, dass ein öffentliches Interesse vorhanden ist. Auch heute wollen die meisten Betriebe, dass sich der Staat dort ein mischt, wo es sinnvoll ist.

Viele Betriebe des Ausbaugewerks, Handwerksbetriebe ins gesamt, haben mit dem Konjunkturprogramm II in schwieri ger Zeit eine enorme Stützung bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Konjunkturprogramm II hat vor allem dem Handwerk, dem Mittelstand geholfen. Das ist eine Erfolgsge schichte. Das ist, denke ich, ein großes Verdienst der Regie rung in Berlin, die das auch mit angestoßen hat, u. a. auch durch unseren Impuls, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Beate Fauser FDP/ DVP – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wir auch!)

Gemeinsam.

Ich möchte noch auf ein paar Punkte eingehen, weil der Mi nisterpräsident gestern die Tonlage ausgegeben hat, die mir ganz sympathisch ist: Man soll sagen, was man will.

Erster Punkt: Basel III kommt. Deshalb müssen wir an den Stellen intervenieren, an denen diese Richtlinie für Hand werksbetriebe, für kleine und mittlere Unternehmen in BadenWürttemberg schädlich ist.

Zweiter Punkt: Ich denke, dass wir im Hinblick auf die zu künftige Gewerbeflächenentwicklung und darauf, dass wir ei ne Entwicklung nach innen mit wenig Spielraum für den Flä chenverbrauch wollen, in den Programmen des Wirtschafts ministeriums Akzente auf Flächenrecycling, auf Maßnahmen zur Sanierung alter Industriebrachen für Handwerksbetriebe setzen müssen, die sich vergrößern wollen, die umsiedeln wol len.

Dritter Punkt: Dass wir bei Existenzgründungen viel mehr tun müssen, hat Kollege Löffler gerade schon angetippt. Ich ha be heute Morgen das Nötige dazu gesagt. Ich fordere eine Re vision der Existenzgründungspolitik des Landes.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wir auch!)

Der vierte Punkt sind die Wertgrenzen.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt.)

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Wir hoffen, dass das Land aus der Verlängerung der veränderten Wertgrenzen bis Ende 2011 durch das jetzige Konjunkturprogramm die richtigen Konsequenzen zieht und nicht auf die alten Wert grenzen bei Auftragsvergaben zurückfällt, sondern dass wir vor allem bei den eingeschränkten Vergaben auf ein Niveau kommen, das den kommunalen Parlamenten mehr Spielraum bietet, um die lokale und regionale Wirtschaft zu bedienen.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das habe ich doch schon gesagt!)

Es ist doch gut, dass wir hier eine große Koalition haben.

Dass wir bei PPP-Projekten im Land vorsichtig sein sollten, ist ein allgemeiner Standard in diesem Haus; das ist jedenfalls

von uns so vorgebracht. Dass wir in der künftigen Energie wirtschaft mit einer Stärkung der Stadtwerke vor allem auch kleinen Unternehmen, Handwerksbetrieben neue Chancen in einer Wirtschaft, in der Ressourcenschonung dominant sein sollte, eröffnen sollten, ist, denke ich, auch eine wichtige Sa che.

Meine Damen und Herren, Mittelstandspolitik für BadenWürttemberg muss aktive Politik sein. Sie darf keine Selbst beweihräucherung sein. In diesem Sinn hoffen wir, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Wir haben in diesen Tagen mehrfach über Wirtschaftspolitik diskutiert. Entscheidend in diesem Zusam menhang ist die Frage: Welche Zukunftsausrichtung haben wir für die baden-württembergische Wirtschaft? Da ist das Gutachten von IAW und McKinsey, das ich dieser Tage schon zitiert habe, nach wie vor ein wichtiges Kompendium.

Lassen Sie mich hieraus zu Beginn zwei Äußerungen zitie ren, die ich für sehr wichtig halte:

Um die bisher hervorragende Ausgangssituation

der baden-württembergischen Wirtschaft –

zu halten, sind... stärkere Anstrengungen des Landes not wendig....

Wirtschaftspolitik lebt von Schwerpunkten. Die interna tionale Erfahrung lehrt, dass erfolgreiche regionale Wirt schaftspolitik nur gelingt, wenn klare Schwerpunkte ge setzt und kommuniziert werden.

Wenn wir den Mittelstandsbericht 2010 der Landesregierung an diesem Anspruch messen, dann lautet unser Fazit, dass Sie diesem Anspruch nicht gerecht werden. Sowohl der Rückblick auf das, was zwischen 2005 und 2009 passiert ist, als auch der Ausblick zeigen, dass es eine „Bauchladenpolitik“ ist und kei ne Politik, die Schwerpunkte setzt. Wir finden keine Schwer punkte. Sie haben keine Ziele formuliert, und Sie haben auch keinen Plan, meine Damen und Herren.

Vor diesem Hintergrund verwundert das Ergebnis nicht, das laut einer dpa-Meldung von vorgestern eine Umfrage unter Mittelständlern in Baden-Württemberg erbracht hat. Zwei Drittel dieser Mittelständler waren mit der Politik des Minis terpräsidenten Mappus nicht zufrieden. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Albrecht Fischer CDU: Die war nicht repräsentativ!)

In der Studie von IAW und McKinsey wird festgestellt: Die Ausgangsposition für Baden-Württemberg ist gut, aber die

wirtschaftliche Dynamik hat in den letzten Jahren nachgelas sen. Natürlich hat uns in Baden-Württemberg die Krise be sonders schwer gebeutelt, was auch daran liegt, dass wir noch eine starke Industrie und eine starke Exportorientierung ha ben. Aber klar ist, dass wir uns für die Zukunft auf Schwer punkte fokussieren müssen. Diese Schwerpunkte wurden ge nannt: Mobilität, Umwelttechnologie, Gesundheit und IT.

Ich meine, wir müssen uns im Wirtschaftsausschuss intensiv darüber unterhalten, wie wir die einzelnen Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, bewerten und worauf wir den Fokus bei den Fördermaßnahmen richten können. Bislang ist, wie gesagt, von Zukunftsorientierung oder Schwerpunktsetzung leider keine Rede.